Rezension: Matthew E. White – Fresh Blood (Domino 2015)

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Zum zweiten Mal versucht sich Jazzakademiker Matthew E. White aus Richmond, Virginia, an einem pop-orientierten Soloalbum. Noch besser als auf dem sehr positiv besprochenen Debüt „Big Inner“ (2012) gelingt es ihm und seiner Band auf „Fresh Blood“ mit ambitionierten Kompositionen und ausgezeichnetem Handwerk einen einzigartigen soulig-warmen Sound zu erzeugen.

Zuletzt durfte White auch mit seinem eigenen Label Spacebomb Records einen ersten Erfolg erzielen: Das Debüt der Singer/Songwriterin Natalie Prass wurde von der Presse weithin euphorisch gefeiert. Die hohe Qualität dieses Albums ist nicht zuletzt den Musikern zu verdanken, die – nach klassischem Vorbild – die Hausband des Labels stellen. Zu Matthew E. Whites Konzept gehört es nämlich, dass allen Künstlern, die bei seinem Label unter Vertrag sind, jederzeit eine Gruppe klassisch geschulter Musiker und Musikerinnen zur Verfügung stehen soll.

Es sind dies zumeist klassisch gebildete Künstler aus der Szene um White, von denen viele mit ihm etwa auch in der Big Band Fight The Big Bull spielen.  Im Gegensatz zu den dortigen avantgardistischen Klängen durfte die Hausband für Whites eigenes Soloalbum „Fresh Blood“ nun einen Exkurs in Popgefilde unternehmen, der in einem soulig-warmen Sound gemündet hat, der die zehn neuen Tracks wie ein roter Faden durchwirkt.

Dennoch weisen die Songs eine beträchtliche Vielfalt auf. Die Leadsingle „Rock & Roll Is Cold“ ist ein beschwingter Shuffle mit unbeschwertem Boogiepiano, in dem White uns Kritiker aufruft, nicht ewig nach den verborgenen Bedeutungen hinter der Musik zu suchen. Aber eben: „Everybody likes to talk shit“, weshalb ich mit meinen Ausführungen auch gerne fortfahre. Die Single ist leicht irreführend, ist sie doch neben “Feeling Good Is Good Enough” (“Hey Jude”-Coda inklusive) der einzig eher leichte Pop-Moment auf dem Album.

Es gibt hier etwa mild-verführerische Blue-Eyed-Soul-Dramen wie den Opener „Take Care My Baby“, unerhört leise Gospel-Balladen wie „Circle Round The Sun“, perkussiv-rockige Miniaturopern wie das mitreissende „Vision“ oder düsteren Progressiverock auf „Tranquillity“, eine verschlüsselte Ode an den verstorbenen Schauspieler Philip Seymour Hoffman. Und all diese unterschiedlichen Songs werden stets getragen von Whites weicher Stimme und den ausgefeilten Arrangements.

Die kompositorischen Künste erreichen ihre dramaturgischen Höhepunkte auf “Vision”, „Fruit Trees“ und „Golden Robes“. (Mindestens) in diesen drei Songs erreicht White das, was einem Kritiker dann wieder als übereuphorisches Gerede vorgeworfen wird. Dabei…! Sagt er es, das P-Wort? Er sagt es: (Mindestens) auf „Vision“, „Fruit Trees“ und „Golden Robes“ erreicht Matthew E. White als Komponist und Arrangeur Perfektion.

Der Künstler beweist selbst eindrücklich, dass der Approach, den er verfolgt, Früchte trägt: Nämlich Popmusik von klassisch ausgebildeten Musikern schreiben, arrangieren, spielen und singen zu lassen. Auch dass dies keinesfalls zu Lasten des Gefühls gehen muss, beweist “Fresh Blood”. Die Ahnengalerie dieser Musik zeigt zunächst sicherlich einmal Grössen des Souls – Marvin Gaye und Stevie Wonder etwa, die White in “Love Is Deep” auch persönlich anspricht (“Ain’t it so, Marvin? / Ain’t it so Stevland?” [Wonders Geburtsname]). Dann sind da sicher die Soul-Studiobands von Stax und Motown; es ist der Gospel, der dem praktizierenden Christen White, der aus einer Missionarsfamilie kommt, auch geläufig sein dürfte; es sind die Singer/Songwriter der Siebzigerjahre; es sind die klassischen Pop-Arrangeure à la Burt Bacharach; und so fort.

Letztlich aber ist es Matthew E. White. Eine einzigartige, aus der Zeit gefallene Stimme im Kosmos der gegenwärtigen Popmusik. Ein junger Mann, der Stil, Aufrichtigkeit und Ambition über das Kurzlebige, Schnellvergangene stellt, das an unserer Zeit so gerne beklagt wird. Ein talentierter Künstler, der sich das Attribut “Perfektion” verdient hat, weil er schon viel investiert hat, es zu erreichen.


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