Ein Sonntag Morgen im Frühling – es ist noch ein bisschen kalt, doch die Sonne blinzelt munter durchs Laub und wärmt den Steinkreis am Haus des Waldes im Lauf des Tages auf. In der Mitte hat Naturpädagogin Astrid Schulte eine Schale mit Feuer aufgestellt, drum herum sitzen Nele, Mika und Julian und warten gespannt, dass es los geht. Heute sollen Stock- und Rindenboote aus Holz geschnitzt werden. Doch es wollen noch mehr Kinder mitmachen!
Als weitere sieben Kinder im Streinkreis sitzen, erklärt Astrid Schulte die wichtigsten Schnitzregeln. Erst mal müssen alle eine Armlänge vom Nebensitzer weg rücken. Es kann vorkommen, dass man beim Schnitzen ausrutscht und den Sitznachbar verletzt. Am sichersten für alle ist sowieso, man sitzt breit, stützt die Arme auf die Oberschenkel, hält das Schnitzgut in der Mitte und schnitzt mit einem scharfen Messer seitlich nach vorne weg. Dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Und während Vögel zwitschern und die Blätter der Bäume im Wind rauschen, bearbeiten die Kids Holz aus Astrid Schultes Vorräten. Schwarzerle eignen sich besonders gut, ihr Holz ist ziemlich weich. Zuerst sind allerdings kleine Rindenboote dran und die brauchen ein Loch in der Mitte: „Macht es so tief, dass ein Schlumpf drin sitzen könnte“ empfiehlt Astrid Schulte. Damit können die Kinder etwas anfangen. Konzentriert fallen die Späne.
Seit 2012 gibt Astrid Schulte Stuttgart Schnitzkurse für Kinder und Erwachsene, sei selbst schnitzt seit sie sechs Jahre alt ist: „Der Spielradius eines Kindes liegt heute bei etwa 300 Metern ums Wohnhaus – als ich in den 70ern Kind war, war mein Aktionsradius fünf Kilometer groß. Ich wünsche mir, dass Kinder wieder mehr in der Natur spielen, dass sie aufmerksam durch die Natur streifen, auf dem Waldboden Grünholzschnitt finden, mit dem sie ihre Spielsachen selbst schnitzen können – Rennautos, Becher, Pfeil und Bogen, Gabeln, Messer oder Spiele. Und ich möchte das Wissen, wie man schnitzt an die Kinder weitergeben. Es wäre schade, wenn irgendwann niemand mehr weiß, wie eine Holunderflöte geschnitzt wird, obwohl es so einfach ist.“
Und es ist wirklich einfach. Bei den Booten werden am Kiel noch Donaukiesel aufgeklebt, damit sie gut im Wasser liegen, dann geht’s ab zum Teich, wo die selbst gemachten Schnitzkunstwerke Fahrt aufnehmen. Mit einer Schnur kann man sie wieder zurück ziehen. Dann holen die ersten Eltern ihre Kleinen ab und die zeigen stolz ihr Schnitzdiplom.
Im Februar erschien Astrid Schultes Buch „Meine Schnitzwerkstatt“: auf 74 Seiten vermittelt die Naturpädagogin die grundlegenden Schnitztechniken, welches Werkzeug man dafür braucht und die sechs Schnitzregeln für sicheres Schnitzen. Außerdem erfahren die „Großen“, wie sie Kinder beim Einstieg ins neue Hobby unterstützen können. Dank dem beiliegenden, kindgerechten Opinel-Schnitzmesser kanns auch gleich losgehen, zum Beispiel mit einer Gabel fürs nächste Grillfest, mit einem Kreisel, einer Steinschleuder oder einem Katamaran. Schritt für Schritt und mit vielen Bilder erklärt Astrid Schulte wie es geht, die „kleine Holzkunde“ runden das kreative Abenteuer ab.
Astrid Schulte „Meine Schnitzwerkstatt“, 80 Seiten, mit Opinel-Schnitzmesser, Wire-O-Bindung, 19 Euro 99, Kosmos Verlag Stuttgart
Mehr übers Schnitzen sowie aktuelle Kurstermine gibt’s auf www.mehr-wald.de