Rocko Schamoni

„Kolumnisten und Kritiker sind die armseligsten Buchstabenfolterknechte, die ich kenne. Sie belästigen die Menschen mit purer Meinung. Sie meinen, ihre Meinung wäre erheblich. Sie glauben, sie hätten Ahnung von Meinung.“

Solche Sätze stammen aus dem neuen Buch „Tag der geschlossenen Tür“ von Rocko Schamoni, dem deutschen Botschafter für die Humorisierung alltäglicher Absurditäten und Bedeutungslosigkeiten. Sie betteln geradezu darum, einer Kritik unterzogen zu werden. Allein drei mal das Wort Meinung zu verwenden, ist einer der größten Fauxpas, den ein Schriftsteller begehen kann. Wort-Redundanzen sind eine bodenlose Frechheit für Textästheten, oder nicht?

Rocko Schamoni – Botschafter des Absurden

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Ok, ich bin zwar nicht lustig, habe es aber wenigstens versucht, denn die von Schamoni als Anti-Nichtraucher-Lesung angekündigte Lesung im Frankfurter Mousonturm hat mal wieder gezeigt, wie sehr unsere Gesellschaft eigentlich Humoristen jenseits der Mario Barths dieser Welt benötigt. Personen, die einem den Spiegel der Sinnlosigkeit des Alltags vorhalten, ohne dabei den Zeigefinger zu strecken. Der Hamburger, der neben seiner Musiker- und Schauspielertätigkeit als Teil des Anarcho-Komiker-Trios Studio Braun bekannt wurde, zog die ca. 400 Besucher schnell in seine charmante Welt abwegiger Gedanken. Lustig sind vor allem immer wieder seine kurzen und treffenden Anwendungen nerviger Post-New-Economy-Sprechweisen wie etwa die Wendung „Why not“, das er immer wieder leitmotivisch einwirft und sich auch nach dem zwanzigsten Mal nicht abnutzt.

Rocko Schamoni – Botschafter des AbsurdenRocko in Interaktion mit dem Publikum im Mousonturm/Foto: Phire

Im Verlauf des Abends steigert sich der stets rauchende und biertrinkende Rocko zu Höchstleistungen: Er improvisiert, grinst schelmisch über seine eigenen Posereien schriftstellerischer Karikaturhaftigkeit und landet zwischenzeitlich an den vermeintlich besten Stellen seines Buches. Sie handeln davon, wie Michael Sonntag von seinen höchst einfallslos und schlecht geschriebenen Buchanfängen berichtet, die er dann an die bedeutendsten deutschen Literatur-Verlage versendet, nur um amüsante Antwortschreiben zu erhalten. Während der Lesung erzählt Schamoni, dass er das wirklich getan hat. Und so erweist sich die Mischung aus Realität und Fiktion als umso absurder, wenn man sich vorstellt, dass ein Mitarbeiter des Suhrkamp Verlags sich mit vollem Ernst dem Buchprojekt mit dem aussagekräftigen Titel „Email für Emil“, eines der vermeintlich schlechtesten Bücher, beschäftigt hat…

Das Publikum an diesem Montagabend jedenfalls ist jung, gut gekleidet, urban, und sich nicht zu fein, auch mal über die anarchistischeren Stellen zu lachen, in denen der Protagonist sich in einem Tagtraum aus Gewaltphantasien verliert. Das würden einige sonst nicht tun, kotzen sie mir doch schon vor der Veranstaltung ihre Konformität ins Gesicht, so wie der Typ, der mich mit seinem empört-bösen Blick zurechtweisen will, als ich meine Sitznachbarin frage, ob sie sich einen Stuhl weiter setzen könne. Danke Rocko, dass du die passenden Euphemismen für solche Menschen gefunden hast (Gedicht über die “Glatten und Graden”). Ich bleibe Dorfpunk im Herzen. Für immer.

Text: Phire


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