[Rezension] Das Vermächtnis der Grimms | Nicole Böhm

[Rezension] Das Vermächtnis der Grimms | Nicole Böhm

Titel: Das Vermächtnis der Grimms – Wer hat Angst vorm bösen Wolf? (Teil 1)

Autorin: Nicole Böhm

Format: Klappbroschur

Preis: 14,90 €

Seitenzahl: 485 Seiten

Verlag: Drachenmond Verlag

ISBN: 978-3-95997-831-2

Bewertung: 2 Sterne

Inhalt 

Für Kristin Collins war das Leben immer etwas schwerer. Sie hat eine besondere Gabe, denn sie kann aus einem Text die Wahrheit herauslesen. Liest sie etwas, dann weiß sie wie ehrlich oder unehrlich dieser Text ist. Liest sie einen Roman, wird sie direkt in die Geschichte hineingezogen und erlebt alles intensiv. Was wie eine unglaublich tolle Begabung klingt, bringt aber viele Schattenseiten mit sich. Deshalb bleibt Kris lieber für sich. Bis ihr Bruder Brayden, der beim FBI arbeitet, ihre Hilfe braucht und sie in eine Special Task Force hineingerät, die den sogenannten Grimm jagt. Ein wolfsartiges Wesen, das durch die Märchen der Brüder Grimm in die Welt der Menschen gelangt und Wahnvorstellungen verursacht.
Doch je tiefer Kris in diese Welt voller Märchen abtaucht, desto schwieriger wird es für sie zu unterscheiden, was Realität und was Fantasie ist, bis die Gefahr direkt vor ihr steht.


Auf der Frankfurter Buchmesse 2019 habe ich gemeinsam mit einer Freundin „Das Vermächtnis der Grimms“ gekauft und direkt von der Autorin signieren lassen. Ich bin unglaublich gespannt auf die Geschichte gewesen, denn ich liebe Märchen schon seit meiner frühesten Kindheit. Ich bin mit den Erzählungen der Gebrüder Grimm aufgewachsen und kann jetzt noch unzählige davon auswendig erzählen. Aus diesem Grund hat mich überhaupt erst der Titel richtig angesprochen: ein schreckliches Wesen, das aus der Märchenwelt heraustritt und die Menschen in einen unvorstellbaren Wahn treibt? Einfach Großartig. Doch leider konnte das Buch mich so gar nicht überzeugen.

Der Anfang war recht vielversprechend. Ich mag die Erzählweise der Autorin recht gerne, kenne ihren Schreibstil vor allem durch die Seelenwächter. Der Schreibstil kommt ohne großen Schnickschnack aus und lässt sich unglaublich schnell und leicht lesen. So kommt man auch sehr gut durch die Geschichte durch, ohne dass es allzu anstrengend wird. Ich bin recht gut mit Kristin warm geworden. Sie hat eine etwas eigentümliche, eigenbrötlerische Art, die mit viel Sarkasmus auskommt. Das ist mir immer sehr sympathisch, denn es bringt viel Witz in die Kommunikation zwischen den Charakteren. Kris ist sehr mutig, selbstständig und weiß sich zu wehren. Allerding ist sie eigentlich immer allein, hat keine Freunde oder auch nur nähere Bekannte. Die einzige Bezugsperson ist ihr Bruder Brayden, der allerdings beim FBI arbeitet und deshalb sehen sie sich nur selten. Kris hat keine feste Arbeit, ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal ob sie überhaupt einen Schulabschluss hat. Ihr ist nicht klar, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte und für mich hat sich recht schnell die Frage gestellt: woher nimmt sie ihr Geld? Sie arbeitet nicht regelmäßig, sie hat wohl keine Ausbildung gemacht oder sonstige Verdienste aber sie kann sich eine mehrmonatige Reise nach und durch Neuseeland leisten? Irgendwie, naja, unglaubwürdig und weit hergeholt. Ich konnte auch die als sehr gut und eng beschriebene Beziehung zwischen Brayden und Kris nicht so richtig nachvollziehen. Während der Geschichte sehen sich die beiden kaum und wenn, dann unterhalten sie sich zwar, aber sehr distanziert. Es passt für mich einfach nicht so richtig zusammen. Doch das sind letztlich nur kleine Punkte, die mich stutzig gemacht haben. Es gibt, leider, noch viel mehr, das ich als viel gravierender empfunden habe.

Die Handlung spielt teilweise im 14. Jahrhundert. Grundsätzlich gefällt mir so etwas. Rückblenden, Erzählungen aus früheren Zeiten. Ich lese sehr gerne historische Romane und mag umfassende Geschichten, die mit einer Vergangenheit zusammenhängen. Wenn alles logisch und sinnvoll ist. Die Handlung der Vergangenheit beschäftigt sich mit unterschiedlichen Charaktere, die vor allem für die Märchenwelt eine wichtige Bedeutung haben. Es geht um die Schriftsteller, die dafür verantwortlich sind, die Märchen zu schreiben und in die Welt der Menschen hinaus zu lassen. Eine wirklich tolle Idee, die wirklich märchenhaft ist. Zunächst war es auch wirklich großartig, die Umsetzung war schön und man konnte die Liebe zu den Texten und zu Märchen deutlich spüren. Doch dann kam der Konflikt auf. Ich kann nicht tiefer ins Detail gehen, da dies ein Spoiler wäre, doch alles, was danach folgte war für mich nicht zu erklären und teilweise auch historisch einfach falsch.
Die Handlung verschiebt sich, wohlgemerkt immer noch im 14. Jahrhundert, nach Deutschland. Charaktere sind unterwegs nach Deutschland. Im 14. Jahrhundert. Sie dürften das Land also niemals finden, denn Deutschland gab es im 14. Jahrhundert schlicht und ergreifend nicht. Das, was heute Deutschland ist, gehörte im 14. Jahrhundert zum heiligen römischen Reich. Man konnte also nicht nach „Deutschland“ reisen. Auch wenn es Frankfurt zu dieser Zeit schon gab, kann einfach nicht die Rede von Deutschland sein. Bei solchen Fehlern kann ich mein Unverständnis einfach nicht zurück halten. Man muss Geschichte nicht studiert haben um das zu wissen und es wird auch nicht verlangt alles bis ins kleinste Detail historisch genau darzustellen aber eine Google Suche würde ausreichen, um wenigstens ansatzweise glaubwürdig zu sein. Wieso eine Handlung im 14. Jahrhundert spielen lassen, wenn man sich mit den einfachsten historischen Begebenheiten nicht auseinandersetzen möchte?

Auch die Ausdrucksweise der unterschiedlichen Charaktere finde ich teilweise etwas fragwürdig und unpassend. Im 14. Jahrhundert spricht man eben doch nicht so wie man es heutet tut. Natürlich liest es sich einfacher, wenn alles dasselbe ist, aber wir befinden uns nun einmal in der Vergangenheit. Da sind gewisse Gegenstände noch nicht alltäglich, da sind gewisse Wörter längst nicht etabliert und es kostet eigentlich nur wenig Mühe das ordentlich anzupassen.
Ähnliche Probleme hatte ich mit der Darstellung der Märchenwelt. Natürlich ist das alles erfunden und Produkte der Fantasie aber ich kann und will mir nicht richtig vorstellen, dass Feen aus der Märchenwelt anderen Charaktere den Mittelfinger zeigen. Das wirkt für mich nicht authentisch auch wenn das vielleicht eher zur künstlerischen Freiheit zählt. Auch hier habe ich bei einigen Darstellungen und Ausdrucksweisen die Stirn gerunzelt. Gewisse Dinge haben für mich einfach nichts mit der Märchenwelt zu tun. Die Sexszenen beispielsweise waren zwar gut geschrieben aber es las sich wie eine Stelle aus einem New Adult Roman im 21. Jahrhundert und nicht wie Sex im 14. Jahrhundert. Oder Sex in der Märchenwelt. Das fand ich einfach sehr schade, denn das sind Dinge, die leicht hätten behoben werden können.

Die Handlung des Romans nimmt nur langsam an Fahrt auf. Einige der Kapitel hätten aus meiner Sicht deutlich gekürzt oder gar gestrichen werden können, denn sie wirkten auf mich kaum relevant für die eigentliche Storyline. Man hätte wohl gut und gerne um die 100 Seiten einsparen können und die Spannung wäre die Gleiche gewesen.
Die Autorin hat es in meinen Augen nicht richtig geschafft die Twists so in die Handlung einzubauen, dass sie nicht vorher aufgedeckt werden. Alles, was als große Enthüllung geplant war, konnte ich schon etliche Seiten zuvor erraten bzw. erkennen. Bis auf das Ende habe ich also jeglichen Twist erkannt. Nichts war überraschend, alles vorhersehbar. Nicht nur das Verhalten der Charaktere konnte ich ziemlich deutlich vorausahnen, sondern auch die Verstrickungen in den unterschiedlichen Beziehungen zueinander. Gleichzeitig wurden Zusammenhänge erzeugt, die ich als unnötig und irrelevant empfunden habe. Es hat für mich sehr viel Unruhe in die Geschichte hineingebracht, dass jeder mit jedem in irgendeiner Weise verbunden ist. Auch die Probleme und Konflikte, die sich in der Handlung entwickelt haben sind teilweise auf die einfachsten Missverständnisse zurück zu führen, die niemand bereit ist aufzuklären. Letztlich liegt also das große Problem nur daran, dass die Charaktere zu starrköpfig sind um sich einmal fünf Minuten miteinander zu unterhalten. Und solche Konflikte ermüden mich leider.

Fazit

Letztlich konnte mich nur wenig an diesem Buch überzeugen. Ich mag den Schreibstil von Nicole Böhm weiterhin und finde sie als Person und Autorin wirklich sympathisch. Deshalb hat es mir umso mehr leid getan, dass ich mit diesem Buch so überhaupt nichts anfangen konnte. Die Idee hinter der Geschichte finde ich immer noch toll, doch die Umsetzung war einfach nicht meins. Keiner der Twists konnte mich überraschen, die Charaktere waren kaum greifbar und all die Irrungen und Wirrungen innerhalb der Geschichte waren eher anstrengend aber nicht unterhaltend. Leider keine Empfehlung von mir.


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