Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“

Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“01.10.2011- Am vergangenen Donnerstag haben 523 Abgeordnete im Bundestag der Erweiterung des EFSF zugestimmt und damit unter anderem eine Aufstockung der deutschen Kreditbürgschaften von 123 auf 211 Milliarden Euro beschlossen. Neben 13 Neinstimmen und zwei Enthaltungen innerhalb der Regierungskoalition hat die Linksfraktion geschlossen gegen den Gesetzentwurf von Union und FDP gestimmt.

Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei und wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, erläutert in einer Erklärung unter dem Titel „Sie verpulvern das Steuergeld von Millionen Menschen!“ die Gründe für die Ablehnung der ESFS-Erweiterung.

In der viel besprochenen Abstimmung hat Angela Merkel mit vier Stimmen Vorsprung die sogenannte Kanzlermehrheit erreicht. Von der Regierung wird dieses Ergebnis als Zeichen der Anerkennung des schwarz-gelben Regierungskurs gewertet. Dabei war das vorhersehbare Votum zuvor vor allem von Regierungsmitgliedern als Prüfstein inszeniert worden.

Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“

ESFS-Erweiterung: Was wurde im Parlament beschlossen?

Am 29. September 2011 stand im Deutschen Bundestag die Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus zur Abstimmung. Der Entwurf war dem Parlament am 05. September von Union und FDP, namentlich von Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Rainer Brüderle vorgelegt worden und basiert im Wesentlichen auf den folgenden Punkten:

  • Durch das Gesetz wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, „Notmaßnahmen“ zugunsten von Euro-Staaten mit Bürgschaften in einer Höhe von bis zu 211 Milliarden Euro zu unterstützen.
  • Zusätzliche Kosten und Zinsen werden dabei nicht auf den Ermächtigungsrahmen angerechnet.
  • Bei den sogenannten „Notmaßnahmen“ handelt es sich um Darlehen an die betroffenen Staaten, Ankäufe von Staatsanleihen am Primärmarkt und am Sekundärmarkt und nicht näher definierte „vorsorgliche Maßnahmen“.
  • Das Gesetz umfasst dabei ausdrücklich auch solche Maßnahmen, die der Rekapitalisierung von Finanzinstituten dienen.

Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“Das Finanzministerium erhält somit einen Freibrief zur Gewährung von Bürgschaften in einer Höhe von bis zu 211 Milliarden Euro, ohne dass im Einzelnen die Zustimmung des Parlamentes eingeholt werden muss.

Da Kosten und Zinsen nicht auf den Ermächtigungsrahmen angerechnet werden, gehen Experten davon aus, dass der tatsächliche Bürgschaftsrahmen (inklusive Kosten und Zinsen) bei bis zu 400 Milliarden Euro liegen kann.

Das Gesetz schließt dabei „Maßnahmen, die der Rekapitalisierung von Finanzinstituten dienen“ eindeutig ein. Im Klartext steht das Bürgschaftsvolumen also zur weiteren „Bankenrettung“ zur Verfügung.

Neben der Gewährung von Darlehen an betroffene Staaten und Ankäufen von Staatsanleihen an den Primär- und Sekundärmärkten legitimiert das Gesetz auch „vorsorgliche Maßnahmen“, die nicht näher definiert werden.

Mit anderen Worten wird das Finanzministerium also ermächtigt, frei über Steuermittel in Höhe von 211 Milliarden Euro, zuzüglich nicht definierter Kosten und Zinsen, ohne sonderliche Genehmigung durch das Parlament und ohne eine klare Definition der zu unterstützenden Maßnahmen zu entscheiden.

Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“

Sie verpulvern das Steuergeld von Millionen Menschen!

In einer Erklärung begründet Sahra Wagenknecht, warum sie gegen die Erweiterung des ESFS gestimmt hat.

Hierzu bewertet sie zunächst den sogenannten Euro-Rettungsschirm und legt dar, dass dieser weder der Rettung der europäischen Währung dient, noch der Absicherung der Lebensverhältnisse der Menschen in Europa:

Das Einzige, was durch diesen Rettungsschirm wirklich gerettet wird, sind die Gewinne der Banken, der Hedgefonds und der Spekulanten.

Wagenknecht kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Regierung die Bürger im Unklaren darüber lässt, wie hoch die Haftung tatsächlich ist und macht darauf aufmerksam, dass der ESFS kein Programm für weniger sondern für mehr Schulden ist. Dies gilt sowohl für die Bundesrepublik – im Fall, dass die Bürgschaften tatsächlich bedient werden müssen – als auch für die betroffenen Staaten, die sich durch die Inanspruchnahme von Notmaßnahmen weiter verschulden:

Es sollte Ihnen schon irgendwie zu denken geben, dass Griechenland eineinhalb Jahre nach Beginn der angeblichen Rettung 20 Milliarden Euro mehr Schulden als vorher hat.

Stattdessen sind zur Reduzierung von Schulden zwei Maßnahmen erforderlich: Erstens müssen die Vermögen derjenigen in Anspruch genommen werden, die im Rahmen von steigender Staatsverschuldung, Steuerdumping und Programmen zur Bankenrettung von der Krise profitieren. Zweitens müssen sich die Länder aus der Abhängigkeit von der privaten Finanzwirtschaft befreien und dafür sorgen, dass der Finanzierungsspielraum von Staaten nicht länger von den Entscheidungen von Bankern und Ratingagenturen abhängt:

Wer nichts dafür tut, die Staaten aus der Geiselhaft dieser Finanzhaie zu befreien, der hat die Demokratie abgeschrieben.

Sahra Wagenknecht kritisiert die einhellige Zustimmung zur Erweiterung des ESFS durch die Regierungsparteien, die SPD und die Grünen und sieht hierin ein Zeichen für eine Politik, die zu feige und zu devot ist, um sich mit Bankern anzulegen und sich gegen Banker zu richten.

Sie bezeichnet es als unverantwortlich, das Steuergeld von Millionen von Menschen zu verschwenden, um damit die Forderungen privater Banken zu befriedigen und warnt vor den ökonomischen Folgen eines solchen Vorgehens, das die Währungsunion mit hoher Wahrscheinlichkeit sprengen wird. Gleichzeitig macht Wagenknecht darauf aufmerksam, dass der eingeschlagene Weg das Vertrauen der Menschen in das europäische Projekt untergräbt und daher als antieuropäisch bezeichnet werden muss:

Jeder, dem die europäische Idee oder die ökonomische Vernunft irgendwie am Herzen liegt, musste bei dieser Abstimmung gegen die Erweiterung des sogenannten Rettungsschirms stimmen.

Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“

Merkel bei Jauch: Der Trick mit der Kanzlermehrheit

Angela Merkel hat die vielbesprochene Entscheidung im Bundestag dazu genutzt, um das desaströse Image der schwarz-gelben Koalition aufzuwerten. Hierzu greift die Kanzlerin zu einem bewährten Trick, den jeder aus seiner eigenen Schulzeit kennt:

Wer den Eltern nach einer kritischen Klassenarbeit unter Krokodilstränen gesteht: „Ich habe bestimmt nur eine Vier“, der stellt die Voraussetzungen dafür her, am Ende für eine Drei überschwänglich gefeiert zu werden, die bei einer besseren Selbstprognose keiner Erwähnung wert gewesen wäre.

Sahra Wagenknecht zum EFSF: „Ökonomischer Aberwitz“Merkel zeigte sich im Vorfeld bewusst verunsichert über den möglichen Ausgang der Abstimmung und nutzte einen Exklusivauftritt bei Günther Jauch in der ARD, um die Ungewissheit in der Bevölkerung gezielt zu nähren. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Kanzlerin bereits umfassend über das Abstimmungsverhalten ihrer Polit-Darsteller informiert gewesen sein.

Die Verunsicherung war gespielt und erlaubt es Merkel jetzt, einen scheinbaren Triumpf auszukosten. Zur Eröffnung der Sitzung kam Merkel zu spät. Während der Debatte lief sie herum oder scherzte mit ihrem Vize. Unmittelbar nach der Abstimmung ist die Kanzlerin verschwunden und steht für Erklärungen nicht zur Verfügung. Stattdessen darf der angeschlagene Philipp Rösler gegenüber den versammelten Journalisten die Parole des Tages ausrufen:

Wir starten mit einem klaren Sieg in die zweite Halbzeit!

Trotz enthusiastischem Eigenlob im unvermeidlichen Fußball-Jargon: Der ESFS hilft Banken statt Menschen und wird selbst hierfür nicht ausreichen. Die Regierungskoalition erreicht zwar die „zweite Halbzeit“ ist aber zerstrittener und schwächer als jemals zuvor.

58 Prozent der Bevölkerung halten die Aufstockung des ESFS nach einer aktuellen Emnid-Umfrage für falsch, 78 Prozent der Deutschen rechnen damit, dass künftig noch mehr Mittel für den erweiterten Euro-Rettungsschirm bereitgestellt werden müssen. Währenddessen verfügt die Bundesregierung in der Bevölkerung nur noch über einen Rückhalt von insgesamt 33 Prozent, wovon 2 Prozent auf die Liberalen und 31 Prozent auf die Union entfallen.


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