Klappentext:Seit dem Unfall, der Maud das Augenlicht gekostet hat, schottet sie sich völlig von der Außenwelt ab und verkriecht sich in ihrer neuen Dunkelheit. Nur Leander, den Maud bisher kaum beachtet hat, lässt sich nicht abwimmeln und lockt sie nach und nach aus ihrer Isolation: Ausflüge mit dem Tandem, Tischtennis nach Gehör, Kino ohne Bilder. Doch Maud ist nicht so einfach zu bezaubern, wie er vielleicht gehofft hat, und stößt ihn immer wieder von sich fort.
Die ersehnten Küsse muss sich Leander stehlen. Als Maud eines Tages verkündet, sie wolle ihn zwei Monate lang nicht sehen, hält Leander das nur für eine neue Prüfung für den Helden in der strahlenden Rüstung . . .
Es scheint doch immer wieder gefährlich, nach dem Lesen des Klappentextes, erste Erwartungen aufzustellen. So hatte ich bei Leander sieht Maud mit einer ganz zarten, unschuldigen Geschichte gerechnet, so weich und verträumt wie sein Cover. Doch was mich erwartete war hart und realistisch und somit keineswegs weich und warm. Als Maud ihr Augenlicht verliert, ist sie am Boden zerstört, will niemanden um sich haben, fühlt sich hilflos. Nur ihr Klassenkamerad Leander, mit dem sie sonst kaum etwas zu tun hatte, scheint sich noch für sie zu interessieren und besucht sie fast jeden Tag. Aber es ist nicht nur seine Hilfsbereitschaft, die ihn dazu bringt, sondern auch eine gnadenlose Verliebtheit, die er nur schwer unterdrücken kann.
Der Roman ist unterteilt in ein Vorher und ein Nachher. Bevor die beiden sich eine längere Zeit nicht treffen, ist die Geschichte recht pubertär und Leander nur sehr selten verständnisvoll. Mit einer inbrünstigen Naivität versucht er Maud zurück ins Leben zu holen, denkt sich aufmunternde Aktionen aus und will sie - egal wie - irgendwie für sich gewinnen. Ich würde diesen Teil als die anstrengendere erste Hälfte eines Berges bezeichnen. Eine erste Hälfte, in der man Leander gern schütteln und zur Vernunft bringen würde; in der man ab und an gerne seine Hormone ausstellen möchte, um ihm endlich einen klaren Blick zu verleihen. Doch Leander ist so sehr mit dem Strampeln beschäftigt, dass er vergisst, wofür (oder besser: für wen) er das alles eigentlich macht und so erreicht er die Spitze, ohne Maud wirklich geholfen zu haben.
Erst nach der "Sommerpause" zwischen den beiden, in der Leander reifer und geduldiger wird, beginnt die erleichternde, aber auch stürmische Abfahrt. Mauds Verzweiflung erreicht ihre vollen Ausmaße, Leander beginnt zu verstehen und endlich - nach einigen Monaten erst - entwickelt sich zwischen den beiden eine vorsichtige, aber authentische Liebe, deren Worten man gern lauscht. Zwar steuert man gemeinsam mit dem Pärchen langsam auf eine Katastrophe zu, doch Leander wäre nicht Leander, wenn er das nicht auch irgendwie wieder gerade biegen könnte...
Auch wenn mich die erste Hälfte des Buches zwischendurch wirklich aufgeregt hat - denn Leander war manchmal unerträglich - kann ich im Nachhinein trotzdem nur sagen, dass sich hinter Leander sieht Maud eine traurige, aber ebenso schöne Geschichte verbirgt. Es ist die zweite Hälfte, auf die man warten muss, doch dafür lohnt sie sich umso mehr und beweist wieder einmal, dass vorerst zögerliche Liebesgeschichte immer die besten bleiben.