|Rezension| "Das Meer, in dem ich schwimmen lernte" von Franziska Fischer


Niemand hört das leise Knallen, mit dem der Korken in meine Hand gleitet.
Die zwanzigjährige Studentin Ronja  hält es in ihrem Leben nicht mehr aus. Sie weiß nicht, welchen Weg sie gehen will und wo sie am Ende landet, außerdem ist sie eher der introvertierte Typ, trotzdem begibt sie sich ganz allein auf eine besondere Reise durch Mexiko - einem Land, in dem ihr alles fremd ist: Die Kultur, das Essen, die Sprache, die Menschen. Ronja lässt sich treiben von dem so völlig anderen Leben der Mexikaner, lernt Einheimische und andere Backpacker kennen bis sie schließlich zufällig in einem kleinen Ort fernab der Touristenpfade landet und dort auf den Schmuckkünstler Ismael trifft, der nie lange an einem Ort bleibt und in einem kleinen Bus lebt. Gemeinsam mit ihm besucht sie die schönsten Flecken Mexikos und es entsteht eine besondere Liebe unter dem mexikanischen Himmel. Doch mit jedem Tag rückt Ronjas Abreise näher und schon bald wird ihre Liebe auf die Probe gestellt...
Franziska Fischer malt mit ihren Worten Bilder an die weißen Wände meines Zimmers, taucht ihren Wörterpinsel in die schönsten und sanftesten Farben und der Schreibstil scheint in dicken Klecksen Poesie auf das Papier zu tropfen, denn "Das Meer, in dem ich schwimmen lernte" ist mit unverkennbar leisen und sanften Tönen erzählt. Zugegeben gewöhnungsbedürftig ist der Schreibstil auf den ersten Seiten schon, denn die Autorin hat eine sehr eigene Art zu schreiben. Wirkte der Stil anfangs noch schleppend und etwas träge, so hüllte er mich später in eine ganz besondere Atmosphäre ein. Detailliert wird die mexikanische Kultur und Landschaft beschrieben, sodass man sich beinahe fühlt, als wäre man selbst dort, könnte von dem Essen kosten und die Hitze auf der Haut spüren - allerdings nie langatmig, das Problem ist nur, dass man manchmal ein bisschen über Sätze stolpert, die etwas umständlicher formuliert sind, was mich aber nicht wirklich störte, weil ich den Stil insgesamt einfach wunderschön fand. Die Autorin überträgt eine ganz bestimmte sommerliche Melancholie mit ihren Worten, die man als Leser mit jeder Faser spüren kann und die sich anfühlt wie ein Hitzefilm auf der Haut oder eine saftige Frucht zwischen den Zähnen.
Wer träumt nicht manchmal davon, einfach wegzugehen und die weite Welt zu erkunden? Wer denkt nicht manchmal daran, einfach die Koffer zu packen und sich selbst zu finden, irgendwo auf den verschlungenen Pfaden dieser Welt? So viele Menschen träumen von Freiheit und einer alles verändernden Reise, aber nur so wenige setzen dies auch wirklich in der Realität um. Ronja jedenfalls ist eine der Personen, die es eben doch umsetzen, obwohl sie eigentlich gar nicht der Typ für eine solche Reise ist. Trotzdem streift sie gemeinsam mit dem Leser durch ein ihr fremdes Land und nimmt uns mit auf einen Road Trip der ganz besonderen Art, auf dem sie nicht nur sich selbst und einen Weg findet, sondern auch die Liebe, Freundschaften, ganz viel Herz und Menschlichkeit.
Ich weiß nicht genau, was es ist, was diese Geschichte so besonders machte. Im Grunde gibt es weder eine prägnante Spannung, noch einen Plot, der einem roten Faden folgt. Viel mehr hat man die ganze Zeit über das Gefühl, sich ebenso treiben lassen zu können, wie die Protagonistin selbst, man weiß nie, was als nächstes geschieht, weil eben einfach alles geschehen könnte. Vielleicht ist es diese Unvorhersehbarkeit, die eine unterschwellige Spannung erzeugte, als wäre man selbst auf Reisen, jeder Tag ist anders und doch irgendwie gleich und an jedem Tag lernt man etwas neues kennen - auch von sich selbst. Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass Protagonistin Ronja in keine Schublade zu passen scheint und gerade durch ihre introvertierte und nachdenkliche Art gar nicht richtig zu der Geschichte passen will - und trotzdem könnte ich mir keine andere Protagonistin vorstellen.
Ja, vielleicht ist es gerade diese "nicht-passen-wollen", was der Realität im Grunde so viel mehr entspricht, als immer dieselbe klischeebelastete Leier. Das Buch folgt keinen altbekannten Mustern, sondern findet immer seinen eigenen Weg, was es zu einer ganz eigenen Geschichte machte, die einem im Gedächtnis bleibt und tief unter die Haut geht. Auch die Liebesgeschichte ist von dieser Art - leise, ein wenig melancholisch, bedarf nur weniger Worte und trifft dennoch genau da, wo sie treffen soll. Sie entwickelt sich nur langsam, bleibt verständlich und wirkt liebevoll ausgearbeitet; ebenso wie die Figuren, die allesamt glaubwürdig und dreidimensional gezeichnet sind. Allen voran Protagonistin Ronja, die zwar nicht viel sagt, dafür aber umso mehr denkt und eine sehr reflektierende Persönlichkeit darstellt, die einem direkt sympathisch ist.
Doch auch Ismael hatte seinen ganz eigenen Charakter, auch wenn er sehr undurchsichtig blieb. Manchmal hätte man gern noch mehr von ihm erfahren, aber das, was man weiß, reicht, um ihn sympathisch und interessant zu finden. Dasselbe gilt für die Nebenfiguren, wie Julia, Helen, Norma und co. - man erfährt einiges von ihnen, aber es scheint nicht genug zu sein. Die Geschichte ist, gerade, was die Figuren betrifft sehr tiefgründig und beschäftigt sich teilweise auch mit Einzelschicksalen, die näher beleuchtet werden. So spielen auch Themen wie Krankheiten, Verlust und Armut tragende Rollen, die die Geschichte glaubwürdiger wirken lässt. Besonders berührend empfand ich auch die Hunde Nemi und Negro, die Ronja und Ismael im Laufe der Geschichte mit auf ihre Reise nehmen und die der Geschichte diese liebevolle Wärme verpasst haben.
Mexiko als Setting ist ebenfalls ein besonderes Erlebnis und fühlte sich stellenweise wie Urlaub an. Man wird an eigene Reisen erinnert, auch wenn sie nicht in Mexiko waren und erlebt diese eigene Atmosphäre und Kultur so glaubwürdig und selbstverständlich, dass die Geschichte so wirkt, als könne sie sich wirklich so abgespielt haben. Es ist besonders schön, wie auch traditionelle Gerichte, Getränke und Legende in die Geschichte gewebt werden und am Ende ein kleines Glossar ist, in dem Worte und Speisen erklärt werden. Man bekommt das Bedürfnis von all dem kosten zu wollen, nicht nur das Essen, sondern auch die Worte auszusprechen und allein an diesen realistischen Beschreibungen merkt man, dass die Autorin selbst schon öfter in Mexiko war.
"Das Meer, in dem schwimmen lernte" könnte das Buch sein, in dem ihr Mexiko und seine Kultur kennenlernt, es könnte das Buch sein, dass euch mit auf einen besonderen Road Trip, auf eine alles verändernde Reise nimmt. Was dieses Buch aber auf jeden Fall ist: Eine besondere Geschichte mit sanften, leisen Tönen und einer leicht melancholischen Atmosphäre, die poetisch und malerisch von Ronja erzählt, die sich und die Liebe findet und dabei eine ihr völlig neue Kultur kennenlernt. Diese Reise einmal quer durch Mexiko und durch ein Buchstabenparadies hat mich tief berührt und mir viel Spaß gemacht. Mit interessanten, dreidimensionalen Figuren und einer Realitätsnähe, wie man sie nur selten findet, ist "Das Meer, in dem ich schwimmen lernte" ein Buch, dass ich jedem ans Herz legen möchte, der die Schönheit eines Landes zu schätzen weiß, mit Poesie und Melancholie etwas anfangen kann und mal wieder mit dem Buchstabenexpress zu einem besonderen Road Trip antreten will.
 
Franziska Fischer wurde 1983 in Berlin geboren. Sie studierte Spanische Philologie und Germanistik an der Universität Potsdam und arbeitet als freie Lektorin und Autorin. Einige Reisen nach Mittelamerika und Mexiko haben sie zu ihrem Debütroman „Das Meer, in dem ich schwimmen lernte“ inspiriert. Derzeit lebt sie in Berlin. [via Schwarzkopf & Schwarzkopf]
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Für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanke ich mich sehr herzlich bei Franziska Fischer

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