|Rezension| "Ich würde dich so gerne küssen" von Patrycja Spychalski


 
Heute ist mein Geburtstag, der siebzehnte, und Maja hat mich mit ein paar Jungs von zu Hause abgeholt.
An ihrem siebzehnten Geburtstag lernt Frieda den unnahbaren und coolen Jeffer kennen, dem alle Mädchen ins ganz Berlin hinterherhecheln, doch Jeffer gibt sich gelassen, ganz der junge, rebellische Rocker. Trotz der vielen Warnungen davor, dass Jeffer ihr das Herz brechen könnte und den bösen Blicke der Mädchen, zieht Frieda zu Jeffer in die Wohnung, als ihre Eltern für drei Wochen verreisen. Dafür belügt sie nicht nur ihre Eltern und ihre beste Freundin, sondern schwänzt noch dazu die Schule, um endlich (wenn auch nur für kurze Zeit) in Freiheit leben zu können. In diesen drei Wochen lernt Frieda mehr über sich, die Musik, die Freundschaft, das Leben und die Liebe, als jemals zuvor und sie spürt die besondere Verbindung zwischen Jeffer und ihr - aber küssen will sie ihn trotzdem nicht, denn so ein Kuss kann eine ganze Menge ändern...
Der Schreibstil und die Atmosphäre in diesem Buch haben bei mir ganz starke 80er-Gefühle ausgelöst, was einerseits an der Lebensweise der Personen liegt, andererseits aber auch mit der Berliner Schnauze zu tun haben könnte, die hier ziemlich stark raushängt. Das Buch ist außerdem in diesem besonderen Stil geschrieben, der mir eben dieses achtziger Jahre Gefühl gibt - obwohl ich nicht einmal genau sagen könnte, woran das liegt, vielleicht einfach weil der Schreibstil wie einer der alten, großen Rockklassiker klingt. Insgesamt schreibe Spychalski flüssig, charmant und erfrischend direkt, was dazu führt, dass sich das Buch schnell lesen lässt und noch dazu nicht platt wirkt. Es ist sehr jugendlich und umgangssprachlich gehalten, da es aus der Sicht der siebzehnjährigen Frieda geschrieben ist.
Kennt ihr das, wenn ihr einen Klappentext lest und direkt glaubt, zu wissen, wie die Geschichte ausgehen wird? Und kennt ihr das auch, wenn ihr dann zu lesen beginnt und euch plötzlich wundert, dass es eben doch nicht so abgelaufen ist? Genau dieses Phänomen ist mir nämlich mit "Ich würde dich so gerne küssen" passiert, welches so anders war, als ich gedacht, ja sogar, als ich befürchtet
hatte. Manchmal reicht das allerdings auch nicht, um mich vollends zu überzeugen, denn obwohl die rockige Geschichte um Frieda und Jeffer in eine ganz andere Richtung verlief, als ich dachte, und ich viel Spaß mit dem Buch hatte, hat es mich irgendwie nicht komplett erreichen können. Warum das so ist?
Vielleicht weil "Ich würde dich so gerne küssen" eben gerade so undurchsichtig ist und es irgendwie auch bis zum Ende bleibt. Obwohl vieles aufgeklärt und erklärt wird, hatte ich am Ende nicht das Gefühl, wirklich hinter die Figuren geblickt zu haben. Trotz der Versuche in die Tiefe zu gehen, blieb die Geschichte mir zu sehr an der Oberfläche, wohin sie nach einigen mehr oder weniger geglückten Tauchversuchen immer wieder zurückkehrte. Irgendwie war es ein ständiges Hin und Her, wenn auch auf eine so andersartige Art und Weise, denn die Geschichte ist gar nicht mal so leicht erzählt. Es ist keine klassische Liebesgeschichte, viel mehr ist es eine Anti-Liebesgeschichte, die eben irgendwie doch eine ist - schwer zu beschreiben!
 Jedenfalls fing das Problem bei mir vor allen Dingen bei der Protagonistin Frieda an, von der ich erst dachte, sie wäre das typische Spaßbremsenmädchen, dass sich von ihrer besten Freundin ein wenig unterdrücken lässt und ein wenig ist es auch so, aber eben nicht ganz. Schließlich ist Frieda mehr, als sie sich selbst eingesteht. Trotz ihren eher schlechten Eigenschaften (mit siebzehn derart viel zu rauchen, ist nicht unbedingt eine gute Entscheidung!), beweist sie mehr als einmal eine Reife, die ich ihr nicht zugetraut hätte, was sie dann wiederum wieder sympathisch und interessant macht. Allerdings ist sie ein einziges "Vielleicht" und weiß den Großteil der Geschichte eigentlich selbst gar nicht, was sie will - zugegeben: das kann ganz schön nerven, aber irgendwie ist es auch so typisch jugendhaft, dass es wieder glaubwürdig war.
Diese Zerrissenheit ist teils einfach nicht verständlich - einerseits ist sie eher der schüchterne Typ, findet sich selbst nicht besonders schön und geht nicht allzu gerne unter Leute, andererseits schwänzt sie ohne richtigen Grund drei Wochen die Schule und tanzt auf jeder Party, als könnte es ihre letzte sein, was ich manchmal einfach nicht wirklich nachvollziehen konnte. Auch die anderen Figuren sind größtenteils ziemlich undurchschaubar, wenn auch dreidimensional und interessant. Jeffer geht da in dieselbe Richtung wie Frieda, denn auch er scheint irgendwie nie Tacheles reden zu können, obwohl er sonst ein so tougher und begehrter junger Mann ist. Warum interessiert er sich ausgerechnet für Frieda so sehr und das direkt nach dem ersten Treffen, bei dem nicht viele Worte zwischen den beiden gefallen sind? Das kam für mich bis zum Ende nur sehr kläglich raus.
Eine der größten Stärken des Buches sind aber die personenbezogenen Problemthemen, die angesprochen und behandelt werden, wie beispielsweise Einsamkeit, Depressionen, Selbstfindung und das typische nicht-alt-werden-wollen. Allerdings wird ziemlich wenig aufgelöst, am Ende scheint alles zu bleiben, wie es immer war und auch wenn das im echten Leben meist nicht anders ist, hätte ich mir ein bisschen mehr gewünscht. Die zweite größte Stärke ist der untypische Handlungsverlauf, der dem Buch so einige Extrapunkte gewährleistet hat, denn es kommt nichts so, wie man es erwartet hätte. Ich hoffe, dass dieses Schema im zweiten Band nicht gebrochen wird, auch wenn man merkt, dass die Geschichte zwischen Jeffer und Frieda noch nicht wirklich geklärt und zu Ende ist. Ansonsten gefiel mir die sommerliche und berlinerische Atmosphäre und die Tatsache, dass das Leben eines "Teenagers" (da würde Frieda jetzt an ihre Mutter denken!) mal nicht ganz so unrealistisch dargestellt wird, wie es in vielen anderen Büchern der Fall ist.
Ich würde dieses Buch so gerne noch lieber mögen, denn trotzdessen, dass ich meinen Spaß mit der wilden, rockigen Geschichte hatte - der Funke ist nicht hundertprozentig übergesprungen. Zwar erzählt Spychalski eine interessante und schubladenlose Geschichte, die gänzlich ohne das typische Jugendbuchschema auskommt (dickes + an dieser Stelle!), doch trotzdem fehlt es der Geschichte  teils an Verständnis und Glaubwürdigkeit. In diesem Punkt bin ich einfach hin- und hergerissen, weil ich einerseits diese besondere Atmosphäre sehr mochte, andererseits die Figuren aber nicht immer verstehen konnte. Hier gilt: Selber herausfinden! Schließlich gefiel mir das Buch als leichte (und manchmal eben doch nicht so leichte) und nachdenkliche Sommergeschichte, die mit "Der eine Kuss von dir" fortgesetzt wird und da hoffentlich nicht doch noch diesem bestimmtem Schema verfällt.

Patrycja Spychalski, geboren 1979 in Starogard, Polen, zog im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern nach Berlin. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Schauspielausbildung, wandte sich dann aber einem ganz anderen Bereich zu: Seit 2002 arbeitet sie in vielfältigen sozial-kulturellen Projekten mit Kindern und Jugendlichen. Sie schrieb schon mehrere Kurzgeschichten für Anthologien, bevor sie ihren ersten Roman „Ich würde dich so gerne küssen“ verfasste. Ihre große Liebe gilt der Rockmusik - selbstverständlich neben ihrem Freund, ihrem kleinen Sohn Juri und ihren beiden neurotischen Katzen, mit denen sie in Berlin lebt. [via RandomHouse]
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