Rezension: Bell Gardens – Slow Dawns For Lost Conclusions (Rocket Girl, 2014)

Bell Gardens ist kein Name für eine Weihnachtsduftkerze. Der Name steht vielmehr für eine kalifornische Stadt und eine… Band aus ebenda. Das Bandprojekt Bell Gardens wurde von Daniel Crespo, Kenneth James Gibson (ua. “Furry Things”) und Brian McBride (“Stars Of The Lids”) gestartet und fasst insgesamt noch weitere Mitglieder. Mit ihrem kürzlich via Rocket Girl Records erschienenen Album haben Bell Gardens unsere Aufmerksamkeit geweckt. Psychedelisch angehauchter Neo-Psych-Folk generiert langsame Sonnenaufgänge für verlorene Schlüsse (= so heisst ihr Album frei übersetzt).

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EINSCHNEIDENDE ERLEBNISSE UND DER FORTBESTAND DER MUSIK: 
Nach etwas Recherche des hier vorgestellten Albums wird man etwas schlauer: Der erste Beitrag (innerhalb der Suchleiste unseres zweiten Gehirnes) stammt vom amerikanischen Online-Magazin Pitchfork: Darin heisst es, Daniel Crespo (“Kopf” der Band) sei am 30. September von seiner Frau erschossen worden. Dies erkläre auch den verdrossenen Grundklang des Ambient-Pop artigen Werkes, so Pitchfork:

“If the album wasn’t so magisterially moody, it would be easier to ignore the parallel.”

Tatsächlich strotzt das Album nicht vor Freude und Blumenwiesencharme. Die nachdenkliche Grundhaltung, die wohl mitunter auch durch die persönlichen Erlebnisse verstärkt wurden, ist textlich wie musikalisch festzumachen. Hier die Tracklist:

01. Darker Side Of Sunshine
02. Silent Prayer
03. Sail
04. Joan’s Ambulance
05. She’s Stuck In The Endless Loop Of Her Decline
06. She Does
07. Trust Lost Trust
08. Avere
09. Take Us Away
10. Why Me Lord Bonus track (for digital release)

Das Album beginnt nicht mit dem Sonnenaufgang, sondern mit (dunklem) Sonnenschein an sich (“Darker Side Of Sunshine”): Die Leichtigkeit und Schwere der Licht-Schatten-Verhältnisse werden hier unmerklich miteinander verbunden. Akustische Gitarren untermalen verzerrten Gesang. Hören wir da etwa Beck´s Pre-“Morning Phase”? ;) Eindrücklich erhalten alle Instrumente einen weit gedehnten Geltungsraum.

“Slow Dawns For Lost Conlusions” wurde in diversen Heimstudios aufgenommen und schlussendlich noch in der “Cabin” eines Freundes (in Wonder Valley, CA) fertig gestellt. Die Freiheitsgefühlmusik, die auch unter der Genre-Bezeichnung Americana läuft, ist hier reichlich vorhanden. Wir haben es mit einer ausgeprägten Ruhe zu tun, die sich dennoch mit einer verzweifelten Rastlosigkeit zu duellieren scheint. Diese verzweifelte Rastlosigkeit wird auch im andächtigsten Lied auf dem Album thematisiert (“She´s Stuck In The Endless Loop Of Her Decline”): “spinning wheels, tides won´t turn around”.

“Take Us Away” bringt uns in die Mitte amerikanischen Gefilde. Karge, zackige Berglandschaften treffen auf endlose Strassen, die ab und an ein Schlagloch haben. Die Reichhaltigkeit der Instrumente und ebenso deren Gleichwertigkeit tragen den Hörer hinfort in einen grossen Raum der Entschleunigung. Das Lied “Sail” ist zwar weniger bouncy und eingängig als das gleichnamige Awolnation-Lied, jedoch ist auch dies ein Lied der Hinfortbewegung und Rastlosigkeit. Der Kontrast zwischen dem Sich-Zeit-Nehmen und dem Hinfort-Fliegen-Von-Allem könnte nicht deutlicher musikalisch umgesetzt sein. Und natürlich darf bei einem amerikanischen Album eines nicht fehlen (nebst dem Klischee, aber das lassen wir mal): Die Allmächtigkeit. (Nein, die Rede ist nicht von Burger King). Die Rede ist von Gott. Im Closer-Track “Why Me Lord” wird nicht zimperlich mit dem Glauben umgegangen. Mit Zeilenfragmenten wie “so help me Jesus” kann der Song direkt als Klage-Ode der Weihnachtszeit durchgehen. Die zeitgemässe, tendenzielle Distanzierung der westlichen Welt von der Religion wird hier ignoriert. Das Cello-infusionierte fünfminütige Stück gehört leider auch zu den übertriebenen des Albums.

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Abschliessend ist zu sagen, dass die Piano-Streicher-Blasmusik sicherlich etwas für zarte Stunden und Gemütserweichung übrig hat. Überdies provoziert die Musik auf “Slow Dawns For Lost Conclusions” ein Zeitgefühl vor unserer Zeit; die freundlich-intensive Willkommenheissung des Unspektakulären.

Die schlussendlich alles entscheidende Frage ist: Soll man dieses Album jemandem zu Weihnachten schenken?
KEEP BUZZIN


Tagged: Album Review, Bell Gardens, Pitchfork, Rezension, Rocket Girl, Slow Dawns For Lost Conclusions

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