Rezension | "Marienkäfertage" von Uticha Marmon

| Magellan | Hardcover | 224 Seiten | €14,95 | Amazon |

Endlose helle Tage, Sonnenlicht, das flirrend durch Baumkronen fällt, kaltes Seewasser und frische Zimtbrötchen – so war ihr Sommer, jedes Jahr. Jetzt sind das alles nur noch Erinnerungen an eine Zeit, als sie Elin und noch nicht Lykke war. Doch was heißt das überhaupt – Lykke sein? Und wie passt dieser fremde Junge in ihr neues Leben, Rasmus, der ihr Angst macht, den sie aber auch ein kleines bisschen mag? Während sie sich vorsichtig an ihre neuen Gewissheiten herantastet, erkennt sie eines: Das Glück ist vielleicht ein scheuer Gast, aber es liegt an uns, ob wir ihm die Tür öffnen.
Es sind die großen Geschichten, die uns unterhalten, aber es sind die kleinen Schicksale, die unter die Haut gehen. Und so ist auch "Marienkäfertage" eine kleine Geschichte mit einem großen Schicksal, dass eindringlich und mit leisen Tönen von Elins Geschichte erzählt. Elin, die eigentlich Lykke heißt, aber schließlich gar nicht mehr weiß, wer sie ist. Denn nach einer behüteten Kindheit erfährt sie in einem Brief, dass ihre Eltern gar nicht ihre (leiblichen) Eltern sind und plötzlich bricht ihre Marienkäferwelt in sich zusammen. In dem Marienkäferhaus in Dänemark, in dem sie viele Sommer mit ihrer Familie verbracht hat, versucht sie Klarheit in ihre Gefühlswelt zu bringen, doch ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Langsam kommt sie hinter das Geheimnis, das jeder kennt - nur sie nicht. Während der Ergründung dieses Geheimnisses setzt "Marienkäfertage" auf leise Töne, viele Gedankengänge und eine personale Erzählsituation, die die Lesefluss manchmal etwas schleppend wirken lässt. Eine Kombination, die eine melancholische Grundstimmung erzeugt, manchmal aber auch etwas zäh ist.

Ohnehin sind die leisen Töne in "Marienkäfertage" manchmal vielleicht etwas zu leise. Zu langsam geht die Geschichte voran, zu wenig erfährt man letztendlich wirklich. Die wichtigen Figuren laufen voreinanderweg und können nicht miteinander kommunizieren, obwohl der Leser die Zusammenhänge längst verinnerlicht hat, was teilweise eher anstrengend als tiefgehend ist. Sicherlich ist Elin/Lykke in einer schwierigen Situation und ihre Reaktionen und Gedanken sind größtenteils verständlich, doch auf den Leser wirkt das ständige Hin und Her ermüdend. Hat man als Leser eine Situation durchschaut und die Romanfiguren durchschauen sie erst am Ende, muss es zumindest andere Dinge geben, die den Leser bei der Stange halten, was in der Geschichte um Elin nicht unbedingt der Fall ist. Zwar glänzt das Buch durch eine wunderschön sommerliche und heimische Atmosphäre, die durch den Sprachgebrauch, Zimtbrötchen und Marienkäfer noch weiter verstärkt wird, doch ein Zimtbrötchen macht noch lange keine Geschichte und zwischen Rückblenden und Erinnerungen liest sich das Buch manchmal wie trockenes Brot.
Es hat einfach etwas gefehlt. So viele Dinge in "Marienkäfertage" haben mir gut gefallen - beispielsweise Knut, Elins Eltern oder das Haus in Dänemark, so viele Dinge, die der Geschichte Leben und Einzigartigkeit eingehaucht haben, aber letztendlich fokussiert sie sich doch zu sehr auf Elins Gedanken und kümmert sich weniger um Aussprachen oder die Verbindungen der Figuren zueinander. Ich hätte mir mehr Kontakt unter den Figuren gewünscht, mehr Beziehungen, die in der Gegenwart spielen und dem Buch mehr Wärme geben, am liebsten auch ein Gespräch zwischen Elin und ihren Eltern. Die Figuren bleiben ohne diese Kontakte weitesgehend distanziert und wirken etwas kalt. Es sind Romanfiguren, die nicht aus ihren Seiten können und das merkt man auch, selbst wenn die Atmosphäre schön und dicht ist.
Meistens ist weniger mehr, aber in manchen Fällen darf es auch gerne ein bisschen mehr sein. "Marienkäfertage" ist eine schöne und gleichzeitig sehr melancholische Geschichte über ein sensibles Thema, das an manchen Stellen zu wenig ausgearbeitet wurde. Mit (etwas zu) leisen Tönen und einem schönen, aber auch etwas zähen Erzählstil, erfährt der Leser über Elins Schicksal und viele ihrer Gedanken, in denen sie immer wieder abschweift, an Vergangenes denkt und nach und nach das Geheimnis ihres Lebens herausfindet. Neben Zimtbrötchen und Sommer voller Marienkäfer fehlen der Geschichte die Bindungen der Figuren untereinander, die dem Buch noch mehr Lebendigkeit hätten geben können. So ist "Marienkäfertage" sicherlich eine besondere und schöne Geschichte, die mich aber nicht völlig erreichen konnte und die auf dem Papier stattfindet - mehr nicht.


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