Savages – Silence Yourself

Savages – Silence Yourself Anne-Marie Darok

Wertung

Summary: Savages bieten mehr als nur ein Post Punk Revival: Die Essenz eines großartigen Genres in 40 köstlichen Minuten

5

Post-Punk


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Die Tage von Post Punk sind noch nicht gezählt. Dabei gibt es diese Musikrichtung schon seit Ende der 1970er Jahre, als Ian Curtis noch mit Joy Division sein Unwesen trieb…

Dass die vier Jungs aus Manchester so einen wichtigen Beitrag zur Veränderung der Musikgeschichte bringen würden, haben sie sich damals sicher nicht vorgestellt. Vier Musikerinnen aus London wurden vor nicht allzu langer Zeit vom Fernsehsender Arte als “die kleinen Schwestern von Ian Curtis” bezeichnet. Diese Bezeichnung trifft voll ins Schwarze – im wahrsten Sinne des Wortes – denn kühler, apokalyptischer und düsterer könnte der Sound von Savages nicht sein. Dass sich der Bandname perfekt in die 1980er-Batcave-Attitüde einfügt, ist wahrlich ein I-Tüpfelchen, schließlich tummelten sich zig Bands mit Namen wie Virgin Prunes, Specimen oder Alien Sex Fiend rund um die legendäre Londoner Untergrundszene.

Das Besondere an den Savages ist nicht nur, dass sie eine “Girlband” im sonst eher männlich besetzten Genre sind, sondern, dass sie die Blütezeit des Post Punk und Dark Wave nicht nur aufwärmen. Ihr Sound klingt durch die starken Rhythmusgitarren, die dominanten Basslines und das kalte Tremolo der Sängerin Jehnny Beth aka. Camille Berthomier zwar sehr stark nach damals. Doch sind sie nicht die aalglatte Kopie von Siouxsie and the Banshees, The Cure oder Sister of Mercy, sondern treue “Fans” einer Musikperiode, die jenen Stil so gut wie möglich an die Gegenwart adaptieren wollen.


Ihr Debüt Silence Yourself war in der Blogosphäre brennend erwartet worden, und lässt keine Wünsche übrig. Nur die besten Einflüsse aus Post Punk, Dark Wave und Gothic Rock treffen auf dieser 40 minütigen Platte aufeinander, und die Musikerinnen schaffen es meisterhaft die vibrierende Energie bis zum letzten Song aufrechtzuerhalten. Es gibt keinen Durchhänger, keinen Lückenfüller und vor allem wartet man während dem Hören nicht sehnlichst auf die Singles. Letzteres ist ein gutes Zeichen, denn die Singles sind wirklich gute Songs. Vor allem Husbands mit seiner schnellen, spielerischen Gitarrenmelodie und dem atemlosen Refrain hat Ohrwurmpotenzial. Trotzdem würde man dafür keine Tracks überspringen wollen. 
Silence Yourself beginnt mit Shut Up bereits schon so energetisch, dass man unwillkürlich in den Bann gezogen wird. Nach dem verzerrt hörbarem Gespräch von zwei Frauen (ein Sample aus John Cassavetes Film Opening Night) setzt die Bassline ein, nach der sich selbst Peter Hook alle zehn Finger ablecken würde. Die Gitarre wechselt vom Rock’n’Roll zum harschen Hard Rock, und trägt das Lied auf der Ebene des Tempos und der Atmosphäre. Später wird sie auf I Am Here, Waiting For A Sign und Strife ihre desorientierte, pessimistische und apokalyptische Seite zeigen.

Waiting For A Sign macht vor allem durch die langsame Steigerung der Songstruktur auf sich aufmerksam. Die leise Gitarre scheint wie durch eine Glaswand von der Stimme und dem Bass getrennt zu sein. Sie spielt ihre schleppende, dystopische Melodie, bis sie sich mit dem starken Bass, dem zerstörerischen Schlagzeug und Beths fast-schon-Schrei vereint. Zum Ende hin tritt die Rhythmusgitarre heulend in den Vordergrund, während der Bass und das Schlagzeug zur Ruhe kommen. Eben wegen dieser düsteren Harmonie zwischen den Instrumenten, und den Tempowechseln zwischen Ekstase und Erleichterung, ist Waiting For A Sign eines der stärksten Songs des Albums, auch wenn dies beim ersten Hören vielleicht nicht auffällt. Die starke Kontingenz ist wahrscheinlich der einzige “Fehler” von Silence Yourself. Für einen ungeübten Post Punk Hörer mögen die Lieder bei den ersten zwei-dreimal Hören sehr ähnlich klingen. Auf der anderen Seite ist dies die atmosphärische Stärke des Genres, die Hörer ein Album lang in derselben genussvollen Melancholie halten zu können, ohne dabei zu langweilen.

Interessant an der konsequenten Liederreihung ist, dass auch ein Zwischentrack wie Dead Nature nicht fehl platziert wirkt. Es handelt sich dabei um einen kurzen Ambient-Track mit verschiedenen Glockenschlägen, die das Gefühl erzeugen, nach einer Apokalypse in einem nunmehr menschenleeren Herrenhaus zu stehen und dem Ticken der Uhren zu lauschen. Diese Atmosphäre lässt sich auf ländliche Geistergeschichten à la Edgar Allan Poe zurückleiten, in denen nebelhafte Nebengassen, flackernde Gartenlichter und herrenlose Wälder die Hauptrollen spielen. Auch das weitere Schmankerl des Albums, der Abschlusstrack Marshal Dear spielt mit diesen Bildern. Hier tritt bei Kerzenlicht ein sanftes Klavier hinzu, welches das in Moll gehaltene “Schlaflied” ausbalanciert, während das dominante Solo der Oboe die nötige Wärme verleiht. Post Punk Legenden And Also The Trees hatten sich ähnlich ländliche Themen zum Vorbild genommen. Und auch die Savages liebäugeln oft mit diesen Melodien, ohne sich aber nur auf jene festzusetzen.


Die urbanen, mechanischen Töne finden sich vor allem bei She Will und City’s Full wieder. Bei Letzterem erinnert Beths Gesang an das Kampfgeschrei von Siouxsie Sioux und die Gitarren an Public Image Ltd. She Will hat fast schon eine “hübsche” Gitarrenmelodie, die zeitweise von Chorgesang untermalt wird, bis der ganze Song in der manischen Wiederholung der Phrase She Will mündet.

Dass die vier Musikerinnen nicht nur eine Richtung des Post Punks einschlagen, macht Silence Yourself nicht nur zu einem gut durchdachten Revival, vielmehr feiert die Band das Weiterleben eines ein wenig verstaubten Genres. Auch wenn man über die Auftritte der Musikerinnen liest, und wie sie zur Benützung von Mobiltelefonen während eines Gigs steht, merkt man, dass die Savages ihren Stil leben. Vor Auftritten fordern sie nämlich ihr Publikum auf, alle elektronischen Geräte in den Taschen zu lassen, um die Konzentration nicht zu stören. Sie wollen ihre ZuhörerInnnen dazu bringen, Musik ohne Ablenkung zu genießen. Diese Botschaft zielt auf die permanente Ablenkbarkeit unserer Gesellschaft ab. Ironischerweise fordern sie die ungeteilte Aufmerksamkeit mit lärmenden Gitarren, verzweifelten Strophen und dem düsteren, allgegenwärtigen Bass. Die fast schon dystopische Message hinter diesen Geräuschen, Tönen und Melodien erreicht durch ihre instinktive Brutalität umso schneller ihr Ziel in den Köpfen ihres Publikums.

Savages – Silence Yourself, Matador/Beggars Group (Indigo), www.savagesband.com

Tags:5 von 5BeggarsIndigoMatador RecordsPost-PunkSavages


Über den Autor

Savages – Silence Yourself

Anne-Marie Darok Aufgabenbereich selbst definiert als: Musikpoetin mit viel Fantasie. Kriegt bei der Zeile “Real love, it finds you somewhere with your back to it.” (Beach House) immer noch Gänsehaut.


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