Cover by Südwest-Verlag
Wer hier ab und zu mitliest, dem ist sicherlich schon aufgefallen, dass ich (unter anderem) eine Schwäche für die orientalische Küche habe. Nachdem mich ja Silvena Rowes “Orient Express” so begeistert hat, war ich gespannt auf Haya Molchos “Balagan” und habe mich deshalb gefreut, dass mir der Südwest-Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Haya Molcho ist in Israel geboren, in Deutschland aufgewachsen und lebt heute in Wien, wo sie die orientalisch-mediterran orientierten “Neni”-Restaurants betreibt. Restauranteröffnungen in Deutschland sind für dieses Jahr geplant. Verheiratet ist Haya Molcho mit dem Pantomimen Samy Molcho. Sie hat ihn auf seinen Tourneen begleitet und dabei international die verschiedensten Küchen kennengelernt. “Balagan” ist bereits ihr drittes Kochbuch.
“Balagan” ist der jiddische Ausdruck für “absolutes Chaos” – aber im positiven Sinne als Ausdrucksfreiheit des Menschen. Und in diesem Sinne bietet Haya Molcho mit diesem Buch ein buntes Potpourri an Gerichten auf, das zum Variieren und Kombinieren in der Küche anregen soll. Für die Produktion des Buches ist sie nach Marokko gereist und hat sieben Tage lang mit Familie und Freunden gekocht.
Das großformatige Buch ist wunderschön gestaltet. Jedem Kapitel sind zunächst Fotoserien der Speisen vorangestellt. Die Fotos sind einfach nur schön und strahlen Energie und Lebensfreude aus. Danach kommt der Rezeptteil und schließlich noch eine Seite mit Platz für Notizen. Die Rezepte sind nicht nach der Menufolge geordnet, sondern nach Themen. Am ersten Tag gibt es Frühstück mit der Familie. Aufgetischt werden Leckereien wie Shakshouka, Orangen-Mandel-Kuchen oder asiatische Maispuffer. Der zweite Tag steht unter dem Motto “Salzig”. Es gibt hier Labane, das köstliche abgetropfte Joghurt, Artischockensuppe mit Salzzitrone oder Knoblauchkonfit. Am dritten Tag essen wir Mezze und Süßes: verschiedene Dips, Salate, Shakes und Torte. Der vierte Tag steht im Zeichen des Salates. Am fünftem Tag sitzen wir am Feuer und bereiten Tajines oder Gegrilltes zu. Es gibt Hühnchentajine, Zucchinikebap und eine originelle Version des berühmten “Gefillte Fisch”. Am sechsten Tag kocht Haya Molcho mit ihren Söhnen Nuriel und Nadi. Backkartoffeln mit Raucharoma gibt es da zum Beispiel, oder auch Hühnerbollitos mit Granatapfel. Am letzten Tag geht es um Snacks – verschiedenen Sorten von Falafel, geröstete Nüsse, die legendäre Limonana – eben eine Stärkung für zwischendurch. Die Rezepte sind orientalisch-mediterran gehalten – und manchmal mit österreichischem Touch. Immer wieder sind Küchentipps, kleine Geschichten oder persönliche Notizen der Autorin eingestreut – es macht Spaß, in diesem Buch zu lesen. Wer etwas Bestimmtes sucht, findet ein Rezeptverzeichnis vor und ein Inhaltsverzeichnis nach Rezeptgruppen.
Jedes Rezept ist mit einem QR-Code versehen. Dieser führt zu einer Einkaufsliste; man kann dabei Zutaten abhaken und individuell verschieben.
Nach der Optik kommen die Rezepte. Wenn ich ein Kochbuch zur Verfügung gestellt bekomme, koche ich meist fleißig. Und ich halte mich sklavisch an die Rezepte. Das fällt mir noch gar nicht mal leicht, denn normalerweise tue ich das nicht. Aber ich finde, die Rezepte sind das Herzstück eines Buches, und ob sie funktionieren, kann man nur feststellen, wenn man sie genau nachkocht. Und hier sind sie leider durchwachsen. Längst nicht jedes Rezept in diesem schönen Buch funktioniert; hier wäre etwas mehr Sorgfalt durchaus gut gewesen. Manchmal sind außerdem die Mengenangaben ungenau, oder Arbeitsschritte werden ausgelassen. Auch einige Küchentipps fand ich merkwürdig: um die Temperatur von Fritieröl zu prüfen, wird geraten, die Oberfläche (des heißen Öls) mit Wasser zu benetzen. Hier habe ich auf einen Selbstversuch verzichtet. Rote Bete werden erst geschält, dann gekocht.
Als erstes haben mich die jemenitischen Pfannkuchen, Pfannkuchen aus einem Hefeteig, die an der Oberfläche eine schöne Wabenstruktur haben, angesprochen. Der erste Versuch genau nach Rezept hat gar nicht funktioniert. Es war viel zu wenig Flüssigkeit im Teig. Ich hätte alles ausrollen und in die Pfanne legen können, aber niemals konnte der Teig in die Pfanne gegossen werden, so wie es im Rezept stand. Beim zweiten Versuch habe ich die Flüssigkeitsmenge verdoppelt, aber nach der Gehzeit war der im Teig enthaltene Grieß aufgequollen und der Teig war wieder viel zu dick. Meine nächsten jemenitischen Pfannkuchen werde ich wohl nach einem anderen Rezept zubereiten.
Dann kam die Artischocken mit Salzzitrone dran. Laut Rezept sollte man eine ganze Salzzitrone für die Suppe verwenden – mit der Folge, dass die Suppe nur noch nach der Zitrone schmeckte, von Artischocke keine Spur mehr. Überhaupt ist der Umgang mit diesem Würzmittel, das ich wirklich liebe, überall mehr als großzügig. So werden für ein Hühnchen ganze vier von den Zitronen verwendet.
Nach diesen beiden Fehlversuchen habe ich mich den nächsten Rezepten mit einem leichten innerlichen Grummeln zugewendet.
Der rote und der grüne Falafel kamen dran. Die Falafel bestehen aus einer Grundmasse von Kichererbsen und roten Linsen, roten Paprika und roten Chilis bzw. grünen getrockneten Erbsen, grünen Paprika und grünen Chilis. Die Rezepte haben funktioniert und die Falafel haben geschmeckt. Farblich waren sie schön anzusehen, geschmacklich waren aber keine großen Unterschiede zwischen den beiden Sorten zu bemerken.
Zu den Falafel habe ich Masala-Kartoffelwürfel auf den Tisch gestellt: Kartoffelwürfel, mit indisch angehauchter Gewürzmischung im Ofen gebacken. Außen knusprig, innen cremig und von schöner Würze – wunderbar.
Auch die Spinat-Hummus-Laibchen mit einer Basis aus Kichererbsen waren wunderbar. Das Rezept erforderte Denkarbeit: zwei Dosen Kichererbsen sollte man verwenden – große Dosen? Kleine Dosen? Ich habe getrocknete Kichererbsen eingeweicht und mir die benötigte Menge selbst ausgedacht.
Schließlich gab es noch die Zucchini-Kebaps und dazu Mejadra mit Grünkern. Die Kebaps haben klasse geschmeckt; allerdings habe ich die Mengen stark verkleinert, da wir sonst noch den Rest des Jahres daran essen würden. Mejadra ist der klassische Linsen-Reis, der hier mit Grünkern statt Reis zubereitet wird. Auch der kam gut an.
Mein Fazit? Das Buch ist wunderbar gestaltet. Auch dahinterstehende Konzept – Kochen und Essen und dabei das Leben feiern – gefällt mir mehr als gut. Und Haya Molcho mit ihrer Lebensfreude und ihrer überschäumenden Energie ist mir unglaublich sympathisch. Um so mehr finde ich es schade, dass auf den Rezeptteil nicht mehr Mühe verwendet wurde. Ich werde das Buch sicher immer wieder mal aus dem Regal ziehen, mich insprieren lassen und die lebensfrohe Atmosphäre geniessen, die aus den Seiten quillt. An die Rezepte halten werde ich mich eher nicht….
Das Buch kann man hier direkt beim Verlag bestellen; auf der Seite kann man auch gleich einen Vorab-Blick in das Buch werfen.