|Rezension| "Soul Beach 01 - Frostiges Paradies" von Kate Harrison


Das Mädchen ist tot, definitiv.
Als Meggie Forster ermordet aufgefunden wird, ist nicht nur ihre sechzehnjährige Schwester Alice völlig aus dem Leben gerissen. Auch Millionen von Fans können nicht fassen, dass die ruhmreiche Siegerin Meggie, die mit ihrem Spitznamen "die Nachtigall", jeden Zuschauer des Gesangswettbewerbes "Sing for your supper" verzaubert hat, einfach so nicht mehr da sein soll. Vor allen Dingen Alice weiß sich kaum zu helfen, bis sie am Tag von Meggies Beerdigung eine Mail ihrer Schwester im Postfach vorfindet. Einige Zeit später erhält sie eine weitere Mail von Meggie mit einer Einladung zu der Seite "Soul Beach" - glaubt Alice zunächst noch an einen schlechten Scherz, kann sie sich schon bald nicht mehr losreißen von der mysteriösen Webseite, auf der Meggie seit ihrem Tod feststeckt. Doch das ist nicht alles, was "Soul Beach" zu verbergen hat und es dauert nicht lange, da ist Alice auch schon in die Auflösung einiger verworrener und unheimlicher Rätsel und Geheimnisse verstrickt...
Es gibt wenige Bücher, in denen man einen Schreibstil tatsächlich als emotional mitreißend bezeichnen kann, aber in diesem war dies definitiv der Fall. Von Trauer, über Skepsis bis hin zu Wut und Angst empfindet man die ganze Palette an Gefühlen, die durch den Schreibstil transportiert werden. Harrison hat eine besondere Gabe dafür bildreich und dennoch nicht abgehoben zu schreiben. Allein durch ihre Worte schafft sie eine düstere Atmosphäre, die sich von Anfang an durch das Buch zieht und eine unterschwellige, aber permanent anwesende Anspannung. Sie beschreibt detailreich, aber nicht übertrieben langatmig und findet immer das richtige Maß. Durch die Ich-Perspektive der Protagonistin erhält man außerdem einen guten Blick in ihr Innenleben.
Alljene, die sich schon immer gefragt haben, was eigentlich nach dem Tod geschieht, können jetzt aufatmen: Solltet ihr ungeklärterweise sterben, könnte es sein, dass ihr in eine Zwischenstation gelangt und in dieser könnte es alles geben, was ihr euch je gewünscht habt: Palmen, klares Meerwasser, perfekte Körper und weißen Sandstrand. Jeden Tag Sonne und rund um die Uhr "Happy Hour"! Ob die paradiesisch anmutende Ewigkeit aber ein Fluch oder ein Segen ist - das bleibt wohl jedem selbst überlassen. "Soul Beach 01 - Frostiges Paradies" jedenfalls beschäftigt sich mit dem Tod, dem Verlust und einem Leben, wie es nach dem Tod sein könnte, was eine rasante und spannende Geschichte ergibt, die einen so schnell nicht wieder loslassen wird.
Zugegeben: Ich war sehr (!) skeptisch, was "Soul Beach" betrifft, bevor ich es in die Hände bekam. Eine Internetseite, die Tote wieder zum Leben erweckt? Klingt durchaus skurril und womöglich sogar ein kleines bisschen lächerlich - wenn man den Inhalt der Geschichte wiedergibt jedenfalls. Befindet man sich jedoch erst einmal zwischen den Seiten und Zeilen, ist jegliche Skepsis über Bord geworfen, so zumindest erging es mir nachdem ich "Soul Beach" zum ersten Mal einen Besuch abgestattet habe, denn was ich letztendlich von der Geschichte bekommen habe, war etwas komplett anderes, als das, was ich mir vorgestellt hatte. "Soul Beach" ist ein interessanter Genre-Mix, der überraschenderweise einen ganzen Tornado voll frischen Wind mit sich schleudert und dem Leser ins Gesicht pustet und ebenso überraschenderweise so einige tiefgründige Problematiken bereithält, die man dem Buch auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte.
Zunächst einmal wären da die Charaktere, von denen sicherlich keiner wirklich umgänglich ist - ganz im Gegenteil: Eine berühmte (und tote) Meggie, die immer im Mittelpunkt stehen will/wollte, eine trauernde (und bald schon etwas besessene) Alice, die niemanden an sich heran lässt und eine ganze Armee toter Seelen, denen ein ungeklärtes Schicksal voraneilt. Alice als Protagonistin war allerdings eine sehr sympathische, wenn auch nicht immer ganz verständnisvoll handelnde Persönlichkeit, die im Laufe der Geschichte sich selbst und ihre Denkweise verändert. Immer tiefer verhäddert sie sich im Netz (und ja, hier ist durchaus auch das Internet gemeint) der Ereignisse. Zu den anderen Charakteren kann man nicht allzu viel sagen, ohne etwas zu spoilern, insgesamt waren aber alle durchweg glaubwürdig und detailliert gezeichnet, sodass sie einem stellenweise beinahe real anmuten.

Die vielen Themen, die haupt- aber auch nebensächlich angesprochen werden, sind fast schon zu viel für ein einziges Buch. Schließlich geht es nicht nur um Verlust und Trauerbewältigung, sondern auch um den Umgang mit dem Leben, der Sucht und Besessenheit, Mord und die Aufklärung von diesem, sowie weitere "Kleinigkeiten" (Magersucht, Neid, Vertrauen), die die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Buches aber einmal mehr verstärken. Das ist ganz schön harter Tobak, doch überraschenderweise weiß das Buch mit all diesen Problematiken umzugehen und bringt sie glaubwürdig unter, sodass man nie das Gefühl hat von Informationen überfüttert zu sein. Ein weiterer Handlungsstrang der Geschichte beschäftigt sich mit der Liebe (darf natürlich auch hier nicht fehlen) und das ist wohl auch mein einziger Kritikpunkt, denn die war für mich nicht wirklich nachvollziehbar, da ich das Gefühl hatte, da kommt noch etwas unerfreuliches. Die Gefühle, die entwickelt werden, wirken unglaubwürdig und konstruiert, so als würde in den folgenden Bänden noch etwas verändert - was ich sehr hoffe, denn mein Favorit für Alice ist definitiv ein anderer *SPOILER* - nämlich Lewis und nicht Danny! *SPOILER*.
Was in der Geschichte permanent auffällt, ist die hintergründige, unterschwellige Spannung, die ununterbrochen in der Luft hängt, wie die schwüle Luft am "Soul Beach". Durch die vielen verworrenen Stränge und die dazugehörige Ungewissheit, beginnt man irgendwann (ebenso wie Alice) keinem mehr zu trauen und leichte paranoide Züge anzunehmen. Ständig überlegt man, wer den Mord an Meggie denn nun begangen haben könnte und schaut sich jede Person dreimal an, bevor man ihr vertraut. Das liegt unter anderem auch daran, dass man zwischendurch mit kleinen Kapiteln gefüttert wird, die anscheinend die Sicht des Mörders darstellen, jedoch so, dass man nicht erraten kann, wer es ist. Die Spannung jedenfalls hält sich bis zum Ende und auch der Rätselspaß ist lange nicht vorbei, endet die Geschichte doch sehr offen und unbefriedigend - und vor allen Dingen mit dem einen Gedanken: Mehr!
Ob Paradies oder Vorstufe zur Hölle, ob Segen oder Fluch, eines ist "Soul Beach 01: Frostiges Paradies" in jedem Fall: Eine spannende, rasante und mitreißende Geschichte, die tiefgründiger und emotionaler ist, als ich angenommen hatte und mich derart überrascht und gefesselt hat, dass ich schon jetzt hibbelig auf den zweiten Teil der Trilogie hinfiebere. Mit einer Stimmung, die so dicht und schwül ist, wie die sonnenheiße Luft am "Soul Beach" selbst und einer düsteren und unterschwellig spannenden Atmosphäre nimmt dieses Buch den Leser mit an einen frostigen Ort, der Geheimnisse, Fragen und Rästel aufwirft. "Soul Beach" ist Fantasy, Roman und Thriller in einem und mit diesem unwiderstehlichen Mix und kleinen, kaum erwähnenswerten Schönheitsfehlern, macht es das Buch zu einem besonderen Abenteuer, das eine Menge frischen Wind in die Jugendbücher bringt. Eine eindeutige und absolute Leseempfehlung von mir!


Ursprünglich arbeitete Kate Harrison beim britischen Fernsehen. Nachdem sie bereits sehr erfolgreich Romane für Erwachsene veröffentlichte, erscheint nun mit Soul Beach – Frostiges Paradies ihr erstes Jugendbuch. Abgesehen vom Bücherschreiben liest sie sehr gerne, liebt Backen, Singen, die Küste, Live-Comedy und Bastelkram. Wenn sie nicht gerade in Spanien am Strand liegt, lebt sie in Brighton. [via Loewe]
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Für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares bedanke ich mir sehr herzlich bei

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