Shades of Grey – Geheimes Verlangen
Erscheinungstermin: 09. Juli 2012
Autorin: E. L. James
Verlag: Goldmann
Preis: 12,99 € (broschiert), 9,99 € (eBook)
Seiten: 608
ISBN: 978-3-442-47895-8
Originaltitel: Fifty Shades of Grey (Hardcover, Paperback #1, Paperback #2, eBook, Audio CD)
Reiheninfo: Geheimes Verlangen (Fifty Shades of Grey), Gefährliche Liebe (Fifty Shades Darker), Befreite Lust (Fifty Shades Freed)
Meine Bewertung
Inhalt: Ana, 21 Jahre alt und Literaturstudentin, lernt den reichen und attraktiven Christian Grey kennen, als sie mit ihm ein Interview für die Universitätszeitung führt. Sehr schnell muss Ana feststellen, dass sie sich zu Christian körperlich hingezogen wird. Das erste Mal in ihrem jungen Leben kann sie sich vorstellen, mit einem Mann körperlich intim zu werden.
Überraschenderweise taucht Christian immer öfters in Anas Leben auf. Es scheint beinahe so, als ob er Anas Nähe sucht. Für Ana ist das auf der einen Seite völlig unverständlich, auf der anderen Seite ist sie erleichtert, dass das Interesse auf Gegenseitig beruht. Doch schnell muss Ana auch feststellen, dass Christians Absichten völlig anders sind, als die ihren. Ist Ana an einer ernsthaften Beziehung interessiert, so möchte Christian seine sexuellen Gelüste befriedigen. Und die sind nicht jedermanns Sache…
Meine Meinung: Ich würde mich auf keinen Fall als Fan von Erotikromanen bezeichnen. Bisher habe ich mit diesem Genre nur schlechte Erfahrungen gemacht, denn jedes von mir gelesene Buch, was erotisch angehaucht war, hat meinen Geschmack nicht getroffen. Mein größter Kritikpunkt war immer, dass Sexszenen meist sehr vulgär beschrieben sind. In meinen Augen ein absolutes No Go! Dementsprechend skeptisch war ich auch, als ich ‘Shades of Grey’ endlich in meinen Händen hielt. Doch die bisherigen Rezensionen, sowohl die positiven als auch die negativen, haben mich einfach neugierig gemacht und ich wollte endlich wissen, was an dem Buch dran ist, über das wohl momentan die ganze Welt spricht. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich noch nie von einem Buch so positiv überrascht war.
Ja, ‘Shades of Grey’ ist ohne Zweifel ein erotischer Roman. Manche Leser mögen mit diesem Buch an ihre Grenzen stoßen und sicherlich angewidert sein. Das ist keine These die ich hier aufstelle, sondern definitiv in Rezensionen so ausgedrückt worden. Aber meiner Meinung nach verlieren gerade diese Rezensionen die positiven Aspekte, die in diesem Buch ohne Zweifel zu finden sind, aus den Augen. Dass ‘Shades of Grey’ die Thematik BDSM anspricht, ist kein Geheimnis. Doch mehr als Sexspiele mit einer Gerte, das Fesseln von Händen und Füßen, etc. findet man in diesem Buch nicht. Nach den negativen Rezensionen habe ich definitiv schlimmeres erwartet. Zugegeben, ein bis zwei Szenen waren für mich auch grenzwertig, aber im Ganzen betrachtet, denke ich, dass E. L. James bisher nur die harmlosen Seiten von BDSM angesprochen hat und die Realität sicherlich noch andere Ausmaße annehmen könnte.
Am besten an den Sexszenen hat mir persönlich gefallen, dass es der Autorin gelungen ist, die Liebesspiele zwischen Ana und Christian in eine Sprache zu verpacken, die ohne vulgäre Begriffe auskommt. E. L. James nennt die Dinge beim Namen, ohne dass sie zu anzüglich oder aber abstoßend klingen.
Für Gesprächsstoff hat außerdem der Vertrag gesorgt, den Ana für Christian zu unterzeichnen hat. Ana muss sich so ernähren, wie Christian es für richtig hält. Ana soll pro Nacht mindestens acht Stunden schlafen. Außerdem ist regelmäßiger Sport ein Muss und Ana hat kaum noch Mitspracherecht in ihrer Kleiderwahl. Auch für mich waren manche dieser Regeln schockierend, aber genau betrachtet passen sie doch wieder zum Wesen des Protagonisten und seiner Vorstellung eines Lebensstils.
Denn Christian Grey ist ein Kontrollfreak wie er im Buche steht. Ohne Wenn und Aber hat seine Untergebene seine Regeln zu akzeptieren, er duldet kein Nein. Auch ich hatte an manchen Stellen so meine Probleme mit diesem völlig anderen Mann der Begierde, doch genauso habe ich die positiven Entwicklungen in seinem Charakter gesehen. Christian Grey ist definitiv kein Typ, in den man sich ausschließlich aufgrund seines Charakters verliebt. Ja, Christian kann einem Angst machen, er hat schreckliche Charakterzüge an sich, doch auf der anderen Seite macht ihn diesen Wesen auch zu einer unheimlich interessanten Figur, die mich persönlich nicht kalt gelassen hat. Genau wie Ana war ich daran interessiert, wie Christian zu diesem Menschen geworden ist. Genau wie die Protagonistin habe ich an vielen Stellen Mitleid für Christian empfunden. Und genau wie Ana habe ich Christian innerhalb der 600 Seiten kennengelernt, konnte an vielen Stellen hinter seine Fassade schauen und erkennen, dass in ihm viel mehr steckt, als ein perverser Schönling.
Weniger Probleme hatte ich von Anfang an mit der Protagonistin Ana. Von der ersten Seite an konnte ich mich unheimlich gut in sie hineinversetzen und ihr liebenswertes Wesen trug dazu bei, dass ich schnell Sympathie für sie empfunden habe. Ganz genauso sah es mit allen anderen Figuren des Buchs aus.
‘Shades of Grey’ wurde ursprünglich als Fanfiction zur Twilight-Saga von Stephenie Meyer auf einer Fanseite veröffentlicht, die Protagonisten erhielten ursprünglich sogar die Namen Edward Cullen und Bella Swan. So war es auch für mich nicht überraschend, dass ‘Shades of Grey’ Parallelen zu Twilight enthält. Für mich allerdings ist das kein großer Kritikpunkt, vor allem, weil sich diese Gemeinsamkeiten in Grenzen halten. Genau wie Bella ist Ana sehr tollpatschig, hat zwei linke Füße, sieht sich selbst als unscheinbare junge Frau, die nicht verstehen kann, warum der bestaussehenste Mann der Welt Interesse an ihr zeigt. Christian ist wie Edward mit dem perfekten Aussehen gesegnet, hat einen ausgeprägten Beschützerinstinkt und einen Haufen Geld.
Es gibt allerdings auch Parallelen im Bezug auf den Schreibstil, die ich kritisiere und Grund für meinen Punktabzug sind. Genau wie Stephenie Meyer ist auch E. L. James eine Meisterin von Wiederholungen. Auf jeder einzelnen Seite errötet Ana mindestens ein Mal oder kaut auf ihrer Lippe, was wiederum von Christian kommentiert wird. Ana verliert sich oft in überschwänglichen Schwärmereien über Christians Aussehen, als ob wir Leser nicht nur bei einer Erwähnung verstehen würden, dass Christian allein vom Äußeren ein wahr gewordener Traum wäre. Gerade im Bezug auf Anas Gedankenwelt hätte ich mir mehr Abwechslung gewünscht. Gleiches gilt für Christian, dessen Sprüche sehr eindimensional sind.
‘Shades of Grey – Geheimes Verlangen’ ist der erste Teil einer Trilogie. Die Folgebände erscheinen dieses Jahr noch auf Deutsch. Teil zwei erscheint im September unter dem Namen ‘Shades of Grey – Gefährliche Liebe‘, Teil drei unter dem Namen ‘Shades of Grey – Befreite Lust’ Ende Oktober.
Fazit: Wer nicht offen für neue Themen ist oder aber von sich weiß, dass erotische Romane gerade mit Bezug auf BDSM nicht sein Ding sind, der sollte ‘Shades of Grey’ eher nicht lesen. Wer erwartet, dass ‘Shades of Grey’ kindliche Liebesvorstellungen oder aber pure Romantik bietet, der ist mit diesem Buch an der falschen Adresse. Zwar gibt es auch in ‘Shades of Grey’ immer wieder emotionale, gefühlvolle und sanfte Momente, doch sollte einem klar sein, dass E. L. James darauf keinen Schwerpunkt legt. Vielmehr bietet ‘Shades of Grey’ einen leichten Einblick in die Thematik BDSM, der aber in seiner Intensität bestimmt nicht immer die harte Realität wiederspiegelt, sprich, für Kenner dieser Szene sind die Sexszenen bestimmt kein hartes Kaliber, sondern immer noch Blümchensex.
Es wird viel über Sex und BDSM geredet, ist im Grunde immer Gesprächsthema Nummer eins, doch kann man die tatsächlich ausgeführten Sexszenen an einer Hand abzählen. Dazu kommt, dass die zuvor in vielen Rezensionen angepriesene Sexpraktik bei weitem nicht so heftig dargestellt wird, wie man annehmen mag. E. L. James nimmt zwar in ihrem Buch kein Blatt vor den Mund, doch wirken die erotischen Szenen keineswegs vulgär oder aber zu abstoßend.
Wer sich aber gerne einmal an einem erotischen Roman ausprobieren möchte, der wird an ‘Shades of Grey’ sicher Gefallen finden. Denn E. L. James bietet nicht nur viel Abwechslung, sondern geht darüber hinaus auch noch sehr intensiv auf ihre Figuren ein. In ‘Shades of Grey’ wird nicht stumpf eine Sexszene nach der anderen abgehandelt. Nein, wir Leser lernen die Figuren tatsächlich kennen, dürfen ihre Gedanken erfahren, ihre Ängste miterleben und an ihrem Alltag teilnehmen.
Auch ich war während des Lesens bezüglich der sexuellen Vorstellung von Christian Grey des Öfteren zwischen Lachen und Entsetzen hin- und hergerissen. Genauso konnte ich manche Entscheidungen von Ana nicht nachvollziehen. Doch würde ich nicht so weit gehen und behaupten, dass das Buch ein schlechtes Bild über die Emanzipation, etc. von Frauen aussagt. Wer das Buch zu Ende gelesen hat wird nämlich feststellen, dass Ana sich Christian keineswegs blind unterwirft. Sie nimmt seine Regeln nicht vorbehaltslos hin, sie hinterfragt sie vielmehr und versucht Kompromisse zu finden.
Genauso sollte man sich darüber im Klaren sein, dass ‘Shades of Grey’ kein literarisches Meisterwerk ist, sowohl vom Inhalt, als auch von der Sprache. Mich konnte das Buch jedenfalls sehr gut unterhalten und fesseln. Ich kann es kaum erwarten, die nächsten beiden Bände zu lesen!