| cbt | Hardcover | 416 Seiten | €16,99 | Kathrin Weingran (Übers.) | #scandal | Amazon |
Die perfekte Mischung für einen handfesten Party-Skandal? Das wären: nackte Jungs mit Elfenflügeln und … verbotene Küsse! Als Lucy einwilligt, anstelle ihrer BFF zum Abschlussball zu gehen, ahnt sie bereits, wie anstrengend das wird. Immerhin muss sie mit Cole dorthin gehen, Ellies Freund und ihr geheimer Schwarm seit ... ungefähr schon immer. Und dann passiert es: Lucy und Cole küssen sich! Doch bevor Lucy mit Ellie sprechen kann, tauchen die brisanten Beweisfotos auf ihrer Facebook-Chronik auf und ein Shitstorm sondergleichen bricht über sie herein. Wer steckt hinter dieser fiesen Intrige und wie kommt Lucy je wieder aus diesem Schlamassel heraus?
Das Internet ist ein Ort der Freiheit jeglicher Art und vor allen Dingen bietet es in dieser Freiheit eines: Anonymität. Und das ist in vielerlei Hinsicht sicherlich auch gut so, in vielen anderen Dingen aber auch sehr gefährlich. Wie gefährlich, das zeigt Sarah Ockler mit ihrem #Skandal und bietet damit einen Einblick in die Welten von Cybermobbing, Starrummel und Lügenpresse. Dabei ist das Buch thematisch gesehen hoch aktuell und definitiv wichtig, die Umsetzung an manchen Stellen dafür aber etwas mau, was vor allen Dingen daran liegt, dass spannende Ermittlungen viel zu sehr in die Länge gezogen werden und sich das Buch irgendwie halbgar liest, so als gäbe es einfach zu viele blasse Handlungsstränge, wo einer gereicht hätte. Warum mir #Skandal trotzdem irgendwie zugesagt hat und was mir an Sarah Ocklers Schreibstil so gefällt, erfahrt ihr jetzt...
Zuerst einmal muss gesagt werden, dass #Skandal eine ganz besondere Art von Humor und Charme ansich hat, die einfach Spaß macht - eine Protagonistin, die gerne Zombieshooter spielt und ihren Hund "Night of the Living Dog" genannt hat, ein Pferd namens Prinz Sommersprosse und eine Anti-Soziale-Medien-Gruppe namens TeuveeL, was es auch ist, Ockler hat viel Liebe zum Detail in ihren #Skandal gesteckt und das merkt man in jeder Lesesekunde, auf jeder Seite und zwischen jedem Wort. Ebenso auffällig ist auch der zynische Schreibstil mit den langen und ziemlich coolen Schachtelsätzen, die aber irgendwie immer funktionieren. Der Stil ist frisch, frecht und authentisch und vor allen Dingen merkt man ihm das Herzblut an, denn das Spiel mit Sprichwörtern und Running Gags beherrscht Sarah Ockler wie keine Zweite. Zwischendurch gibt es - neben witzigen Kapitelüberschriften - immer wieder Einschübe in Form von Blogeinträgen, die die Thematik unterstützen und noch dazu sehr unterhaltsam geschrieben sind.
Auch die Figuren überzeugen, allerdings vor allen Dingen, wenn man sie alleine beleuchtet. Lucy beispielsweise ist eine Symapthieträgerin und dazu ein wenig schräg, dich in der Konstellation mit anderen Figuren war sie mir oft etwas zu distanziert, was zwar auch behandelt wird, insgesamt aber eher störend ist. Besonders witzig sind aber auch die Nebenfiguren wie beispielsweise die Direktorin Zeff, die Kekse und Facebook liebt, oder der kanadische Austauschschüler Marceau. Allerdings, und das ist an #Skandal nicht ganz gelungen, schafft Ockler es nicht, die verschiedenen Beziehungen der Figuren hervorzuheben - die Gefühle zwischen Cole und Lucy? Verstehe ich nicht. Die Freundschaft zwischen Ellie, Griffin und Lucy? Verstehe ich nicht. Die Schwesternbeziehung zwischen Jayla und Lucy? Verstehe ich, erreicht mich aber nicht. Das Buch ist in seinem Grundgerüst sehr gut, doch die wesentlichen Bestandteile, die das Buch zu einem emotionalen Highlight hätten machen können, fehlen leider gänzlich.
So ist es vielleicht kein Wunder, dass die Szenen zwischen Cole und Lucy alles andere als Herzklopfen verursacht haben und dass der Bruch zwischen Ellie und Lucy mich nicht wirklich tangieren konnte. Die Vergangenheit wird dann und wann angeschnitten, doch die tiefe Verbindung von der Lucy spricht, kann man zu keinem Zeitpunkt fühlen. Thematisch und auch literarisch gesehen macht #Skandal für sein Genre im Grunde alles richtig - es ist charmant, humorvoll und mit Liebe zum Detail, doch wenn es um die Figurenkonstellationen geht, bleibt es blass und eindimensional. Das führt insgesamt dazu, dass die Geschichte an Reiz verliert - es ist nicht interessant, ob Ellie Lucy je verzeiht, weil man sie emotional einfach nicht zusammen sieht und diese Einstellung zieht sich leider durch das ganze Buch. Hier fehlt ganz eindeutig die Tiefe.
Lust auf einen #Skandal? Dann könnte die Geschichte um Lucy Vacarro ein guter Griff sein, denn in Sachen Themenwahl hat Ockler die Nase vorn. Allerdings besteht die Geschichte aus einem ziemlich guten Skelett, dem leider die wesentlichen Bestandteile fehlen - ohne Muskeln, Fleisch und Haut bleibt #Skandal eben doch sehr blass und wackelig und kann mich zwar unterhalten, jedoch nicht begeistern oder überzeugen. Eine sehr kurzweilige Geschichte mit tollem Charme, gutem Humor und interessanten Figuren, aber ohne die Tiefe, die eine solche Thematik letztlich verdient hätte.