Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass ein alleinstehender Mann im Besitz eines hübschen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau.
Im England des, sich zu Ende neigenden, 18. Jahrhunderts lebt die junge Elizabeth Bennet mit ihrer Familie auf Longbourn. Elizabeth ist die zweitälteste von fünf Schwestern, die auf den sehnsüchtigen Wunsch ihrer Mutter so schnell wie möglich alle unter die Haube gebracht werden sollen, um eine gute Partie zu machen. Als schließlich das benachbarte Netherfield Park an den wohlhabenden und gutaussehenden Mr. Bingley vermietet wird, der schon bald die älteste Tochter Jane umgarnt, scheinen Mrs. Bennets Wünsche erhört zu werden - wäre da nicht der stolze und arrogante Mr. Darcy, den sogleich niemand leiden kann und mit dem gerade Elizabeth immer wieder aneckt. Schon bald entwickelt sich ein Netz aus Intrigen und Unwahrheiten um seine Person und seine Beziehung zu Lizzy ist bestimmt von Stolz und Vorurteil.
Man kann Klassikern vieles vorwerfen: dass sie langatmig und langsätzig geschrieben, dass sie ausschweifend und langweilig sind. Selbiges gilt jedoch nicht für Jane Austens Schreibstil, der nicht nur viel Esprit und Charme, sondern auch eine Menge Wortwitz und Humor mit sich bringt. Austen erschafft eine lockere Atmosphäre, wenn sie gebraucht wird, schafft es aber auch das Szenario stimmungstechnisch zu ändern, wenn es passend ist. Hinzu kommen spritzige Dialoge, die einen sofort für die Figuren begeistern können und ein angenehmer Lesefluss, der das Buch einfach wunderbar lesbar und absolut unterhaltsam macht.
Wer auch immer davon ausgeht, die allseitsbekannte Hassliebe gäbe es erst seit dem 21. Jahrhundert in der Literatur, ist weit fehlgeleitet. Es muss keine Young Adult sein, um Spannung und Chemie zwischen Figuren zu erzeugen, denn wenn es jemanden gibt, der ebendiese Hassliebe in einem Roman vorgemacht hat, dann ist es wohl Jane Austen. Mit ihrem weltbekannten Roman "Stolz und Vorurteil" hat sie nicht nur ein schriftliches Meisterwerk erschaffen, sondern auch das Vorbild vieler darauf folgender Bücher und Filme geliefert. Denn ganz ehrlich - ist Mr. Darcy tatsächlich so anders, als die oft so vergötterten männlichen Protagonisten der Gegenwart? Wohl eher nicht. Vielmehr scheint er als Grundlage all dieser den ersten Schritt gemacht zu haben und so ist "Stolz und Vorurteil" ein Buch, das man gelesen haben muss, wenn man Geschichten über Hassliebe liebt und ein geistvolles Werk lesen möchte, dass trotz eher ruhiger Atmosphäre, eine faszinierende Spannung aufzubauen weiß.
Denn genau das schafft "Stolz und Vorurteil" binnen weniger Seiten - es passiert nicht unbedingt die Welt in diesem Buch, dennoch kann man es schwerlich zur Seite legen. Ständig muss man wissen, wie es weitergeht - selbst wenn man es schon lange weiß (so wie ich auf Grund der Verfilmungen, außerdem war es ein Reread) oder es sich denken kann. Das liegt wohl vor allen Dingen an der tollen Spannung, die zwischen den Figuren herrscht - und zwar zwischen so ziemlich allen Charakteren, nicht nur zwischen Mr. Darcy und Elizabeth. Jeder hat seinen eigenen Kopf und so kommt es immer wieder zu witzige, verzwickten oder peinlichen Situationen, die man immer gespannt verfolgt und durch die man immer mehr über die Figuren erfährt. Im Zentrum der Geschichte steht auch gar nicht mal so sehr, die romantische Beziehung zwischen Mr. Darcy und Elizabeth, obwohl diese ganz eindeutig ein relevanter Handlungsstrang der Geschichte ist. Vielmehr geht es um die sozialen Stellungen und die satirische Darstellung der Gesellschaft, dessen Bild bei einigen Figuren öfters mal dafür sorgt, dass man wahlweise den Kopf schüttelt oder sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann.
Es ist einfach wahnsinnig unterhaltsam, wie Austen viele Menschentypen karikierend darstellt und diese überspitzten Bilder in die Handlung einfädelt, sodass tatsächlich immer etwas passiert, das den Leser am Ball hält. Auch die Tatsache, wie viele unterschiedliche Handlungsstränge sich im Laufe des Buches klären oder eskalieren, zeigt, wieviel in dieser Geschichte wirklich steckt. Hinzu kommt dann natürlich noch die Liebesgeschichte, die alles abrundet und in diesem Fall kann ich wirklich verstehen, warum dieses Buch ein absoluter Klassiker ist, der auch gerne mal jüngere Leser anzieht - und wenn es nur wegen den Filmen und Mr. Darcy ist! "Stolz und Vorurteil" ist zu einem meiner Lieblingsbücher geworden, weil es mit seinem Wortwitz und den vielen bunten Figuren einfach Spaß macht, es noch dazu schafft, dass man sich in der Geschichte verlieren kann und man jede Figur (außer vielleicht Lydia und Lady de Bourgh) lieb gewinnt.
Legt Vorurteile und Stolz ab und lasst euch von dieser geistreichen und immer wieder schönen Geschichte verzaubern! "Stolz und Vorurteil" macht selbst dann noch Spaß, wenn man bereits jeden Winkel der Handlung kennt - allein wegen der wunderbaren Sprache und den vielschichtigen Figuren. Austen gewährt uns nicht nur einen Einblick in die (überspitzt dargestellten) gesellschaftlichen Begebenheiten, sondern erschafft Figuren, deren Namen sicherlich überall bekannt sind und die man wohl auch nicht mehr vergessen wird. Unterhaltung, Vielschichtigkeit und viel Charme sorgen dafür, dass ich dieses Buch sicherlich nicht zum Letzten mal gelesen habe und ich es unbedingt allen empfehlen möchte, die die literarischen Anfänge der "Hassliebe" verschlingen und noch dazu anspruchsvoll unterhalten werden wollen.
Jane Austen wurde am 16. Dezember 1775 in Steventon, Hampshire, als Tochter des Pfarrers George Austen geboren. Dank der umfangreichen Bibliothek ihres Vaters fand sie früh Zugang zur Literatur und begann bereits im Alter von zwölf Jahren mit dem Schreiben. 1801 zog die Familie in den Kurort Bath, den Austen später häufig zum Schauplatz ihrer Romane machte. Der Tod des Vaters zwang die Familie 1805 zum erneuten Ortswechsel. Zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern zog die junge Jane Austen zunächst nach Southhampton, vier Jahre später dann in das Landhaus eines wohlhabenden Onkels. [...] Sie widmete sich fortan dem Schreiben und veröffentlicht 1811 den Roman Sense and Sensibility (Verstand und Gefühl), gefolgt von Pride and Prejudice (Stolz und Vorurteil, 1813), Mansfield Park (1814) und Emma (1816). Die Werke erschienen anonym und auf ihr eigenes finanzielles Risiko. Als Autorenangabe fand sich darin nur der Hinweis: »By a Lady«. Den bis heute währenden großen Erfolg ihrer Werke erlebte Jane Austen nicht lange. Am 18. Juli 1817 verstarb sie nach kurzer, schwerer Krankheit in Winchester. [via Suhrkamp]