Roses Revolution Day 2018

Heute ist Roses Revolution Day, der globale Tag gegen Gewalt in der Geburtshilfe.
Meine Freundin Larissa war so lieb, für mich am Albertinenkrankenhaus in Hamburg eine Rose für mich abzulegen, zusammen mit ein paar Worten. Ich kann da selber nicht hinfahren, und ich weiß nicht, ob ich es jemals können werde.

Roses Revolution Day 2018

“Das System ist das Problem, aber Sie sind Teil des Systems, und damit Teil des Problems. Die Tatsache, dass Sie die Rückmeldungen Ihrer Opfer nicht ernstnehmen, und sogar aktiv auf höchster Ebene Silencing betreiben, macht mich höchst betroffen und besorgt. Die Auswirkungen Ihrer Arbeit ziehen sich durch ganze Leben, es ist wichtig, dass Sie sich und ihre Arbeit hinterfragen. Ich werde nie vergessen, was hier passierte, und ich werde nie aufhören, anderen davon zu erzählen, ich werde nie aufhören, zu kämpfen, für eine gewaltfreie Geburtshilfe, die alle Gebärenden mit Respekt betreut, als Menschen, nicht als Nummern.Ursprünglich wollte ich immer eine große Familie, wenigstens 2 oder 3 Kinder. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich mir diese Be- und Misshandlungen während der Schwangerschaft und Geburt nochmal antun (lassen) kann, ohne meine psychische und körperliche Gesundheit noch mehr zu schädigen.”

Mir fehlen die Worte, und dann wieder nicht.

Eigentlich wollte ich nur auf Instagram dazu posten, vor allem als Dank an Larissa, aber dann wurde der Text doch wieder recht lang, und daher lasse ich ihn hier auf dem Blog.
Ich möchte Euch bitten, NICHT per Kommentar oder Nachricht Eure eigenen Erfahrungen mit mir zu teilen. Wenn es Euch ein Bedürfnis ist, schreibt der betreffenden Klinik, auf Eurem eigenen Account oder schickt Eure Berichte an Roses Revolution Deutschland!  Ich bin nicht in der Lage, all Eure Geschichten zu verarbeiten, meine eigene belastet mich dazu noch zu sehr.

Viele Gebärende sind sich nicht im Klaren darüber, dass Ihnen überhaupt Unrecht und Gewalt widerfahren sind, daher auch hier eine Content Note / Triggerwarnung. Wenn Ihr Euch beim Lesen schlecht fühlt, klickt weg, sprecht mit jemandem über Eure eigenen Erfahrungen. Nur, wie gesagt, bitte nicht mit mir!
Denn: bin bis heute nicht mal fähig, all das, was bei der Geburt schiefgelaufen ist, detailliert aufzuschreiben, aber ein paar Beispiele an dieser Stelle:

  • ich wurde so lange unter Druck gesetzt, bis ich einer Einleitung zustimmte
  • die Einleitung machte sämtliche vorher mit den Beleghebammen abgemachten Wünsche für die Geburt (kein Zugang etc.) zunichte, eine der Beleghebammen sagte mir sogar, dass sie mir das absichtlich verschwiegen habe.
  • Beim CTG musste ich praktisch die ganze Zeit liegen, weil das CTG nicht richtig messen konnte (ich habe eine Hautschürze von meiner Gewichtsabnahme), dafür konnte keine andere Lösung gefunden werden.
  • Ein Arzt sagte mir und Christoph, nachdem ich bereits eingeleitet war, dass die Geburt so wie wir uns das vorstellen würden bei ihnen nicht möglich sei und wir uns eine ANDERE Klinik suchen sollten.
  • Ich gab daraufhin auf und bat nach mehreren Wochen Nervenkrieg sowie Androhung weiterer Interventionen um einen Kaiserschnitt (Daher kommen die ganzen angeblichen „Wunschkaiserschnitte“, könnte ich mir vorstellen).
  • In meiner Krankenhausakte wurde vermerkt, ich hätte eine bipolare Störung, ohne dass diese jemals bei mir diagnostiziert wurde, noch ich mit einer Psychologin/Psychologen darüber gesprochen hätte.
  • Über die Gewalt, die mir auf der Wochenstation widerfahren ist, habe ich an anderer Stelle bereits berichtet (zum Thema Stillen z.b. ), aber unter anderem
  • wurde ich in den Stunden nach dem Kaiserschnitt ständig gestört und ohne Vorwarnung heftig auf meinem Bauch herumgedrückt
  • kam der Arzt mit einer Kollegin zur Visite, während ich noch nackt im Bett lag, niemand deckte mich wenigstens etwas zu, ich kam mir vor wie ein Stück Fleisch in der Theke
  • Wurde ich sehr spät mobilisiert, lang lange nackt herum und fühlte mich total ausgeliefert und hilflos, während die Stationshilfe die Tür aufließ während sie die Schränke auffüllte
  • Wurde mir mein Kind von einer Schwester einfach weggenommen und ins Bettchen gelegt, obwohl ich das nicht wollte, während Christoph kurz weg war
  • Ich musste vehement dagegen widersprechen, dass mein Kind von Fremden gewickelt wird, während Christoph kurz weg war
  • Mir wurde eine Vorlage so grob gewechselt, dass ich vor Schmerzen schrie
  • Die Stillberatung erfolgte nach dem Prinzip “Kind an meine Brust klatschen, sagen “geht doch” und rausgehen”
  • Bekam ich als Abendessen eine Packung Butter und eine Packung Margarine zugeteilt, da es aufgrund meiner Nahrungsmittelunverträglichkeiten offenbar nichts anderes gab, was man mir zuteilen konnte.
    Hinterfragt hat das niemand, und nur weil Christoph da war und sich kümmern konnte, und wegen einer Mitarbeiterin die nicht “aber die Regeln” motzte, bekam ich überhaupt etwas anderes.

Die Nachwirkungen des Ganzen:

  • Auf den Fotos im OP lache ich, das ganze Erlebnis völlig abgekapselt, von mir abgelöst, das war nicht ich, mir ist das nicht passiert, die Frau die auf den Fotos ist mit meinem Mann und meinem Kind, das bin ich nicht.
  • Ich hatte in den ersten Monaten viele Panikattacken, konnte mein Kind nicht an anderer Personen abgeben (also nicht mal auf Omas Arm o.ä.)
  • Christoph hatte ebenfalls lange Zeit Probleme, mich allein zu lassen oder gar mit jemand anderem allein zu lassen, weil in der kurzen Zeit in der er das Auto wegbrachte, auf der Wochenstation so viel passiert war
  • War nicht souverän beim Stillen, obwohl ich immer zuversichtlich gewesen war, dass das klappt.
  • Bin bis heute oft für mein Gefühl übermäßig gestresst, nervös und manchmal auch überfordert, und oft habe ich das Gefühl, das das nicht nötig wäre.
  • in den ersten 16 Lebensmonaten habe ich das Kind nicht länger als für einen Toilettengang bei anderen Personen als Christoph allein gelassen, und auch jetzt nur durch die Kita-Eingewöhnung, es fällt mir schwer, am ersten Morgen an dem ich ihn nur noch für 1,5 Stunden abgeben sollte, saß ich heulend auf der Couch.

Ich habe der Klinik bereits im letzten Jahr zum Roses Revolution Day geschrieben, über einen Vorfall, der sich im Vorfeld der Geburt ereignete. Meine Mail wurde vom Chefarzt mit einem Versuch, mich zu silencen beantwortet, denn seiner Meinung nach hat man mich und mein Kind gerettet, und seiner Meinung nach war nicht das System die Ursache für all die Komplikationen, sondern ich. Den Text findet Ihr hier.

Ich sehe das nach wie vor anders, und auch wenn ich ein ganzes Jahr gebraucht habe, um wieder Kraft zu sammeln: Sie können sich sicher sein, ich zieh mich nur zurück, um erneut Anlauf zu nehmen. Sie kriegen mich nicht klein, ich werde weiterkämpfen, für das Wohl aller zukünftigen Gebärenden, PartnerInnen von Gebärenden, und Kindern, denn auch diese leiden unter dem Trauma, das das System ihnen zufügt. Ich habe genug davon, dass alte weiße Männer meinen, sie hätten in irgendeiner Form ein Recht auf Mitbestimmung, wenn es um meinen Körper geht. Ich habe genug von alten weißen Männern, die unter dem Deckmantel von Fürsorge ihre Macht missbrauchen.

Bitte unterstützt auch Mother Hood e.v. – am besten durch eine Mitgliedschaft. Tell your friends.
Macht den Mund auf. Erzählt Eure Geschichten.


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