Rezension Pandemonium (...und sie kann es doch!)

Rezension Pandemonium (...und sie kann es doch!) "Wenn nicht jetzt, dann nie!" dachte ich mir als ich mir dieses Buch aus dem Regal schnappte.
Nachdem mich der erste Band der Delirium Reihe vor ein paar Wochen komplett kalt gelassen hat, war ich eigentlich schon überzeugt davon, dass der zweite Band leider sein Leben als hübsch becoverter aber arg vereinsamter Regalverschönerer fristen würde. 
Doch dann - Ein Geistesblitz!
"Mila-", sagte ich  mir. "Mila, die Frau kann doch schreiben. Das hat sie doch mit Wenn du stirbst zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie bewiesen! Gib ihr noch eine Chance." UND ICH TAT ES! Bin ich zu melodramatisch? Ach Quark. Ein kleiner Trommelwirbel geht noch: Tatatataaaaaaaaa:  Hier seht ihr den vielleicht ersten Fall einer Trilogie, deren gähnend langweiliger erster Band mit einem grandiosen Sequel aufwarten kann. Ich hab vielleicht doof geguckt.  Wir müssen aber doch realistisch bleiben: Es ist sehr gut möglich, dass ich das Buch nur deshalb so gut fand, weil ich null Erwartungen hatte. Genauso wie es theoretisch sein kann, dass ich den ersten Band so lahm fand, weil meine Erwartungen zu hoch waren. Wie auch immer; Pandemonium ist, verglichen mit Delirium, ein Knaller.
Kurz zum Inhalt (der sehr schwierig zu beschreiben ist, ohne zu spoilern!): Lena, die vormals naive, schüchterne und auf gutes Benehmen konditionierte Tochter einer "Infizierten" (ihre Mutter wurde niemals von der "Krankheit" Liebe geheilt) hat es in einer phänomenalen Flucht geschafft, aus dem System auszubrechen. Mittlerweile ist sie wieder dorthin zurückgekehrt, ausgebildet zur Widerstandskämpferin im Namen der Resistenz. Das Buch läuft parrallel auf zwei Erzählsträngen: Lenas neue Identität als Undercover "Agentin" ("Now") und ihre Ankunft und Anpassung an ihr neues Leben an die Wildnis nach ihrer Flucht ("Then").
Meine Meinung Unser naives kleines Mädchen aus Band eins hat sich zu einer Bad Ass Kämpferin ohne Gnade entwickelt und Lauren Oliver kann wieder beweisen, was sie eigentlich drauf hat. Das Buch hat, ganz simpel gesagt, ordentlich Feuer unterm Hintern! Durch die Umstände erscheint Lenas Wandelung auch nachvollziehbar. Aber das sie Charakterwandlungen drauf hat, konnte Frau Oliver schon mit ihrem Debutroman beweisen.
"I will bomb and bomb and bomb, and watch all their buildings smoldering to dust, and all those people bleeding into flame, and I will see how they like it. If you take, we will take back. Steal from us, and we will rob you blind. When you squeeze, we will hit. That is how the world is made now."
Trotz solch großspuriger Ankündigungen hat Lena ihr Herz aber noch am rechten Fleck. Nach und nach findet sie einen Mittelweg zwischen Stärke und Schwäche, Gnadenlosigkeit und Mitgefühl. Und sie erkennt, dass auch auf der Seite der Resistenz Menschen für das Ziel geopfert werden, ein Umstand, der sie immer mehr zweifeln lässt.

"Someday you´ll understand," she says, and I know that she really believes it. She is staring at me wide-eyed, willing me to understand: that people should be sacrificed to causes, that beauty can be built on the backs of the dead. (...) "I hope not.", I say, as gently as I can, and that is how I say good bye.
Das heisst aber nicht, das auf verschiedenen Fluchten nicht trotzdem haufenweise Menschen sterben. Wenn hier 18 jährige mehrere Menschen töten wird das zwar reflektiert, aber für meinen Geschmack nicht genug. Außerdem möchte ich hier mal kurz einen Tipp an Autoren diverser Jugend-Dystopien publik machen: ES IST NICHT SO EINFACH EINEN MENSCHEN MIT EINEM MESSERSTICH ZU TÖTEN!!! Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass jemand der noch nie ein Messer in der Hand hatte, seinem Feind kurz mal ein Messer in den Rücken sticht und damit jemand anderem in wenigen Sekunden das Leben rettet. Dazu braucht es nämlich ganz schön Kraft. Und nicht zu vergessen: Einiges an Sachverstand! All die Rippen sind ein bisschen im Weg, ihr versteht? Soviel zum Realismus einiger Szenen in diesem Buch.
Abgesehen von solcherlei kleinen Fehlern habe ich aber nicht viel zu bemängeln. Das Buch ist spannend und flüssig, kann mit einer (einigermaßen) komplexen Hauptfigur aufwarten und mit interessanten und liebenswerten Nebencharakteren. Lauren Olivers Schriebstil ist wie gewohnt kraftvoll und poetisch zugleich. Auch in diesem Band mangelt es übrigens nicht an Romantik, die aber hier sehr viel weiser ( = sehr viel weniger plump!) eingesetzt wurde, als in Band eins.  Die romantischen Szenen sind liebevoll und zart in die Geschichte eingebunden und statt die Geschichte einzuengen (wie bei Band eins), bieten sie einen erholsamen Kontrast zu all der Brutalität.
Lauren Oliver hat auch hier wieder einige gute Ideen zu bieten, wie sich die Durchsetzung einer Gesellschaft ohne Liebe auswirken kann. In Band zwei wird klar, dass es weniger um das Fehlen von Liebe geht, als um das Aufrechterhalten einer perfekten, "gesunden" Fassade. Auch hier wieder: viel glaubhafter als in Band eins. 
Eine Sache, die mich aber schon wieder genervt hat, ist das Lena in diversen Szenen viel naiver, bzw. schwerer von Begriff ist, als sie es sein müsste. (Und als es ihrem Charakter angemesssen wäre.) Es kann passieren, das der Leser sich seitenweise denkt "Booooah, das muss sie doch jetzt mal kapieren!". Sowieso sind viele Charaktere anscheinend nicht absolut ausgereift, denn meiner Meinung nach passen manche Handlungen einfach noch nicht hundertprozentig zum Charakter. Sowas hab ich aber einfach ignoriert, denn es tut der Geschichte keinen Abbruch.
Fazit Insgesamt kann ich das Buch absolut empfehlen. Es ist kein Geniestreich, aber temporeiche Unterhaltung mit süßen, liebevollen Anklängen. Ich hatte das Gefühl, dass Lauren Oliver eigentlich diese Geschichte schreiben wollte und Band eins war nur dazu da, die Hintergründe zu verstehen, bevor es richtig losgeht. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber evtl. könnte man zu Band eins auch nur die Inhaltsangabe (Welt ohne Liebe, Mädchen flieht) lesen und gleich zu Band zwei übergehen. Und dann hoffentlich bald zu Band drei, denn am Ende von Pandemonium wartet ein mieser Cliffhanger. "Requiem", der dritte Teil der Trilogie, erscheint auf Englisch im März 2013. Cover ist auch schon draußen. (Täusche ich mich, oder sieht das Mädel auf dem Cover von Mal zu Mal seltsamer aus? Lippen-OP?!)

Rezension Pandemonium (...und sie kann es doch!)

 Via Requiem, erscheint März 2013

 Obwohl der dritte Band noch nicht raus ist, hat er auf Goodreads schon 280 Reviews, die sich ausnahmslos folgendermaßen anhören. "Oh my gooood, the ending was sooooo cruel. I want THIS and THIS to happen next!" Ist halt ein Teenie Buch... Übrigens sind dieselben Teenies anscheinend eindeutig nicht meiner Meinung was die Liebesgeschichte aus Band eins angeht. Mein Lieblingskommentar (Achtung, Ironie.) steht verdeckt in der nächsten Zeile, da er einen heftigen Spoiler enthält. Wenn ihr beide Bände schon gelesen habt, könnt ihr ihn durch markieren entlarven:
"I know burning books is bad, but if Lena doesn't end up with Alex there will be blood." Ooookay.

Die deutsche Ausgabe von Pandemonium erscheint im November, wenn ihr mir einen Gefallen tun wollt, bestellt ihr sie unter folgendem Link.

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