AutorIn: Samuel Benchetrit
Titel: Rimbaud und die Dinge des Herzens
Band: Einzelband
Verlag: Aufbau
Genre: Realitätsroman, Erzählung
ISBN: 978-3-7466-2828-8
Erscheinungsjahr: Juni 2012
Seitenanzahl: 254Altersempehlung: ab 14
Kaufpreis: 8,90€
Krümelanzahl: 5
Erster Satz:
Anfangs dachte ich,
Rimbaud wäre ein Wohnturm.
Inhalt:
Normalerweise begegnet Charly den Polizisten in seinem Wohnblock nur, wenn es um seinen großen Bruder Henry geht. Aber heute nehmen sie seine Mutter mit. Gerade noch beobachtet er die Gestalten aus dem Fenster, schon sind sie verschwunden. So begibt sich Charly mit klopfendem Herzen auf die Suche nach seiner Mutter. Dabei erzählt er von seinen Ängsten und Ideen, von Freundschaft und Mut, von Fragen und von den Antworten des Lebens.
Meine Meinung:
Als unscheinbares Taschenbuch kommt Charlys Geschichte daher. Er möchte uns erzählen, was so aufregendes am heutigen Morgen geschehen ist. Dabei driftet er in seine Gedankenwelt ab. Er erzählt uns von einem Mädchen, das so süß wie Marmelade ist.. von seinen Freunden, die immer zusammenhalten.. von den Nachbarn, die sich an Karneval immer als Strandgäste verkleiden.. von seiner Lehrerin, die ihm sicher kein Blumen-Buch schenkte.. und von Rimbaud, der schöne Gedichte schrieb. Sie alle haben etwas gemeinsam, und das ist Charly. Er hält die ganzen einzelnen Geschichten zusammen, vereint sie und zaubert daraus ein großes Bild, das es wert ist, betrachtet zu werden.Seite 115
>> Es wird mucksmäuschenstill sein, bis auf das Geräusch des Windes - der Wind ist immer der letzte Bewohner. <<
Charly ist ein toller Junge. Er heißt in Wirklichkeit Charles, ist zehn Jahre alt und hat schwarze Haut. Doch das ist alles nur nebensächlich. Viel wichtiger ist, dass er den Kopf voll mit Phantasie hat. Er ist ein gewitzter und schlauer Junge, der sich ständig über alles Mögliche sowie Unmögliche Gedanken macht. Für jedes Problem gibt es eine Lösung, das hat er schon früh gelernt, man muss sie nur finden.
Aber als plötzlich seine Mutter ohne ersichtlichen Grund von der Polizei abgeführt wird, schlägt ihm das Herz bis zum Halse. Da geht irgendetwas nicht mit rechten Dingen zu und dafür scheint es nicht die geringste Lösung zu geben. Auf der Suche nach seinem großen Bruder, der ihm eine unschöne Erklärung liefern kann, begegnet Charly einer Reihe kurioser Figuren. Jede Person, die von Benchetrit in den Hanldungsstrang mit eingeflochten wurde, ersetzt einen wichtigen Baustein im großen Gefüge der Geschichte. Der kleine, schwarze Junge kann sich anscheinend an jedes Ereignis seines kurzen Lebens erinnern. So kommt es einem vor, wenn man von den skurillen Momenten liest, die Charly bereits erlebt hat. Viele davon sind zum Schreien komisch, aber es gibt auch sinnliche und herzergreifende Szenerien, genauso wie traurige und hilflose Augenblicke. Es sind die Kleinigkeiten, die das Schöne ausmachen - und das ist auch hier der Fall. Durch die herrliche Detailverliebtheit bei den perfekt ausgearbeiteten Nebencharakteren und den prächtig anschaulichen Handlungsorten bekommt man das Gefühl, als säße man mitten drin .. mitten drin in einem der schmutzigen Viertel von Frankreich nahe von Paris. Menschen mit bunt schillernden Persönlichkeiten an Straßenecken mit witzigen Namen. Irgendwo da drin sehen wir Charly. Er kommt gut zurecht, fragt sich einfach durch die Welt. Denn Trauer macht mutig .. und Glück macht stark. Bei ihm trifft beides zu.Hach, die Franzosen haben so eine Art zu schreiben. Leicht und unbeschwert werden die größten Schicksalsschläge zu Papier gebracht. Die Protagonisten schweben schlau und bedacht einen Meter über dem Boden und betrachten das Spektakel von weiter oben. Sie sehen alles mit Abstand, haben die nötige Distanz, um das Leben objektiv zu beurteilen. Dabei wird auch die persönliche Meinung über Gut und Böse nicht zurück gehalten. Bei den Franzosen ist einfach etwas von allem dabei.. und sie sind so unheimlich verschroben auf ihre Weise. Das alles kann man auch durch die Arbeit der Übersetzer hindurchspüren.
Mit poetischen Worten und klugen Gedanken entführt der mutige Charly uns in seine Welt.
Viele Sätze und Passagen hätte ich anstreichen können, weil sie mir so gut gefielen. Und auch weil sie mir aus der Seele sprachen. Ich fühlte mich manches Mal ertappt, bei einer der zahlreichen lakonischen Bemerkungen. Zeitgleich fühlte ich mich aber auch einfach nur verstanden. Es ging nicht nur einem Buben aus einer fiktiven Geschichte so wie mir. Sondern auch dem Autor, der seine Ideen an den kleinen Helden weitergegeben hatte. Vom Schriftsteller stammten die Einfälle, die mir den lieben Charly so sympathisch machen und somit das gesamte Buch.
Gut gefallen haben mir auch die Anspielungen auf bekannte Philosophen, Dichter und Politiker. Mag sein, dass ein zehnjähriger Junge das alles noch nicht so recht verstehen kann. Aber das Interesse darf da sein und dadurch haben wir die Möglichkeit, die Zeit zurückzudrehen und die Lächerlichkiet, die wir Zivilisation nennen, noch einmal aus Kinderaugen zu betrachten. Mein großer Dank gilt an dieser Stelle dem Autor!
Seite 35
Mein späteres Leben stelle ich mir so vor ...
Es ist in eine Spritze eingeschlossen, innen drin bin ich und möchte heraus, ich klopfe gegen das Glas, ich schreie, aber niemand hört mich. Ein Mann hält die Spritze. Manchmal spritzt er ein bisschen was von mir in seine Venen, und da löse ich mich sanft auf. Im Innern der Spritze ist immer weniger Platz. und ich weiß, dass das wenige, was noch übrig ist, bald aufgebraucht sein wird ...
Es ist eine Geschichte über Sorgen, Scham und Unrecht, genauso über Mut, Freundschaft und Lösungen für arge Probleme.
Mein Fazit:Ein Buch voller Wärme aus unschuldigen Kinderaugen erzählt, die schon viel mit ansehen mussten .. dafür vergebe ich herzlich gerne ~ 5 Krümel ~
Vielen Dank an den Aufbau Verlagfür die freundliche Bereitstellungdieses herzlichen Rezensionsexemplars!
Jimmy