Ich bin in Calama, diesem trostlosen Etwas von einer Stadt inmitten der Atacama Wüste. Gefährlich ist es hier also. Danke für den Tipp. Wo ist nur der verdammte Busbahnhof? Braune, sandige Straßen mit farblosen Zweckbauten pflastern meinen Weg. Vorbei geht´s an Spielhallen und Tittenbars. Dies ist definitiv kein Ort, der das Backpacker Herz in Wallung versetzt. Und freiwillig kommt hier auch keiner her. Es ist die Macht des Geldes, das die Männer hier zum Knochenjob in den weltgrößten Kupferminen verleitet. Und Abends die Macht des Alkohols, der sie für einen Moment aus dem grauen Alltag des Tagebaus entführt.
Terminal de buses. Ich atme auf. Ich will weg, an einen schöneren Ort. San Pedro de Atacama ist mein Ziel. 100 Kilometer gen Osten fährt der Bus durch diese unwirkliche Landschaft im Norden Chiles. Surreal wirkt das Szenario, wie aus einer Szene aus Dune, dem Wüstenplanet. Die Berge in der Ferne leuchten in unterschiedlichen Gelb, Braun und Lilatönen.
San Pedro de Atacama, das Mekka der Wüstentouristen und Teilzeitabenteurer, ist eigentlich eine Kommune aus verschiedenen Siedlungen, eine Oase an einem der einsamsten und trockensten Orte der Welt.
Mächtig wachen die Vulkane Licancabur und Láscar über die Stadt. Letzterer ist immer noch aktiv und macht immer wieder mit kleineren Eruptionen und Aschewolken auf sich aufmerksam. Bleib einfach cool, werfe ich ihm meine Gedanken zu.
Mein Hostel ist schnell gefunden. San Pedro de Atacama ist übersichtlich.
Die Hausherrin empfängt mich mit warmen Worten und erzählt, das es schon seit Jahren nicht mehr richtig geregnet hat. Keine Seltenheit hier, liegt doch die Niederschlagsmenge bei etwa einem Fünfzigstel der Regenmenge, die im Death Valley in den USA gemessen wird. Es gibt Wetterstationen in der Atacama, die in ihrer Geschichte nicht einen Tropfen Niederschlag verzeichnet haben.
Ich will die Stadt erkunden und mache mich auf den Weg zur Plaza de Armas, der mit Eukalyptusbäumen und der weiß getünchten Kirche durchaus Charme besitzt. Es ist heiß, ich ziehe mich in den Schatten zurück und beobachte die spielenden Kinder. Auf Steinbänken sitzen die umher schauenden Alten, deren ausdrucksvolle Gesichter vom harten Leben in der Wüste gezeichnet sind. Ein Ort, dem Hektik fremd ist, denke ich mir und laufe weiter.
Durch die braunen, urigen Gässchen, in denen es vor Tourenanbietern, Souvenirgeschäften, Restaurants und abenteuerlustigen Touristen nur so wimmelt. Ich buche für den nächsten Tag eine Tour ins Valle de la Luna, das Tal des Mondes.
Danach geht es ins archäologische Museum R. P.Gustavo Le Paige, das mir einen Überblick in die Geschichte der Atacama und seiner Bewohner verschaffen soll. Der Namensgeber, ein Pater mit riesigen Ohren und Faible für Archäologie, empfängt mich am Eingang in Form einer Statue. Das Museum beherbergt Fundstücke aus allen Epochen der Besiedelung der Wüste. Textilien, Keramik und Werkzeuge werden hier gezeigt. Mumien gibt es leider keine mehr zu sehen. Diese wurden 2007 auf Druck der indigenen Bevölkerung entfernt und standesgemäß Pachamama, der Mutter Erde zugeführt.
Im Tal des Mondes
Am nächsten Tag steht das Valle de la Luna auf dem Programm. Um den freudig angepriesenen Sonnenuntergang nicht zu verpassen, nehme ich die Tour am Spätnachmittag.
Das Valle de la Luna liegt etwa 20 Kilometer von San Pedro entfernt.
Ein eindrucksvoller Ort. Mit dem richtigen Namen. Das Tal des Mondes sieht wirklich aus, als könnte es weit entfernt auf dem Erdtrabanten geformt worden sein.
Braun, Ocker und Rottöne in den verschiedensten Abstufungen. Salz blitzt am Boden hindurch reflektiert von der Sonne. Der helle, rötliche Sand verweht hinter kuriosen Steinformationen. Ein Dinosaurier, eine küssende Frau, ein Frosch - die Phantasie schafft immer neue Assoziationen. All dies hat die Natur hier in Jahrmillionen geformt, durch längst versiegte Wasser geschliffen und als Denkmal für die Menschheit hinterlassen. Dieses Denkmal mahnt: Seht her, wie schön unsere Erde ist.
Das Panorama ist überwältigend, als ich mich zum Rande der Schlucht begebe, um den Sonnenuntergang zu genießen. Im Vordergrund das Mondtal, dann der grüne Oasenstreifen San Pedro und in letzter Reihe die mächtige Andenkordillere. Ich speichere diesen Moment für immer in meinem Kopf. Einfach ewig sitzen bleiben....
Die Sonne nimmt Ihren täglichen Lauf und taucht die Landschaft in warme Farben, als würde sie eine kuschelige Decke über die nahende Nacht legen wollen.
Der Sonnenuntergang ist ein grandioses Schauspiel. Ohs und Ahs raunen durch die sehnsüchtig wartende Meute. Menschen springen vor dem untergehenden Himmelskörper, um Ihre Silhouette stilecht auf Speicherkarten zu verewigen.
Regen, Regen!
Es wird dunkel. Mit der Nacht kommt die Abkühlung. Und der Hunger. Ich gehe ins La Pica del Indio, esse gut, trinke den besten Pisco Sour am Platz, wie mir die freundliche Bedienung stolz erklärt.
Mitten in der Nacht schrecke ich hoch. "Lluvia, Lluvia" hallt es von draußen. Verträumt eile ich, nur mit Boxershorts bekleidet in den Innenhof meines Hostels. Regen? Habe ich richtig gehört oder ist das ein Traum? Unglaublich, es kommen doch tatsächlich Tropfen vom Himmel. Was man hierzulande als Taubenschiß unaufgeregt zur Kenntnis nehmen würde, erzeugt in San Pedro de Atacama binnen Sekunden eine Volksaufruhr. Menschen rennen aus Ihren Häusern auf die Straßen und das ganze Dorf hat kollektiv Angst um Ihre wasserunverträglichen Lehmbauten.
Nach einer gefühlten Minute ist der Spuk auch wieder vorbei. Diese Sparwolke hatte nicht mehr als 4 Tropfen intus. Gähn. Weiterschlafen.
Beim Frühstück erzählt mir meine Hostelmama, das bei heftigerem Regen die Stadt zu einer braunen Lehmsuppe verkommt und die Häuser weggewaschen werden. Wann das war, weiß aber selbst sie nicht mehr.
Salar de Atacama - eine salzige Angelegenheit
Heute fahre ich zum Salar de Atacama. Der gigantische Salzsee ist die Heimat großer Kolonien von Flamingos, die hier in den Wasserlachen des Sees nach winzig kleinen Krebsen Ausschau halten. Erste Erkenntnis - Flamingoscheiße stinkt ziemlich übel. Zweite Erkenntnis - das Federvieh schafft die Nahrungsaufnahme auch äußerst galant auf einem Bein. Dritte Erkenntnis - Die Farbe des Gefieders kommt von den zahlreich verputzten Krustentieren. Zum Glück nehmen wir Menschen nicht die Farbe unserer Nahrung an....
Ich mag die Graubruststrandläufer. Kleine flinke Vögel, die zwischen den Beinen der Flamingos Ihren Geschwindigkeitsvorteil nutzen und den großen rosafarbenen Salar Queens die Beute streitig machen. Rebellentum auf Vogelart. Gefällt mir.
Anschließend gönne ich mir noch ein wenig Totes Meer Feeling in der Laguna Cejar. Dank des hohen Salzgehalts und der damit verbundenen Dichte des Wasser fühlt man sich wie eine fleischgewordene Luftmatratze - untergehen unmöglich. Cerrar los ojos - Augen schließen - schreit ein besorgter Mann hinter mir. Zu spät. Meine Augen brennen wie Feuer. Toll, jetzt sehe ich aus wie ein Coffeeshopbesucher in Amsterdam nachts um halb 12. Damn!
Verirrt in der Wüste
Den Nachmittag nutze ich zu einer ausgiebigen Mountainbiketour durch das Hinterland San Pedros. Ich halte bei der Ruine Pukara de Quitor. Eine in Stein gebaute Festung der Atacameños. Hier haben die Wüstenbewohner sowohl gegen die vom Norden kommenden Inkas als auch gegen die alles beherrschen wollenden Spanier verteidigt. Die Aussicht über das gesamte Tal vom Gipfel der Anlage ist überwältigend schön.
Weiter ins Alto Catarpe. Ein Grüngürtel schlängelt sich durch ein von kupferfarbenen Bergen eingeschlossenes Tal. Der Rio San Pedro nimmt seitlich meines Weges seinen Lauf.
Vorbei an einem hier gestrandeten Hippiebus - die Insassen kommen aus Spanien und sind auf großer Südamerika Tour. Nicht mehr ganz zurechnungsfähig versuchen sie sich zu viert am Reifenwechsel Ihres bunt bemalten Unimogs.
Viel Glück rufe ich Ihnen zu und nehme die Auffahrt zu einem der Berge - unwissend, was mich am Ende erwartet. Eine Quälerei auf dem unwegigen Gelände. Langsam geht es voran, Serpentine um Serpentine. Aufgeben kommt nicht in Frage. Dafür bin ich zu neugierig. Nach einer Stunde bergauf erreiche ich den Eingang eines dunklen Tunnels. Construido (erbaut) 1930. Sehr vertrauenserweckend.
Was tun? Die ganze Schinderei umsonst? Nein, Mut zusammen nehmen und rein in dunkle Nichts. Kein Licht auf der anderen Seite, nur pechschwarze Dunkelheit. Ich packe mein Fahrrad am Sattel und schiebe es einen halben Meter Stück für Stück vor mir her. Sollte ein Abgrund nahen, segnet wenigstens nur der Drahtesel das Zeitliche. Und da, ein winziger Punkt am Horizont. Lange hätte ich den klaustrophobischen Zustand auch nicht mehr ausgehalten.
Am Ausgang erwartet mich ein runder Krater voller...rötlicher Steine. Und Salz. Steine, Salz. That´s it. Ich drehe eine Runde. Verdammt, hier sieht aber auch alles gleich aus. Genug gesehen. Wo war nochmal der verdammte Tunnel? Gesegnet mit einem eigentlich guten Orentierungssinn dürfte das doch kein Problem sein. Falsch gedacht. Runde um Runde nichts als Steine. Panik kommt neben der hereinbrechenden Dämmerung auf. Dies ist nicht unbedingt der ideale Platz für eine Nacht im Freien. Meine Hände halten zitternd den Lenker. In solchen Situationen fange ich an, leise vor mich hinzufluchen, um die missliche Lage herunterzuspielen. Du f...Tunnel, zeig dich. Noch eine Runde. Bin ich hier nicht eben schon mal vorbei?
Und da, als hätte er genug von wüsten Beschimpfungen, taucht er endlich auf. Freudig erregt mache ich mich auf den Rückweg. Der Tunnel nun ein Kinderspiel. Nie mehr ohne Kompass und Taschenlampe ist mein erster Gedanke bei der Abfahrt ins gesegnete Dorf. Bienvenidos....schön, dass du da bist, San Pedro de Atacama!
Die höchstgelegenen Geysire der Welt - El Tatio
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker bereits um 3 Uhr nachts. Wieder Regen, mein erster Gedanke, als ich hochschrecke. Nein, stimmt, die Fahrt zu den höchstgelegenen Geysiren der Welt steht an. Die El Tatio Geysire scheren sich einen Teufel um humane Aufstehzeiten und entwickeln Ihre höchste Aktivität im frühen Morgengrauen.
Im Dunkel der Nacht rattert unser Kleinbus über eine steile Buckelpiste Richtung Altiplano. Diese Hochebene zieht sich vom Norden Chiles nach Bolivien und Peru auf durchschnittlich 3500 Metern.
Von der Hinfahrt bekomme ich nicht allzu viel mit - zu dunkel und zu früh. Schnarch.
4: 53 Uhr. Ankunft an den Geysiren. Arschkalt hier oben, - 6 Grad. Dafür ist die Landschaft wunderschön - Ichu Gras besetzte Hügel, schneebedeckte Gipfel und die dampfenden Wassernebel der Hauptakteure.
Die Erde lebt. Mehr als 80 Geysire speien hier in regelmäßigen Abständen heiße Fontänen gen Himmel. Der Vorhang geht auf und die Sonne taucht die Ebene nach und nach in ein goldenes Licht.
Es gibt Leche caliente, heiße Milch. Unser morgens schon prächtig gelaunter Fahrer Manuel legt dazu die Milchpackung einfach in einen kleinen Abfluss mit warmen Wasser. Gierig greifen die Umstehenden, bibbernd in Decken eingewickelt, nach dem begehrten Getränk. Wüste = heiß war bei vielen dummerweise das Denkschema beim Packen.
Ich mag keine Milch, weder warm noch kalt.
Faszination Altiplano
Nach einem kurzen Bad in einem der gemäßigten Becken geht es weiter durch das Hochland. Ziel ist die Laguna Miscanti auf 4140 Metern Höhe. Atemberaubend liegt der kleine, azurblaue See zu Fuß seines vulkanischen Namensvetters. An den Ufern grasen die scheuen Vicuñas, eine nicht domestizierbare Art der Kamele (Auch die Lamas, Alpakas und Guanancos zählt man zu dieser Gattung) . Auch die seltene Entenart Tagua Cornuda und Flamingos sind hier zu sehen.
Tiefer und tiefer geht es durch das Altiplano. Die Stille und Weite dieser Gegend fasziniert mich von Minute zu Minute mehr. Mit Demut durchkämmt man dieses Areal, das Mutter Erde hier als Bastion gegen den weit unten herrschenden Wahnsinn erschaffen hat. In der Hoffnung, das es noch lange erhalten bleibt, passieren wir Hochmoore, mehrere 6000er und...was ist das? Ein grauer, merkwürdig aussehender Kollege sitzt im hohen Gras. Kaninchen? Ein überdimensionales Meerschwein? Nein, es ist tatsächlich ein Vizcacha. Diese eigentlich nachtaktiven Verwandten der Chinchillas vor die Linse zu bekommen, ist pures Glück.
Wir erreichen Machuca. Die weiße, dem roten Staub trotzende Kirche ist schon von weither sichtbar und eines der beliebtesten Fotomotive der Gegend. Das Dorf war früher die Raststätte für die Lama Karawanen der Aymara Indianer. Typisch für Machuca sind seine Dächer aus Kaktusholz und Ichugras. Einzig die dort angebrachten Solarzellen vermitteln das Gefühl von Moderne. Zeit für eine kleine Zwischenmahlzeit. Die Auswahl ist begrenzt. Es gibt Lama am Spieß und Empanada de Lama.
Die letzte Destination ist der kleine Ort Toconao. Ein beschaulicher Platz. Und der Obstgarten der Atacama. Quitten, Feigen, Birnen und Aprikosen wachsen nahe des Dorfs in der Schlucht von Jere. Frauen verkaufen Marmelade und Textilien auf der Plaza vor der Kirche. Der weiße koloniale Bau mit dem Glockenturm von San Lucas (1750 erbaut) ist der Hauptgrund der hier vorbeiziehenden Reisenden. Hübsch.
Zuück in San Pedro de Atacama. Müde und glücklich, vollgepackt mit neuen Eindrücken, krieche ich abends unter meine Decke aus Alpaka Wolle. Ich würde mich jederzeit wieder selbst in die Wüste schicken.....
Hinkommen
Nach Calama kommt man in 2 Stunden günstig mit Inlandsflügen, angeboten von LAN oder Sky Airline. Von dort geht es weiter mit dem Bus nach San Pedro de Atacama.
Terminal de Buses Calama, Balmaceda/Ramírez 1852
Unterkünfte
Hostal El AnexoMein Tipp in San Pedro de Atacama. Mariela, die Besitzerin, betreibt mit viel Liebe dieses Hostel. Gepflegte Atacamatypische Zimmer und toller Innenhof mit Hängematten und Liegestühlen.
Weitere Unterkünfte findest du hierEssen und Trinken
- Pizzeria El Charrua Beste Pizza im Ort und leckere Sandwiches
- La Pica del Indio Gemütliches Restaurant mit tollen Salaten und dem besten Pisco Sour
- Sala de Cerveza Chelacabur coole Bar mit günstigem Bier
- Red Deli super Kaffee und leckere Empanadas