Das Amt des Bundespräsidenten nimmt die Rolle der personifizierten Moral ein. So jedenfalls will es die Theorie. Moral ist schließlich stets das, was man darunter verstehen will. Es gibt die Sklaven- und die Herrenmoral, Männer- und Frauenmoral, emotionale und ökonomische Moral. Der Bundespräsident soll aber mahnen, hinweisen, auf Entwicklungen hinstoßen - kurz: er soll eine päpstliche Rolle einnehmen, quasi-spirituelle Instanz sein, an die man sich wenden kann, von der aber keinerlei Wirkung ausgeht.
Wie der Papst im Zeitraffer
Das Papsttum hatte einst weltliche Potenz. Ein Kirchenstaat war in seiner Obhut - die europäischen Fürsten mussten mit ihm rechnen, ihn auf seiner Seite haben. Er war Kriegsherr und Gestalter. Und dann war es vorbei - jedes Imperium schwindet, so auch jenes, das dem Papst unterstellt war. Heute füllt das päpstliche Amt meist ein unfreundlicher älterer Herr, der Ratschläge erteilt und (für ihn) moralisch klingende Empfehlungen ausspricht.
Das Amt des Bundespräsidenten ist dem päpstlichen wie im Zeitraffer ähnlich. Von der Macht, die er im Weimarer Deutschland besaß, damals noch als Präsident des Reiches, verfiel er zum schwingenden Zeigefinger, der Verfehlungen tadelt und Mut zuspricht. Weil er aber keine Funktion hat - und wir leben in einer Welt, in der alles Funktionen haben muß, um als Wert akzeptiert werden zu können -, so sagen nun viele, soll das Amt abgeschafft werden. Nichts gegen moralische Instanzen - aber sie haben wahrscheinlich recht.
Von Profanie zu sakraler Instanz
Denn eine moralische Instanz kennt man in diesem Lande bereits - der Bundespräsident doppelt nur das Amt des politisierten Seelenhirten. Spirituelle Führerschaft, die mahnt, tadelt und lobt, sie ist hierzulande unter dem Wort Regierung bekannt. Das Primat der Politik, es ist nicht mehr vorhanden. Minister und Kanzler wirken wie päpstliche Nuntien, wenn sie aufgeschreckt von der Presse auf Missstände und wirtschaftliche Entwicklungen, auf Schweinereien und ökonomische Kriminalität aufmerksam gemacht werden. Wie päpstliche Delegierte verfallen sie in moralische Monologe, erklären, dass man dies oder jenes nicht mache, dass es unanständig, eine Verfehlung sei, dass man sich besinnen sollte. Das ist die Aufgabe, die deutsche Regierungen übernehmen - man ist spirituell, man gibt sich ethisch, man läßt seine Hände im Schoss.
Dort ruhen sie aber nicht, weil sie im Gebet zusammenstecken - sie scheinen gefesselt. Weshalb auch immer. Freiwillig oder unter Zwang? Vermutlich eine Mischung daraus. Jedenfalls folgen kaum taten - die Finanzkrise hat beispielsweise nicht dazu geführt, die Spekulativwirtschaft zu reformieren. Es gibt keine Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen. Man hat es beim päpstlichen Tadel belassen. Verantwortungsvoller spekulieren, das Maß nicht verlieren - das sind die Ratschläge. Wie beim alten Mann zu Rom bleibt es bei Worten. Die Praxis, die moralischen Sentenzen wahr zu machen, die fehlt völlig.
In den letzten zwanzig Jahren ist man von weltlicher zu sakraler Macht geschlittert - das klingt toll: sakral, also heilig. Aber das ist eine Katastrophe, wenn Politik, die im Diesseits tätig sein sollte, verheiligt wird, sodass sie nicht mehr auf Erden wandelt. Ihr Primat ist ihr völlig abhanden gekommen. Was der Politik bleibt, was Regierungsaufgabe geblieben ist, das sind moralische Beteuerungen, Zurechtweisungen und ein bisschen eloquente Sittlichkeit.
Politikpriester: die letzte Nische, die die Ökonomie der Politik gestattet
Diese Zuständigkeit wird man ihr nicht aberkennen. Die Gemeinwesen, die mehr und mehr in die Hände multinationaler Konzerne geraten, werden sich die Politik und ihre Regierungen als Priesterkaste halten. Als theologische Dienststellen, die eine gekünstelte Mittlerrolle zwischen Wirtschaftsbaronie und Volk spielen werden. Die weltliche Kompetenz, das Leiten und Führen des Staates, erledigen dann noch mehr und viel direkter als heute, Delegierte aus Aufsichtsräten - die können sich die moralischen Aspekte der Staatslenkung sparen, dazu gibt es die politischen Priester. Schließlich leben wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Der Demokratie wird freilich Genüge getan: man darf seine Politikpriester wählen - die weltlichen Machthaber aber nicht.
Für was also das Amt des Bundespräsidenten weiterhin beatmen, wenn wir doch Kanzler und Minister haben, die seine Aufgabe mindestens genauso gut erfüllen. Deren Handlungsspielraum ist wie seiner: es gibt ihn nicht (mehr) oder jedenfalls immer weniger. Aber es klingt so schön, wenn sie der Moral nach dem Maul sprechen...
Wie der Papst im Zeitraffer
Das Papsttum hatte einst weltliche Potenz. Ein Kirchenstaat war in seiner Obhut - die europäischen Fürsten mussten mit ihm rechnen, ihn auf seiner Seite haben. Er war Kriegsherr und Gestalter. Und dann war es vorbei - jedes Imperium schwindet, so auch jenes, das dem Papst unterstellt war. Heute füllt das päpstliche Amt meist ein unfreundlicher älterer Herr, der Ratschläge erteilt und (für ihn) moralisch klingende Empfehlungen ausspricht.
Das Amt des Bundespräsidenten ist dem päpstlichen wie im Zeitraffer ähnlich. Von der Macht, die er im Weimarer Deutschland besaß, damals noch als Präsident des Reiches, verfiel er zum schwingenden Zeigefinger, der Verfehlungen tadelt und Mut zuspricht. Weil er aber keine Funktion hat - und wir leben in einer Welt, in der alles Funktionen haben muß, um als Wert akzeptiert werden zu können -, so sagen nun viele, soll das Amt abgeschafft werden. Nichts gegen moralische Instanzen - aber sie haben wahrscheinlich recht.
Von Profanie zu sakraler Instanz
Denn eine moralische Instanz kennt man in diesem Lande bereits - der Bundespräsident doppelt nur das Amt des politisierten Seelenhirten. Spirituelle Führerschaft, die mahnt, tadelt und lobt, sie ist hierzulande unter dem Wort Regierung bekannt. Das Primat der Politik, es ist nicht mehr vorhanden. Minister und Kanzler wirken wie päpstliche Nuntien, wenn sie aufgeschreckt von der Presse auf Missstände und wirtschaftliche Entwicklungen, auf Schweinereien und ökonomische Kriminalität aufmerksam gemacht werden. Wie päpstliche Delegierte verfallen sie in moralische Monologe, erklären, dass man dies oder jenes nicht mache, dass es unanständig, eine Verfehlung sei, dass man sich besinnen sollte. Das ist die Aufgabe, die deutsche Regierungen übernehmen - man ist spirituell, man gibt sich ethisch, man läßt seine Hände im Schoss.
Dort ruhen sie aber nicht, weil sie im Gebet zusammenstecken - sie scheinen gefesselt. Weshalb auch immer. Freiwillig oder unter Zwang? Vermutlich eine Mischung daraus. Jedenfalls folgen kaum taten - die Finanzkrise hat beispielsweise nicht dazu geführt, die Spekulativwirtschaft zu reformieren. Es gibt keine Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen. Man hat es beim päpstlichen Tadel belassen. Verantwortungsvoller spekulieren, das Maß nicht verlieren - das sind die Ratschläge. Wie beim alten Mann zu Rom bleibt es bei Worten. Die Praxis, die moralischen Sentenzen wahr zu machen, die fehlt völlig.
In den letzten zwanzig Jahren ist man von weltlicher zu sakraler Macht geschlittert - das klingt toll: sakral, also heilig. Aber das ist eine Katastrophe, wenn Politik, die im Diesseits tätig sein sollte, verheiligt wird, sodass sie nicht mehr auf Erden wandelt. Ihr Primat ist ihr völlig abhanden gekommen. Was der Politik bleibt, was Regierungsaufgabe geblieben ist, das sind moralische Beteuerungen, Zurechtweisungen und ein bisschen eloquente Sittlichkeit.
Politikpriester: die letzte Nische, die die Ökonomie der Politik gestattet
Diese Zuständigkeit wird man ihr nicht aberkennen. Die Gemeinwesen, die mehr und mehr in die Hände multinationaler Konzerne geraten, werden sich die Politik und ihre Regierungen als Priesterkaste halten. Als theologische Dienststellen, die eine gekünstelte Mittlerrolle zwischen Wirtschaftsbaronie und Volk spielen werden. Die weltliche Kompetenz, das Leiten und Führen des Staates, erledigen dann noch mehr und viel direkter als heute, Delegierte aus Aufsichtsräten - die können sich die moralischen Aspekte der Staatslenkung sparen, dazu gibt es die politischen Priester. Schließlich leben wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Der Demokratie wird freilich Genüge getan: man darf seine Politikpriester wählen - die weltlichen Machthaber aber nicht.
Für was also das Amt des Bundespräsidenten weiterhin beatmen, wenn wir doch Kanzler und Minister haben, die seine Aufgabe mindestens genauso gut erfüllen. Deren Handlungsspielraum ist wie seiner: es gibt ihn nicht (mehr) oder jedenfalls immer weniger. Aber es klingt so schön, wenn sie der Moral nach dem Maul sprechen...