Rezension: Erwachsenensprache (Robert Pfaller)

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Haben Sie sich auch schon einmal über Triggerwarnungen oder Hinweise auf explizite Sprache gewundert? Der Philosoph Robert Pfaller hat Gründe dafür gefunden, weshalb die Erwachsenensprache aus unserem Leben verschwindet. Und deren Absurdität in einem treffend präzise geschriebenen Buch vorgeführt.

Adult Language im Flugzeug

Alles begann in einem Flugzeug: Autor und Philosoph Robert Pfaller wollte sich Michael Hanekes Film Amour ansehen. Doch bevor das In-Flight-Entertainment startet, bekommt Pfaller eine Warnung auf den Bildschirm: Im Film werde adult language verwendet. Irritiert von diesem Hinweis war er angespornt, diesem bizarren Phänomen auf den Grund zu gehen.

In Erwachsenensprache setzt er sich daher mit der Infantilisierung und Entmündigung von Erwachsenen mittels Sprache auseinander. Gemeint sind unter anderem Gender-Wortkonstruktionen und andere Vorgehen im Namen der sogenannten political correctness.

In ihr sieht Pfaller keine Solidarisierung der Gesellschaft mit Minderheiten oder Unterdrückten, sondern ganz im Gegenteil eine Spaltung von Gruppen und die Abschaffung sachlicher Diskurse in der Öffentlichkeit.

Pfaller zufolge leben wir in einem Zeitalter der Empörung, in der das Empört-Sein und das sich anschließende Herumdoktern an der Sprache, um die Empörten milde zu stimmen, genau in die falsche Richtung geht.

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Und empört wird sich über vieles: über Zigarettenqualm in der Kneipe oder über eine freche Bemerkung. Pfaller vertritt hierbei die Auffassung, dass ein erwachsener Mensch mit solcherlei Querelen fertig werden muss. Doch stattdessen suchen Gremien und Politiker in der Sprache und nicht in der Autonomie des Individuums eine Möglichkeit, der Empörung zu begegnen.

Mit dem Ergebnis, dass die wesentlichen Probleme einer neolibaren, globalisierten Welt und ihren sozialen Spannungen nicht erkannt, geschweige denn ausreichend angegangen werden. Die Folge davon ist eine Schonhaltung, der erwachsene Mensch wird wie ein Kind behandelt, was seine Potenziale nicht fördert, sondern diese einschränkt.

So hinterfragt Pfaller trigger warnings, wie sie von Studenten in Bezug auf Lehrmaterial vehement eingefordert werden. Doch auch er selbst erlebte die Absurdität vermeintlich antirassistischer Bildungspolitik: An einer Universität in Chicago wurde er vor seiner Tätigkeit nach seiner „Rasse“ gefragt. Die abstruse Begründung: Man wolle Mitarbeiter mit einer Einteilung in caucasian, hispanic usw. vor Rassismus bewahren.

Vom Sprachirrsinn zurück zu einer echten Solidarisierung

Pfaller zufolge verkennt die Sezierung und Neuverwürfelung der Sprache, dass der wichtigste Ort einer Gesellschaft der öffentliche Raum ist, in dem Diskussionen eben und gerade unabhängig von Geschlecht, Rasse, sexuellen Präferenzen etc. stattfinden müssen.

Wenn sich Menschen aber mit einem oder mehreren dieser Faktoren identifizieren, bedeutet dies zugleich eine Abspaltung von anderen Personen. Die Ebene der Gleichberechtigung, eben weil es um die Sache und nicht um indivudelle Befindlichkeiten geht, verschwindet damit.

Wer sich trotz einiger Unterschiede nicht für einen höheren Zweck solidarisieren kann, der kann sich auch nicht organisiert wehren: gegen Ausbeutung, Diskriminierung und andere Benachteiligungen. Die Fehler, und das zeigt Pfaller eindrücklich in Erwachsenensprache, sind also nicht in Sätzen, Wörtern oder Deklinationen zu suchen. Sondern in der Entmündigung und Spaltung durch genau diese von außen aufgezwungene Sprachvorgaben.

Bleibt zu hoffen, dass Robert Pfaller Amour bald wieder ohne trigger warning im Flugzeug sehen kann. Und dass noch mehr Menschen durch dieses kluge Buch die hinter den Sprachschraubereien stehende Politik der Ungleichheit erkennen.

PFALLER, ROBERT: Erwachsenensprache. Fischer Verlage, Frankfurt am Main 2017, 256 S., 14,99 €

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