
MeinungKennt ihr Bücher über Superhelden? Bücher, keine Comics. Ich nicht. Umso erstaunter war ich, als ich durch Vicious herausgefunden habe, dass so etwas tatsächlich funktioniert. Mit einer intelligenten Perspektive nimmt sich Schwab der Superhelden-Thematik an. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Superhelden wie bei Marvel, und Vicious wird noch ein Stückchen düsterer als Detective Comics. Victoria Schwab entführt uns dieses Mal in eine Neo-Noir Welt in der es kein Gut oder Böse, kein Schwarz oder Weiß gibt.
Ich habe eine Schwäche für Bücher, in denen keiner der Charaktere eine durch und durch gute Persönlichkeit ist. Genau das hat mir Vicious gegeben: Victor ist der Held seiner Geschichte und Eli ist der Schurke. In Elis Geschichte ist er der Held, und Victor der Schurke. Ich finde es erstaunlich beide Perspektiven zu sehen und jede Seite der Geschichte kennenzulernen. Wenn man sowohl den Helden als auch den Bösewicht versteht und mit ihm sympathisiert, hat meiner Meinung nach der Autor etwas richtig gemacht. Auch wenn ich erwähnen muss, dass der Schwerpunkt ein wenig mehr auf Victor gelegt ist, was vor allem an den zwischenmenschlichen Beziehungen liegt: Mitch (der nur gute Absichten hat, die er nur nicht so stark verfolgt) und Sydney (die gerade noch sehr jung, unschuldig und behütet ist) sind seine Sidekicks und sind vermutlich die Charaktere, die am stärksten als "gute Persönlichkeiten" zählen würden. Eli hingegen hin hat Serena und die ist definitiv nicht die Unschuld vom Lande, in vielerlei Hinsicht.
Weder Elis noch Victors Ziele sind moralisch positiv. Victor möchte Rache an seinem alten Freund nehmen - Eli bringt Leute um, nur weil er denkt, es sei seine gottgegebene Mission. Ich muss in diesem Fall sagen, dass ich mehr mit Victor sympathisiert habe, denn auch seine schlechten Eigenschaften sind nachvollziehbar, wie z.B. die Eifersucht, die er Eli gegenüber empfindet (auch wenn man anders mit ihr umgehen könnte). Zudem ist er nicht "evil by nature", wie man z.B. an der Szene mit ihm, Sydney und den Hund erkennen wird. Vor allem im Umgang mit Sydney wird klar, was er eigentlich für ein Mensch ist, denn ihr Wohlergehen liegt ihm sehr am Herzen. Eli hingegen ist ein Narzisst mit einem Gottkomplex, der sich Rechte herausnimmt und sein Leben über andere stellt. Was nicht heißt, dass ich sein Motiv und seine Begründung für seine Taten als Charakter/(Anti-)Held/Bösewicht nicht brillant finde. Ihm fehlt es lediglich an Empathie, die Victor jedoch oft zeigt.
Die Geschichte wird mit Zeitsprüngen und Perspektive-Wechsel erzählt, was für eine runde, umfangreiche und spannende Erzählung sorgt. Schwabs Schreibstil baut eine ganz neue Ebene auf, sodass man wirklich das Gefühl hat sich in einer Neo-Noir Superhelden Geschichte zu befinden. Zudem sind ihre Beschreibungen stets präzise, aber nie langweilig, denn sie fördern die Szene anstelle sie zu verlangsamen. Hierbei handelt es sich um eine Charakter-orientierte Erzählung - es wird viel Fokus auf die Gefühle, Gedanken und Motive der Figuren gelegt, sie entführen in eine düstere, faszinierende Denkweise, von der man sich nicht so leicht losreißen kann. Obwohl Action an sich nicht der Fokus ist, hat man keine Zeit jemals Langeweile zu verspüren, was vor allem einem Countdown ab Mitte des Buches zu verdanken ist.
Fazit
Worauf du dich einstellen kannst: Superhelden, Neo-Noir, fesselnde Held/Schurken-Dynamik
- Titel: Vicious
- Autor: Victoria "V.E." Schwab
- Verlag: Tor (USA), Titan Books (UK)
- Seiten: 508
- Auch erhältlich als eBook
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