Rezension: Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Rezension: Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Roman von Jonas Jonasson
carl's books * 416 Seiten * 14,99 €
Auf Amazon

Allan Karlsson wird 100-Jahre alt. Doch statt an der für ihn organisierten Feier im Altersheim teilzunehmen, klettert er in "Pisspantoffeln" aus dem Fenster, trampelt die Blümchen nieder und verschwindet. Im nahegelegenen Reisezentrum will er eine Möglichkeit finden, aus Malmköping fort zu kommen. Dort trifft er auch auf einen zwielichtigen Typen, der einen Koffer bei sich hat. Als der Kerl, auf dessen Jacke "Never Again" steht, auf Toilette muss, schnappt sich Allan den Koffer und verschwindet. Man kann ja womöglich gebrauchen , was da drin ist: vielleicht ein Hemd oder neue Schuhe?! Er kommt nicht weit mit seinen 50 Kronen, so landet er ganz zufällig an einem alten Bahnhof. Dort wohnt Julius. Auch ein Greis wie Allan selbst... wobei. 70 klingt ja eigentlich noch recht jung wenn man selbst 100 ist. Aber egal. Die beiden finden heraus, dass sich in dem Koffer ein ordentlicher Batzen (Drogen-)Geld befindet. Dementsprechend sind den beiden "Jungs" nun auch die Mitglieder von Never Again auf den Fersen.

Auf ihrer Flucht begegnen die beiden Herren einer schönen Frau, einem Dauerstudenten mit Imbissbude, einem Bibelverkäufer, einem Elefanten, und ach so vielen Dingen mehr. Aber der Leser selbst begegnet zudem noch Allans Lebensgeschichte, denn die wird immer wieder eingestreut. Und hier erleben wir ganz Unglaubliches: Wir essen zu Abend mit Persönlichkeiten wie Truman, Stalin, Mao Tse Tung. Wir helfen maßgeblich beim Bau der Atombombe für Amerika, dann für Russland. Auch im spanischen Bürgerkrieg kämpfen wir gemeinsam mit Allan für beide Seiten. Der Herr ist viel herum gekommen, bis er letztlich an seinem 100. Geburtstag einfach so aus dem Fenster steigt.

"Es ist wie es ist und es kommt wie es kommt"

"Wenn ein Elefant sich erleichtert, geht das selten spurlos an demjenigen vorbei, der sich in der Nähe aufhält."

"Wahrscheinlich galt sie nicht mal als Schwedin, und in Schweden war man ja - wie in den meisten Ländern - nicht besonders viel wert, wenn man Ausländer war."

"[...]aber nichts währt ewig, höchstens die allgemeine menschliche Dummheit."

Rezension: Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Auf dem Grabstein meiner eigenen Uroma steht geschrieben "1910-2010" - eine Hundertjährige kannte ich also wahrlich, auch wenn die nicht mehr ganz so rüstig war wie Allan Emmanuel Karlsson. Manchmal erinnerte mich der nie verlegene Schwede dennoch an meine Oma, denn sie sind beide doch recht kauzig gewesen.

Die Geschichte, die sich Jonas Jonasson hier ausdenkt, ist - in einem Wort - herzerwärmend. Anders kann ich es kaum ausdrücken. Die Sprache, der sich Jonasson bedient, ist charmant und witzig, manchmal sogar , jedoch wohldosiert, plump und damit umso greifbarer. Wir begleiten einen alten Herren, der über sein Leben resümiert und einen letzten großen Coup startet und dabei Freunden für den Rest seines Lebens begegnet. Jonas Jonasson weiß dies geschickt in seiner ganz eigenen, liebenswürdigen, witzigen, sympatischen Sprache zu schildern. Nicht selten saß ich mit einem Grinsen im Gesicht da, verkniff mir ein lautes Auflachen in der Bahn oder freute mich einfach. Die Tatsache, dass Allan dann auch noch echten historischen Persönlichkeiten unter die Arme greift - zum Schießen! Allan selbst ist zudem ein wirklich sympathischer Protagonist, den man sich selbst gern als Opa wünscht. Besonders schön fand ich es auch, dass ich die Flucht der Freunde nachvollziehen konnte und dadurch gleich Kindheitserinnerungen wach wurden: die Gegend, durch die Allan & co fliehen, habe ich bereits live gesehen. Die Städte selbst bereits besucht. Wenn also von Växjö, Tranås und co die Rede ist, bin ich in Gedanken vor Ort.

Jedermanns Sache ist dieser Roman sicher nicht. Jonasson überspitzt schon arg die Historie, wenn Allan mit Stalin Abend isst und der junge Kim Jong sich auf Allans Schoß die Augen ausheult, weil Onkel Stalin tot ist. Für mich war aber gerade das ein weiterer Grund, das Buch zu lieben. Ich habe mich (im Übrigen) darüber hinaus mit den Personen beschäftigt und die Realität mit dem Buch abgeglichen, sodass ich gleich noch ein bisschen für mein Allgemeinwissen getan hab.

Von mir hat der Roman definitiv alle Punkte verdient! Selten ist mir bei einem Roman so wohlig ums Herz geworden. Und damit meine Schwedischkurse nicht ganz umsonst waren:

tack så mycket, Jonas Jonasson!

Rezension: Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand


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