Rezension: Robert Lowry – Tag, Fremder

Es gibt verhältnismäßig wenige Romane über das Boxen und noch weniger sind lesenswert. Um es vorab zu sagen, der Roman „Tag, Fremder“ ist großartig. Das Buch ist eine Mischung aus einer Geschichte über einen Boxer und einem Liebesroman.
Der Autor Robert Lowry (29.03.1919 – 05.12.1994) war ein Schriftsteller der US-amerikanischen Nachkriegsliteratur und Vorläufer der Beat Generation. Nur wenige seiner Werke sind auf Deutsch erschienen. Aber auch in den USA erfährt sein Werk nicht die ihm gebührende Würdigung. Bereits als Kind fing Lowry an zu schreiben und die lokale Presse von Cincinnati veröffentlichte seine Geschichten. Als Student gründete er 1938 das viel gerühmte Literaturmagazin Little Man.
1942 wurde Lowry zur Armee eingezogen und musste das Magazin einstellen. Nach dem Krieg zog Lowry nach New York, arbeitete als Buchdesigner, veröffentlichte seinen ersten Roman und wurde ein gefürchteter Kritiker – u.a. für das Time Magazine. 1952 wurde er von seiner damaligen Frau, der zweiten von vier, in die Psychiatrie eingewiesen und mit Elektroschocks behandelt. Von nun an war er immer wieder Patient in der Psychiatrie und er verelendete immer mehr. Er starb zuletzt völlig verarmt an einer Lungenentzündung. Er hinterließ ein Werk, das es noch zu entdecken gilt.
1953 erschien der Roman „The Violent Wedding“, der, aus mir unerfindlichen Gründen, den etwas abgeschmackten deutschen Titel „Tag, Fremder“ trägt. In dem Roman geht es um die Amour fou zwischen Paris „Baby” James und Laine Brendan. James ist ein schwarzer Boxer aus Harlem, der Weltmeister im Mittelgewicht werden will. Brendan ist eine weiße Malerin aus dem Village, die in einer Schaffenskrise steckt. Die Liebe zwischen den beiden ist – es ist Anfang der 50er Jahren in den Vereinigten Staaten – zum Scheitern verurteilt. Ihre Liebe gestaltet sich aber auch wie ein Kampf, der schließlich in der Vernichtung bzw. im Tod von Brendan endet. Das Drama der beiden wird sowohl aus Sicht der beiden Protagonisten als auch aus der des scheinfreundlichen Sportreporters Dick Willis geschildert. Die gelungenen Perspektivenwechsel lassen Gedanken und Gefühle der Personen klar hervor treten.
Die Sprache von Robert Lowry ist klar, präzise und von großer Schönheit. Die Übersetzung von Carl Weissner trägt zudem dazu bei, das Lesevergnügen zu vergrößern. Vorlage für den WM Kampf, der eine zentrale Rolle im Roman spielt, dürfte der Kampf zwischen Sugar Ray Robinson (200 Kämpfe, 173 Siege, 108 durch KO, 19 Niederlagen, 1 durch KO, 6 Unentschieden) und Jake LaMotta (106 Kämpfe, 83 Siege, 30 durch KO, 19 Niederlagen, 4 durch KO, 4 Unentschieden) vom 14.02.1951 sein. Paris „Baby” James hat Züge von Robinson, ohne ihm aber allzu ähnlich zu werden. Er ist durchaus eine eigenständige fiktive Person.
„Tag, Fremder“ ist ein exzellenter und wahrhaftiger Roman über das Boxen und über eine Liebe.
(C) Uwe Betker



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