Von Angelika Franz
Auf einem Feld machte Michael Greenhorn mit seinem Metalldetektor eine sensationelle Entdeckung: Er grub eines der ältesten Schmuckstücke aus, das je in England gefunden wurde. Doch wessen Hand hat der exquisite Saphir einst geziert?
Manchmal macht die Arbeit mit einem Metalldetektor keinen Spaß. Es gibt Tage, da findet man rein gar nichts. Da läuft einem der Regen in den Jackenkragen, die Nässe kriecht durch die Nähte der Schuhe und die Hände sind steif vor Kälte. Es sind Tage wie diese, an denen man sich am Ende von jeder Feldreihe sagt: “Nur noch diese eine. Dann ab nach Hause und eine warme Suppe essen.” Aber wenn das Ende der nächsten Reihe kommt, und der Detektor immer noch nicht gefiept hat, lässt man die Suppe eben doch noch eine Reihe länger warten – vielleicht liegt der große Fund ja ausgerechnet in der nächsten.
Im April 2009 hatte Michael Greenhorn einen solchen Tag. Er war mit 24 Kumpels vom York and District Metal Detecting Club unterwegs und sein Detektor schlug nicht ein einziges Mal an. “Ich war schon am Ende des Feldes angekommen”, erzählte er später in einem Interview, “und plötzlich kam das Signal.” Greenhorn begann zu graben: “Ich sah Gold aufblitzen – und da war der Ring.”
Ein Goldring, gekrönt von Splittern aus rotem Glas und einem großen Saphir. Alt ist er – mindestens aus dem 11. Jahrhundert, vielleicht sogar schon aus dem 7. Jahrhundert. Nach einem römischen Exemplar ist er der zweitälteste bekannte Saphir Großbritanniens. Jetzt hat das Yorkshire Museum Greenhorn das Schmuckstück für 35.000 Pfund abgekauft, und die Detektivarbeit kann beginnen. Wem gehörte dieser Ring? Was ist die Geschichte des Steins? Wie kam er im tiefen Mittelalter aus den Minen weit im Osten nach England?
Nur Könige oder Bischöfe durften Saphire tragen
Die Qualität des Rings ist bestechend. “In der Röntgenfluoreszenz-Analyse haben wir festgestellt, dass der Goldgehalt etwa 90 Prozent beträgt, der Silberanteil rund acht und der Rest ist Kupfer”, erklärt Kuratorin Natalie McCaul im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Saphire durften im Mittelalter nur Könige oder Bischöfe führen. McCaul ist sich sicher: “Diesen Ring trug ein Mann von sehr hohem Ansehen.” Eine Frau wird es kaum gewesen sein – es sei denn, sie hatte Schlachterhände: “Der Ringdurchmesser ist sehr groß.”
Jedenfalls war es ein Stück, das viel getragen wurde. “Interessanterweise wurde der Ring von einem perfekten Kreis in einen leicht zerdrückten Kreis umgeformt”, erklärt McCaul. “Das Gold hat die Form des Fingers seines Trägers angenommen.” Auf der Unterseite der Fassung sind ein paar ganz kleine Kratzer zu sehen. “Das könnte bedeuten, dass er oft mit einem schlichteren Ring zusammen getragen wurde – so wie viele Leute ihren Verlobungsring und ihren Ehering zusammen an einem Finger tragen.”
Saphire bestehen – wie auch Rubine – aus dem Mineral Korund. Die ältesten bekannten Korund-Fundstellen liegen in Afghanistan und Sri Lanka. Afghanistan wurde schon seit der Antike gerühmt für seine prächtigen Rubine. Und aus Sri Lanka deckte sogar schon König Salomon im zehnten Jahrhundert seinen Bedarf an Edelsteinen. Ein Gemmologe, ein Experte für Schmuck und Edelsteine, soll demnächst kommen. “Wir hoffen, dass er uns sagen kann, wo dieser Stein herstammt”, sagt McCaul.
Der erste Impuls der Forscher war, ihn wegen der Verwendung des Saphirs in die Wikingerzeit, in das neunte bis elfte Jahrhundert zu datieren. “Die Kombination aus den Farben Gold, Rot und Blau ist aber typisch für die Angelsachsen, also schon für das siebte bis neute Jahrhundert”, erklärt McCaul. Normalerweise verwendeten die Goldschmiede der Angelsachsen nur Granate und blaues Glas. “Wir wissen, dass es in York angelsächsische Handwerker gab, die Schmucksteine aus blauem Glas fertigten. Vielleicht war dieser Ring eine Sonderanfertigung für einen besonders reichen Auftraggeber, der die typischen Farben, aber edlere Steine wünschte.”
Saphire hatten dem Volksmund nach magische Kräfte
Dort lag er rund 200 Jahre, bis Heinrich III. (1216 – 1272) den Wunsch verspürte, dem inzwischen heilig gesprochenen Edward ein anständiges Grabmal zu errichten. Als es 1269 fertig war, buddelte man die sterblichen Überreste des heiligen Königs aus. Man nahm ihm die Krone vom Kopf und zog den Ring vom Finger, danach durfte Edward in seinem neuen Grab in Frieden weiter ruhen. Die Insignien aber zählten fortan zu den Kronjuwelen der englischen Könige.
Im Volksglauben des Mittelalters sagte man den Edelsteinen magische Kräfte nach: Ein Saphir schützt seinen Träger vor dem Tod durch Feindeshand, so glaubte man. Vor allem, wenn dieser mit Gift geplant wurde. Ob ein Saphir nun in dieser Hinsicht besonders potent war, ließ sich einfach testen: Man ließ den Stein über einer Spinne baumeln. Fiel sie tot um, wirkten die Kräfte des Saphirs. Und noch eine weitere Eigenschaft wurde den Saphiren nachgesagt, die einem Herrscher bei Ausübung seines Amtes zugute kam: Die Edelsteine dämpften dessen fleischliche Lust und verhinderten unreine Gedanken.
Sämtliche Könige von England trugen Edwards Krone bei der Thronbesteigung. Im Bürgerkrieg ließ Oliver Cromwell sie zwar zusammen mit den anderen Königsinsignien einschmelzen. Doch schon Charles II. trug wieder eine, die seine Goldschmiede aus den Resten der alten in genau der gleichen Form neu gefertigt hatten. Nur Königin Victoria war die monströse 2,2-Kilogramm-Krone zu schwer. Also ließ die damals 18-Jährige sich für ihre Krönung im Jahr 1838 eine leichtere anfertigen. Auf ihr fand zusammen mit dem Rubin des Schwarzen Prinzen und dem Diamanten Cullinan II – auch bekannt als Kleiner Stern von Afrika – der Saphir von Edwards Ring seinen Platz. Bewundern kann den Stein heute jeder Besucher im Tower of London.
Experten vermuten, dass auch der Ring Greenhorns einst königliche Hände in den dunklen Jahren des Mittelalters schmückte. Hätte nicht zufällig der Evangelist Johannes beschlossen, Edward seinen Ring zurückzugeben, so könnte auch dieser – statt auf der Imperial State Crown zu prangen – noch heute im Boden Englands an einem verregneten Tag auf einen Metalldetektoristen warten.