Scheitert der Humanismus in Deutschland? – Eine Antwort

Ich fände es Schade, wenn diese Antwort auf meine Antwort auf Ariks Artikel in den Kommentaren verlorengehen würde. Deshalb hier als eigenen Artikel:

Prof. Dr. Uwe Lehnert
Prof. Dr. Uwe Lehnert

von Uwe Lehnert

Ich glaube auch, dass Arik Platzek zu pessimistisch denkt, vielleicht aber wollte er nur ein wenig provozieren und sich vom Gegenteil überzeugen lassen. M. E. ist politischer Erfolg nur möglich, wenn man die derzeitigen politischen Strukturen beachtet. Das bedeutet, dass nur über eine politische Partei jenes Bewusstsein geschaffen wird, dass der großen Zahl bereits humanistisch Denkender verdeutlicht, welche geistige und politische Macht sie eigentlich besäßen, wenn sie sich organisierten. Das Internet ist in erster Linie ein Informations- und Kommunikationsmedium und leistet inzwischen unersetzbare Dienste. Es ist aber kein Sprachrohr für jene, die es nicht kennen und benutzen, und es hat keine gesetzgebende Kompetenz. Eine politische Partei verfügt über Aufklärungs- und Kommunikationsmöglichkeiten und gesetzgebende Funktionen, die es erlauben, in Konkurrenz zu jenen etablierten Strukturen zu treten, die humanistischen Prinzipien und Forderungen bekämpfen. Daher mein schon an verschiedenen Stellen geäußerter Vorschlag: Die Gründung einer humanistischen Partei!

Es gibt in Deutschland keine Partei, die explizit die Interessen der Konfessionsfreien, Humanisten, Atheisten vertritt. CDU/CSU vertreten offen christliche Positionen, was demokratisch legitim ist, die übrigen Parteien unterstützen mehr oder weniger verdeckt ebenfalls christliches Gedankengut. Es ist daher naheliegend, dass gegensätzliche weltanschauliche Positionen nur von einer Partei vertreten werden können, die sich völlig neu konstituiert. gbs und HVD haben bereits in vielerlei Hinsicht den Boden vorbereitet.

Denkbar ist, dass eine humanistische Partei ein Grundsatzprogramm hat, das sich lediglich auf jene Positionen beschränkt, die von weltanschaulicher Bedeutung sind. Das beträfe z. B. generell alle Fragen des Verhältnisses von Staat und Kirche wie Finanzierungsfragen und solche etwa des kirchlichen Arbeitsrechts, die Fragwürdigkeit der staatlich finanzierten Theologenausbildung und Religion als benotetes und versetzungsrelevantes Unterrichtsfach, ferner alle Fragen der Gesetzgebung, die die Neutralität des Staates in religiöser bzw. weltanschaulicher Hinsicht berühren. Zu letzterem gehören Themen wie die Besetzung von Ethikkommisionen, von höchsten Richterämtern oder Fernseh- und Rundfunkräten, ferner z. B. Themen wie Sterbehilfe oder etwa die Präimplantationsdiagnostik, deren gesetzliche Regelungen stark vom christlichen Menschenbild bestimmt werden. Ein ganz wichtiger zu bearbeitender Bereich wäre die Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Ansonsten sollte in diesen Fragen eine ganz pragmatische Haltung eingenommen werden, die jeweils nach einer Mitgliederbefragung über Internet von Fall zu Fall festgelegt wird.

Eine humanistische Partei würde die bislang unerfüllte Forderung konfessionsfreier Bürger nach öffentlicher Darstellung betont nichtreligiöser Auffassungen und Mitbestimmung in weltanschaulich relevanten Fragen realisieren. Diese Bürger hätten dann endlich dort eine politische Stimme, wo politische Entscheidungen gefällt werden. Da die Zahl der hier angesprochenen Bürger potentiell in der Größenordnung von 25 bis 35 Prozent liegt, darf das Wählerpotential durchaus optimistisch eingeschätzt werden. Diese Partei wäre eine weltanschaulich auf den Neuen Humanismus verpflichtete Partei. Dieser Neue Humanismus besteht aus drei Komponenten: Atheismus (bzw. Agnostizismus), säkulares Wertesystem und Naturalismus. Diese Partei könnte das in weiten Teilen der Bevölkerung latent vorhandene Unbehagen an der Kirche auffangen und in politisch wirksame Aktionen umformen.

Analoge Beispiele gefällig? Der Liberalismus wurde zunächst von einer einzigen Partei betont ins politische Bewusstsein gehoben. Heute werden liberale Positionen wie selbstverständlich von praktisch allen Parteien vertreten. Die Ideen des Umweltschutzes wurden zunächst von den Grünen über Jahre gegen eine verständnislose bis vehement ablehnende Front von Politikern und Bürgern vertreten. Heute finden sich diese Ideen – fast wie selbstverständlich – in allen Parteien und sind als Gedankengut in breiten Bevölkerungskreisen verankert. Es bedürfte heute einer “grünen” Partei gar nicht mehr, weil deren Grundsätze fester Bestandteil unseres politischen Denkens geworden sind.

Die Idee der Trennung von Staat und Kirche ist bis heute nur in wenigen politischen Köpfen als Auftrag des Grundgesetzes vorhanden, noch weniger sind sie dort erwünscht, wo sie eigentlich politisch konkretisiert werden müssten. Die schroffe Ablehnung, die die “Laizisten in der SPD-Führung” erfahren, sprechen Bände und lassen ahnen, welche Hürden dieser Auftrag des Grundgesetzes noch zu nehmen hat. Eine humanistische Partei sollte hier aufklärend und bewusstseinsbildend wirken. Den wenigsten Bürgern ist doch bewusst, wie er auf Schritt und Tritt den Kirchen und ihren politischen Statthaltern in den Parteien ausgeliefert ist. Vergleichbar den Gedanken des Liberalismus und des Umweltschutzes bedarf es der massiven und dauerhaften Aufklärung – und genau das kann und muss eine auf ein solches Programm eingeschworene Partei leisten. (Mehr dazu in: Uwe Lehnert, Warum ich kein Christ sein will, 4. Auflage, 2011, Kapitel VII!)


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