„Rien ne va plus“

„Rien ne va plus“ - Schlechte Zeiten für Bayerns Spielbanken
Jahrzehnte haben in Bayerns Spielbanken die Spieler verloren und der Staat hat viele 100 Millionen Euro verdient – jetzt verliert auch der Fiskus. Mit Steuergeldern soll erstmals 2011 das drohende Betriebsdefizit ausgeglichen werden. Schlusslicht in der bayerischen Casino-Landschaft: Bad Kötzting
Bad Kötzting/Bad Füssing (obx - internet-zeituung) – Einst waren sie wahre Gelddruckmaschinen für den bayerischen Finanzminister, mittlerweile entwickeln sie sich zu teuren Sorgenkindern: die neun bayerischen Spielbanken, die sich seit 1965 in Staatsbesitz befinden. Für die Staatliche Lotterieverwaltung, als Betreiberin der Kasinos wird 2011 voraussichtlich ein denkwürdiges Jahr: Weil sich die staatlichen Glückstempel nicht mehr selber tragen, wird der Staat heuer erstmals vermutlich den Betrieb der Kasinos mit Steuergeldern bezuschussen müssen. Das Sorgenkind der Kasino-Manager in München ist neben Bad Steben vor allem die Spielbank im ostbayerischen Bad Kötzting.
Ebenso wie die das Franken-Casino in Bad Steben hat die idyllisch am Rand des Bayerischen Waldes liegende Bad Kötztinger Spielbank seit ihrer Eröffnung im Jahr 2000 noch nie schwarze Zahlen geschrieben. So verloren beispielsweise 2009 an den Bad Kötztinger Roulette- und Pokertischen nicht nur Spieler Millionen. Auch die Betreiber verbuchten ein 3,6 Millionen Euro hohes Rekorddefizit.
Die Manager in der Staatlichen Lotterieverwaltung zogen die Notbremse, bauten personalaufwendige Roulette-Tische und gleich auch noch 12 Mitarbeiter ab und strukturierten um. Ergebnis: Das Defizit sank 2010 auf 2,8 Millionen Euro. Die Lage insgesamt aber wurde nicht besser. Der Bruttospielertrag aller neun staatlichen Spielbanken in Bayern hat sich seit 2006 auf 2010 nahezu halbiert. Tendenz: anhaltend negativ, bei relativ gleichbleibend hohen Betriebskosten.
Vor allem die Mietkosten und die Zinsen für die von den Standortgemeinden aufwendig gebauten Spielbanken erweisen sich für die Lotterieverwaltung als unkündbare teure Hypothek. Dies gilt für Bad Kötzting ebenso wie für das zweite ostbayerische Spielkasino im niederbayerischen Bad Füssing.
Die Spielbank Bad Füssing hat der Spielbanken-Verwaltung seit Ihrer Eröffnung 1999 an sich viel Freude bereitet. Jährlich 100.000 Besucher spielten dem Freistaat in den letzten zehn Jahren rund 65 Millionen an Spielerlösen in die Kasse. Die Kommune und der Landkreis konnten ihre Haushalte insgesamt ebenfalls mit rund 11,5 Millionen Euro aufbessern. So manche Straßenlaterne oder Straßensanierung in Europas beliebtestem Kurort wurde mit Hilfe verzockter Spieleinsätze finanziert.
Auch derzeit fließen die Überschüsse noch. Bad Füssing hat die Spielbank-Krise bisher relativ gut überstanden. Das Minus bei den Erträgen liegt bei „nur“ acht Prozent und mit 94.000 Besuchern ist das Spielerzentrum in Europas übernachtungsstärkstem Heilbad weiterhin eines der beliebtesten im Freistaat. Die Überweisungen der Lotterieverwaltung an die Gemeinde aber haben sich im letzten Jahr von durchschnittlich rund 1,2 Millionen Euro früher um ein Drittel auf 827.000 Euro reduziert. Erfolgsunabhängig erhält die Gemeinde aber auch weiterhin jährlich eine halbe Million Euro Leasingzahlungen für das Gebäude. Das hatte die Gemeinde einst gebaut und muss die Baukosten in Höhe von einst 15,35 Millionen Euro noch bis 2019 aus den Leasingeinnahmen abfinanzieren.
Deshalb bleiben auch die politisch Verantwortlichen in Bad Kötzting gelassen, angesichts zunehmender Gerüchte über eine angeblich geplante Schließung der einzigen Oberpfälzer Spielbank. Bad Kötzting als Bauherr des 14 Millionen Euro teuren Bayerwald-Casinos, sitzt zwar auf 10 Millionen Euro Bauschulden, ist aber noch bis zum Jahr 2025 durch einen laufenden Mietvertrag mit der Lotterieverwaltung finanziell abgesichert.
Die Zukunft der bayerischen Spielbanken aber ist ungewiss. Im Wettbewerb haben die staatlichen Kasinos schlechte Karten: Die Spieler schätzen das Rauchen beim Spielen. In Bayern ist das aber seit letztem Jahr strikt verboten, was drastische Einbrüche bescherte. Profitiert haben davon unter anderem die tschechischen Kasinos.
Schlimme Konkurrenz ist auch die ausufernde Zahl der Spielhallen mit ihrem Spielbank ähnlichen Automatenspielen und oft 23-Stunden-Betrieb. Ihre Zahl ist in den letzten fünf Jahren um 62 Prozent auf mittlerweile weit über 15.000 Hallen angestiegen. In Spielhallen darf bereits ab 18 gespielt werden, in den Spielbanken ab 21 Jahren, bei weiterhin obligatorischer Ausweiskontrolle. Hinzu kommt die wachsende Flut von Internet-Kasinos, die am Fiskus vorbei meist von exotischen Steuerparadiesen aus Millionen scheffeln.
Politische Rezepte aus dem Maximilianeum zur Lösung der Spielbank-Krise sind nicht in Sicht, weder seitens der SPD, die 1955 in Bayern gegen die Stimmen der CSU die ersten Spielbanken im Freistaat genehmigte noch seitens der CSU, die 1961, also vor genau 50 Jahren, die Schließung aller Spielbanken beschloss, dies bis heute nicht durchgesetzt hat. Dies könnte jetzt der freie Markt erledigen. Hoffnung setzen Bayerns Spielbankdirektoren allerdings noch auf die Europäische Union. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs haben die Zustände beim Automatenspiel in Deutschland in einem Beschluss bereits vor längerer Zeit als „nicht hinnehmbar“ bezeichnet. Wie die politisch Verantwortlichen darauf reagieren steht bisher in den Sternen.


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