Samuel Henne, Anahita Razmi, Fabian Reimann im Kunstverein Hannover Februar-März 2013

Im Kunstverein Hannover werden Werke von drei Stipendiaten der Villa Minimo gezeigt: Samuel Henne (geb. 1982), Anahita Razmi (geb. 1981), Fabian Reimann (geb. 1975).

Kvh_SH_relief fold
Samuel Henne stellt unter der Überschrift "Formationen" aus. Dem Wechselverhältnis von Fotiografie und Skulptur nachzugehen, das reizt ihn offensichtlich. "Relief Folds" (2011) (Bildbeispiel): Geometrisch gefaltete Pergamentpapiere sind vom Scanner erfasst (nicht von einem Fotoapparat) und bekommen dadurch eine besondere plastische Präsenz. Mensch sollte das (im Originalprint in der Ausstellung) gesehen haben. In "musée imaginaire" (2012) setzt er sich auf andere Weise mit dem Verhältnis von Fotografie und Skulptur auseinander: Bildbände mit Fotografien von berühmten Bildhauern (Rodin z.B.) werden so aufgeschlagen und eingeschlagen, dass die Seiten sich bis zum Falz nach hinten wölben, und dann fotografiert; auf den gewölbten Bildseiten sind nur Bruchstücke der Skulpturen zu sehen. "Neben dem Bild-im-Bild-Effekt - der Bildband mit fotografierten Skulpturen wird plastisch arrangiert und wiederum fotografisch abgebildet - spielt Samuel Henne auf die popularisierende Verbreitung von Kunstwerken im historischen Kontext an." Das sind nur Beispiele für die ausgestellten Werke unterschiedlicher Art.

Kvh_FR_Drops

Fabian Reimann ist der komplizierteste der drei, weil er seine Motive bewusst immer weiter verrätselt - zusammenfassend unter "Amateur und Überflieger" ausgestellt. Ihn lässt das Spionagethema nicht los. Vor allem hat er sich mit dem Spion des Kalten Krieges Rudolf Abel befasst, der zur Tarnung mindestens drei Jahre in New York als Amateurkünstler und -fotograf lebte und spionierte. Unveröffentlichte Fotos aus dem FBI-Archiv zeigen Abels Atelier (der mühsame Akt, die Fotos und teilweise geschwärzte Schriftstücke zu bekommen, gehört zu Reimanns künstlerischer Arbeit); Reimann hat die Reproduktionen in Ölgemälde übersetzt und anschließend geröntgt (räumliche Installation "X", 2012). "Drops" (2012) (Bildbeispiel oben) führt BesucherInnen zurück ins New York der 50er Jahre - kreisrunde Frottagen zeigen Orte, die als Verstecke und Depots für Nachrichten zwischen Spionen dienten, gewissermaßen wie durch einen Türspion.

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Es mag subjektiv sein, doch am meisten überzeugt und beeindruckt haben mich die Arbeiten von Anahita Razmi (gebürtige Hamburgerin mit iranischen Wurzeln), wenn es auch teils schwierig ist, sie in einem Museum zu präsentieren; was hier unter der Überschrift "Swing State" versucht wird. In einer zwölfteiligen Videoinstallation wird hier ein Eindruck vermittelt von der Aktion "Roof Piece Tehran" (2011). Zu der gibt es ein Vorbild: Trisha Brown hatte 1973 die Tanz-Performance "Roof Piece" in Szene gesetzt; auf Dächern in New York wurden tänzerische Gesten von Dach zu Dach weitergegeben, sodass also die Tanzszene als Gesamtbild von Dach zu Dach sprang. Mensch kann sich wohl kaum vorstellen, was es bedeutet, Entsprechendes im restriktiven Teheran auszuüben, wo Tanz grundsätzlich verboten ist (Anahita Razmi schildert im Pressegespräch, dass nicht jede-r TänzerIn den Mut hatte mitzumachen, und dass ein erster Versuch unter den Augen der Polizei abgebrochen werden musste). Lässt mensch sich darauf ein und wimmelt es gerade nicht von BesucherInnen, so kann im Raum des Kunstvereins zwischen den Videobildschirmen durchaus im Anblick des schönen tänzerischen Ausdrucks eine meditative Stimmung (nach)erlebt werden. In der fotografischen Arbeit "Frequently Asked Questions" (2011) wird in Bild-Text-Paaren das Spannungsfeld zwischen freier Lebensgestaltung und möglichem Verbot im religiösen Zusammenhang zum Thema gemacht. Fragen, die uns banal erscheinen, sind echten Fragen auf der Internetseite des Ayatollah Chomeini entlehnt, beispielsweise: Ist das Rasieren des Bartes eine Sünde? Können wir Musik hören? Darf eine Frau ihre Augenbrauen zupfen? Ist das Trinken von Cocacola erlaubt? Statt eine Antwort zu geben, hängt die Künstlerin großformatige fotografische Selbstporträts dazu, auf denen die entsprechenden Handlungen nachgestellt sind (s. Cocacola-Beispiel unten).

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Wer neugierig ist auf junge Kunst bei uns, dem empfehle ich den Besuch der geschickt eingerichteten Ausstellung sehr.

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover, unter Verwendung der Presseinformationen; Fotos von oben: Samuel Henne, »relief folds«, 2011 (fortlaufende Serie), Fine Art Print, 80 x 60 cm; Fabian Reimann, »Drops«, 2012, Frottage, Graphit auf Papier, je 25 x 26 cm; Anahita Razmi, »Roof Piece Tehran«, 2011, Videoinstallation, 12-tlg., je 18:11 Min., Loop; Anahita Razmi, »Frequently Asked Questions«, 2011, Poster Prints, 22-teilige Serie, je 90 x 60 cm. Alle wurden als Pressebilder vom Kunstverein zur Verfügung gestellt, sind also nicht frei verwendbar. 


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