Auf Sizilien ist ein Virus ausgebrochen dem alle Erwachsenen zum Opfer fielen. Als Anna ihre Eltern verlor war sie gerade einmal dreizehn Jahre alt, ihr kleiner Bruder Astor war vier. Seither sind vier Jahre vergangen, Wasser und Lebensmittel werden langsam knapp und es gibt keine Elektrizität mehr. Größere Brände haben das blühende Land in eine ausgedörrte Landschaft verwandelt. Anna muss immer weitere Strecken auf sich nehmen um ihren Bruder und sich selbst versorgen zu können. Doch die Gewissheit, dass sie bald den Schutz ihres Häuschens mitten im Wald verlassen müssen drängt sich unwillkürlich in den Vordergrund.
Der dystopische Roman "Anna" ist mein erster Roman von Niccolò Ammaniti und seine Schreibkunst hat mich von der ersten Seite an begeistert. In einem nüchternen und minimalistischen Stil zeichnet der Autor ein Endzeitszenario ohne Erwachsene. In seiner Geschichte übergibt er das Schicksal Siziliens in die Hände der Kinder und in die Hände von Mutter Natur.
Als Franco und Maria Grazia starben, ließen sie Anna im Alter von neun Jahren zurück, Astor war vier.
Anna, Seite 43Ungeschönt, faszinierend und erschreckend zugleich schildert Ammaniti die Entwicklungen der jungen Kinder. Dieser Lesestoff ist absolut nichts für schwache Nerven. Sobald die Kinder erwachsen werden fallen auch diese dem Virus zum Opfer und sterben. Zurück bleiben nur die Allerjüngsten, die weder eine normale Welt kennen noch mit Vorbildern aufwachsen die ihre Moralvorstellungen prägen.
Ob Wolken oder Regenwetter, ob Kälte oder Hitze, früher oder später verlor das Dunkel seine tägliche Schlacht gegen das Licht.
Anna, Seite 134Durch das gekonnte Spiel mit Urängsten webt der Autor eine dichte Atmosphäre der ich mich nicht entziehen konnte. Der Alltag der Kinder besteht aus einem harten Überlebenskampf in einer Umwelt die auf das grundsätzliche zurückgeworfen wurde, was unvermeidlich die Frage aufdrängt: Woraus schöpfen die Kinder und Jugendlichen ihren (Über)Lebenswillen. Ammaniti liefert als Antwort darauf eine bunte Mischung aus Legenden und Mythen die ihren Ausgangspunkt in der Fantasie der jungen Menschen finden.
Einige der Kinder glauben so zum Beispiel an eine kleine Riesin die bereits am Virus Erkrankten retten kann, andere Kinder wiederum sind der festen Überzeugung das ein bestimmtes paar Markenturnschuhe den Weg aus dieser wahr gewordenen Hölle darstellen.
In Sizilien ging die Sage, dass in der Nacht zwischen dem 1. und dem 2. November die Verstorbenen aus dem Jenseits zurückkämen, um ihre Verwandten zu besuchen, und den Kindern Geschenke und Süßigkeiten brächten.
Anna, Seite 197
Der Geschichte wird aus der Perspektive der Titelheldin "Anna" erzählt, die nach dem Verlust ihrer Eltern für ihren kleinen Bruder Astor verantwortlich ist und durch die harten Lebensumstände sich zu einer Überlebenskünstlerin entwickelt die schonungslos über die Zustände und ihr Leben berichtet. Besonders gut hat mir die durchweg bedingungslose Liebe Annas zu ihrem Bruder gefallen und die Tatsache, dass sie Trotz der ausweglosen Situation und der verrohlichten Umgangsformen noch dazu fähig ist Freundschaftsbande zu knüpfen.
Sie war mit ihrem Bruder aufgewachsen, wie ein Baum um einen Stacheldraht wächst, die beiden waren miteinander verschmolzen und eins.
Anna, Seite 200Sprachlich hat mir die Geschichte von Niccolò Ammaniti ausgezeichnet gut gefallen und ich hätte sicherlich noch ein paar hundert Seiten mehr von "Anna" vertragen. Das Ende ist offen gehalten und bietet Raum für die eigenen Gedanken - doch in diesem Fall hätte ich mir einen ausgereifteren Abschluss gewünscht.
Eine Endzeitstory der anderen Art. Verstörend, berührend und absolut sprachgewaltig.
Niccolò Ammaniti, geboren 1966 in Rom, ist einer der erfolgreichsten und international renommiertesten Autoren italienischer Sprache. Der wohl bekannteste seiner bisher sieben Romane, der Weltbestseller „Ich habe keine Angst", gewann 2001 den Premio Viareggio, sein 2006 erschienener Roman „Wie es Gott gefällt" den Premio Strega. Fünf seiner Bücher wurden von international herausragenden Regisseuren für das Kino verfilmt, darunter Gabriele Salvatores und Bernardo Bertolucci. Ammaniti ist ebenfalls Autor zweier Bände mit Erzählungen und führte Regie beim Dokumentarfilm „The Good Life". Zuletzt leitete er die Produktion der internationalen TV-Serie „Ein Wunder" (Il miracolo), für die er auch das Drehbuch schrieb. Seine Werke wurden in 44 Sprachen übersetzt.
Quelle: Ullstein Buchverlage
[...]ein grossartiges, aber auch schockierendes Buch, welches uns das Fürchten nahe bringt.
Literaturgarten
Auch, wenn bei mir leider der gewisse Funke nicht übergesprungen ist, muss ich dennoch meine Hochachtung für dieses Werk aussprechen.
Letterheart