Titel: Neon Birds (Neon Birds #1)
Autorin: Marie Graßhoff
Format: Taschenbuch
Preis: 15,00 €
Seitenzahl: 463 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe
ISBN: 978-3-404-20000-9
Bewertung: 4 Sterne
Inhalt
Wir schreiben das Jahr 2101 und ein außer Kontrolle geratener technische Virus verwandelt Menschen in hyperfunktionale Cyborgs, die dem Willen der künstlichen Intelligenz KAMI gehorchen. Supersoldaten, die von der Öffentlichkeit gefeiert werden, bekämpfen diese Wesen, welche in Sperrzonen zusammengepfercht sind. Doch irgendetwas stimmt nicht, denn die Mauern beginnen zu bröckeln. Nicht nur, dass ominöse Sekten KAMI als Maschinengott anbeten, nein, es wirkt fast so, als würde KAMI mittlerweile mit anderen Mitteln kämpfen. Der Kampf zwischen Menschlichkeit und Technologie wird immer unerbittlicher und vier junge Erwachsene versuchen irgendwie den Untergang ihrer Zivilisation zu verhindern.
Seit Erscheinen des Buches lag „Neon Birds“ auf meinem SuB. Ich war so gespannt auf die Geschichte. Ich habe länger kein Science-Fiction gelesen und war besonders an „Neon Birds“ interessiert, weil das Genre zusätzlich als Cyberpunk und Solarpunk beschrieben wurde. Das Worldbuilding ist aus diesem Grund für mich besonders von Interesse gewesen und ich muss sagen, dass dieses Buch mein absolutes Highlight im April war.
Marie Graßhoff hat es geschafft, mich von der ersten Seite an in ihren Bann zu ziehen. Ich konnte das Buch kaum zur Seite legen, weil ich einfach wissen wollte was passiert und wie es weiter geht. Bereits der Prolog hat mich komplett gefesselt. Unzählige Fragen haben sich in meinem Kopf gebildet. Wie konnte es so weit kommen? Wieso hat sich die Welt derart verändert? Wie leben die Menschen jetzt, in dieser modernen Welt? Nach und nach bekommen wir Antworten, was nicht zuletzt daran liegt, dass eine der Protagonistinnen genau dasselbe Problem hat wie wir: sie kennt die technisierte Welt eigentlich kaum.
Andra ist eine Yuna und lebt fernab von Technologien mit ihrer Siedlung in der Nähe einer Sperrzone. Sie wird von der Ältesten des Dorfes unterrichtet, kann mit Pfeil und Bogen schießen und hat eine sehr ruhige, überlegte Art an sich. Sie ist verletzlich aber auch sehr mutig. Das stellt sie unter Beweis, als ihr Dorf von ausgebrochenen Mojas, so nennt man die mit KAMI infizierten Cyborgs, angegriffen wird, denn sie stellt sich ihrem Feind entgegen.
Sie wird von Okijen gerettet. Ein Elitesoldat, der sich eigentlich schon zur Ruhe gesetzt hat, obwohl er noch sehr jung und der erfolgreichste Kämpfer auf der ganzen Welt ist. Er ist von Andra fasziniert und nimmt sie auf, denn ihr Dorf ist zerstört und sie nun ganz allein. Er erklärt ihr die Welt, zeigt ihr, wie er lebt und dabei lernen sich die beiden kennen. Gleichzeitig sehen wir Leser*innen so auch die Welt von Neon Birds, was ich toll gelöst finde. Es gibt keine überschwänglichen und langweiligen Erklärungen, sondern tolle Beschreibungen. Entweder von Okijen, der seine Welt zeigt oder von Andra, die sie mit ihren Augen betrachtet. 2101 hat sich Vieles verändert. Alles ist grüner und nachhaltiger geworden. Wer Pflanzen besitzt, bekommt Zuschüsse. Die Menschheit hat auch auf Technologien gesetzt, haben Cyber Trips erfunden, mit denen in sekundenschnelle von Ort zu Ort gesprungen werden kann. Es wirkt alles ganz wunderbar und ist von Marie auch toll durchdacht. Durch Andras Augen erlebt man das eigene Staunen über diese Welt. Es könnte alles so wunderbar und schön sein, wäre in der Welt von Neon Birds nicht etwas gehörig schief gelaufen. Bei der Entwicklung einer künstlichen Intelligenz und Experimenten damit, wurde ein unaufhaltsamer Virus freigesetzt. Wer angesteckt wird, verliert seine Menschlichkeit und wird zum Cyborg, fremdgesteuert von der künstlichen Intelligenz KAMI. In kürzester Zeit verbreitet sich der Virus und die Infizierten Menschen, die Mojas, müssen abgeschottet werden, denn sie sind keine Menschen mehr – nur noch Marionetten. Doch Not macht erfinderisch und es wird eine Eliteeinheit Soldaten an den Start gebracht, die nur dazu ausgebildet sind, um Mojas unschädlich zu machen.
Ein weiterer Protagonist dieses Buches ist Flover, der ebenfalls zu einer Spezialeinheit von Soldaten gehört. Auch er kämpft gegen Mojas. Aber auch gegen innere Dämonen. Ich mochte seine Art unglaublich gerne. Während Okijen versucht das, was ihn belastet und dazu getrieben hat sich vom Militär abzuwenden, einfach auszublenden und wegzuschieben, ergibt sich Flover teilweise seiner Melancholie. Er kann nicht so gut verarbeiten, was ihm zugestoßen ist und was er weiterhin tun muss, um die Welt zu einem sichereren Ort zu machen.
Sein Mitbewohner Luke arbeitet als Student bei einer Sicherheitsfirma und hat einen ausgeprägten Pflanzenfimmel. Er gibt Flover teilweise großen Halt ohne selbst zu wissen, dass dies der Fall ist. Luke hat aber auch Geheimnisse und Probleme, die er nicht mit Flover teilt. Auch wenn sie Freunde und Mitbewohner sind, wissen sie nicht alles voneinander. Das macht die Dynamik zwischen den beiden aus. Ich mochte es, wie sich angebahnt hat, dass sie sich im Laufe des Buches sehr viel besser kennen lernen, obwohl sie schon einige Zeit zusammen leben. Sie halten zusammen, geben aufeinander acht und vielleicht werden sie sich in den beiden anderen Teilen auch offenbaren, was sie beide quält und gleichzeitig antreibt.
Durch Verstrickungen, die ich hier nicht weiter ausführen kann und will, sind alle vier Protagonisten irgendwie miteinander verbunden. Sie alle kämpfen für eine bessere Welt, wollen Leben retten und versuchen das Richtige zu tun. Sie stehen fast alleine da, mit dem was sie vor haben und doch sind sie gemeinsam stark.
Ohne genau zu wissen, dass sie alle für die gleiche Sache arbeiten, was ich toll finde. Sie kennen sich alle irgendwie und doch ist ihnen das im Moment vielleicht noch gar nicht so bewusst.
Es gibt einen unglaublich tollen Twist, den ich mir zwar längst gedacht hatte und deshalb davon nicht überrascht wurde, dennoch fand ich das einen tollen Schachzug von der Autorin. Diese Wendung bringt nämlich sehr viel tolles Konfliktpotenzial für Band 2 (und eventuell auch Band 3) mit sich.
Marie ist es gelungen mich wirklich an die Seiten zu fesseln. Die Handlung verläuft in sehr hohem Tempo, hat zwar ab und zu einige ruhige Stellen, doch die unterschwellige Spannung ist immer zu spüren. Man fühlt sich nahezu rastlos in dieser Welt, denn überall können Gefahren lauern, nichts und niemand wirkt vertrauenswürdig und hinter jeder Ecke könnte Verrat lauern. Es ist großartig aufgebaut und durch die Militärakten, die immer mal wieder an Kapitel anschließen bekommt man als Leser auch noch zusätzliche Informationen über die Militäreinheiten, die Moja und ihre Generationen und auch über KAMI selbst. Das alles ist so komplex und gut durchdacht, dass ich eigentlich gar nicht anders kann als begeistert zu sein.
Fazit
Neon Birds ist ein Science-Fiction Buch, das ich so schnell nicht vergessen werde. Der Spannungsbogen ist durchweg auf sehr hohem Niveau, die Charaktere sind toll ausgearbeitet und die Welt, in der die Geschichte spielt ist einfach genial. Es gibt so vieles zu entdecken, so vieles noch herauszufinden und ich denke, auch am Ende der Trilogie, wird es bei mir noch etliche Fragen zu der Welt geben. Ich bin begeistert davon, wie toll alles ausgearbeitet ist und gleichzeitig noch ein genialer Spannungsbogen gehalten werden kann. Nichts wirkt langweilig oder überflüssig, alles hat seinen Sinn. Ich habe jeden Charakter gern verfolgt und würde am liebsten jetzt sofort all ihre Geheimnisse kennen. Ich freue mich darauf weiter zu lesen und die Zusammenhänge besser nachvollziehen zu können. Ich habe einige Theorien und Überlegungen, wie es weiter gehen könnte und kann es kaum erwarten endlich Cyber Trips zu lesen.