Titel: Alles oder nichts (Only One Night #3)
Autorin: Simona Ahrnstedt
Übersetzerin: Antje Rieck-Blankenburg
Format: Klappbroschur
Preis: 15,00 €
Seitenzahl: 700 Seiten
Verlag: Lyx Verlag
ISBN: 978-3-8025-9947-7
Bewertung: 2,5 Sterne
Inhalt
Ambra Vinter ist eine recht erfolgreiche Journalistin und wird von ihrer Chefin an einen Ort geschickt, den sie nie wieder besuchen wollte. In Kiruna ist ihr als junges Mädchen Schreckliches widerfahren, trotzdem befolgt sie die Anweisung, denn Ambra möchte befördert werden.
Tom Lexington versucht seine Erlebnisse im Tschad irgendwie hinter sich zu lassen und hat sich deshalb in Kiruna versteckt. Tief im Norden Schwedens könnte er über das hinweg kommen, was ihm widerfahren ist.
In der klirrenden Kälte Kirunas treffen zwei unterschiedliche Menschen aufeinander, die beide versuchen sich nicht von ihrer Vergangenheit bestimmen zu lassen. Sie spüren beide eine Anziehungskraft zwischen sich, doch sollen sie ihr Nachgeben?
Der April ist der Monat, in dem ich gleich drei SuB-Leichen und gleichzeitig auch noch Wälzer, gelesen habe: die Only One Night Trilogie von Simona Ahrnstedt. Mit „Alles oder nichts“ verabschiedet man sich aus der Welt rund um die High Society Schwedens. Durch Band 2 „Ein einziges Geheimnis“ war bereits klar, dass es sich um Tom Lexington, der sich um David Hammars Sicherheit kümmerte, dreht. Ich war sehr gespannt, denn sein Schicksal war in Band 2 sehr ins Wanken geraten und es hat mich sehr interessiert, wie die Autorin damit umgeht. Leider konnte mich dieses Buch nicht wirklich von sich überzeugen.
Tom Lexington ist es irgendwie gelungen die Gefangenschaft im Tschad zu überleben. Überleben ist hier das richtige Wort, denn viel mehr ist von dem einstigen Elitesoldat nicht mehr übrig. Er lebt zwar, doch sein Alltag ist geprägt von Panikattacken, Angstzuständen, Albträumen und einer Trostlosigkeit, der er nicht entkommen kann. Seine Arbeit hat ihn zusammenbrechen lassen, seine Verlobte hat ihn für einen anderen Kerl sitzen lassen. Tom ist ganz allein. Doch die Erinnerung an seine Verlobte, auch wenn sie ihn verlassen hat, hält ihn am Leben und deshalb folgt er ihr nach Kiruna. Dort lebt sie mittlerweile mit ihrem neuen Freund, hat sich ein Leben aufgebaut, doch Tom will das nicht akzeptieren. Er will um sie kämpfen. Das wird zu seinem Lebensinhalt, denn nur so kann er die Panik in sich, etwas betäuben.
Eigentlich war mir Tom sehr sympathisch. Er hat sehr zu kämpfen, die Therapie abgebrochen. Irgendwie versucht er wieder zur Normalität zu finden und sieht seine Ex-Verlobte als eine Art Anker an. Diese möchte jedoch nicht, dass er sich weiter in ihr Leben einmischt auch wenn sie es nicht direkt sagt. Tom ist nicht richtig aufdringlich aber auch irgendwie uneinsichtig. Für ihn ist Ellinor die einzige, die ihn retten kann, was ich nicht so richtig verstehen kann. Er selbst beschreibt die Beziehung zwischen den beiden nicht unbedingt als etwas, das ich erfüllend nennen würde. Sie haben am Ende nur noch aneinander vorbei gelebt, denn Tom war durch seine Arbeit kaum zu Hause. Dass es irgendwann auseinander geht, war, für mich jedenfalls, keine große Überraschung. Tom selbst kann das aber irgendwie nicht akzeptieren und ich schiebe es etwas auf die Posttraumatische Belastungsstörung, mit der er zu kämpfen hat.
Darüber, was genau im Tschad vorgefallen ist, erfährt man als Leser kaum bis gar nichts. Wie Tom wieder nach Schweden gelangt ist überhaupt nicht. Das fand ich sehr schade. Er war quasi einfach wieder zurück, die Art und Weise wie er gerettet wurde bleibt aber fast bis ganz zum Ende im Dunkeln. In einem Nebensatz wird es dann kurz abgehandelt, doch das hat mir, ehrlich gesagt, nicht gereicht. Es hätte viel ausführlicher darüber geschrieben werden können. Auch seine Panikattacken sind letztlich nur Randthema. Ich kenne mich mit einer posttraumatischen Belastungsstörung überhaupt nicht aus, weiß also nicht, wie das genau abläuft, hätte mir hier aber einfach gerne einen Einblick gewünscht. Überhaupt, hätte ich es realistisch und gut gefunden, wenn Tom in Behandlung gewesen wäre und regelmäßig Therapiegespräche geführt hätte. Er ist Elitesoldat gewesen, ihm muss also doch mehr als klar sein, dass psychische Gesundheit unglaublich wichtig ist, um in seinem Beruf weiterarbeiten zu können.
Doch es wirkt fast so, als soll die Liebe ihn heilen. Was ich komplett falsch und als abwegig empfinde. Liebe kann solche Wunden nicht heilen. Sie kann vielleicht helfen, etwas zu bewältigen, als Unterstützung dienen. Aber eine Therapie ersetzt das einfach nicht. Panikattacken können nicht durch Liebe oder Sex einfach abgestellt werden.
Mit Ambra hatte ich große Schwierigkeiten. Eigentlich finde ich den Beruf Journalistin super interessant aber natürlich ist diese Arbeit oft mit Sensationsgeschichten und Fragen der Moral gespickt. Zunächst hatte ich jedoch das Gefühl, dass es Ambra nicht besonders schwer fällt Persönlichkeitsrechte anderer zu wahren und sich respektvoll mit etwas auseinander zu setzen. Letztlich war aber jedoch sehr schnell klar, dass das alles gehörig schief laufen würde. Ambra hat keine Eltern mehr und wurde ab frühester Kindheit von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht. Sie hat Schwierigkeiten Nähe zuzulassen, ist eigentlich auch gerne allein, obwohl sie sich manchmal wünschen würde, jemanden zu haben, der sich um sie kümmert.
Sie strebt den bald frei werdenden Job an, der ihr einen großen Karriereschub geben würde. Doch dafür braucht sie eine sehr große Stroy, die sie in Kiruna ganz bestimmt nicht finden wird. Zumindest glaubt sie das. In diesem kleinen kalten Örtchen hat sie sehr schlimme Jahre als junges Mädchen erleben müssen und wollte eigentlich nie wieder dorthin zurückkehren, denn die Vergangenheit versteckte sich hinter jeder Ecke und unglaublich viele schreckliche Erinnerungen tauchen vor ihrem inneren Auge auf. Auch Ambra ist letztlich eine traumatisierte Seele, die ihre Erlebnisse nie richtig verarbeitet hat. Auch sie ist nicht zur Therapie gegangen, sie stürzt sich in journalistische Arbeit und tut sonst nichts dagegen, um ihre Kindheit irgendwie zu bewältigen. Das, was sie durchmachen musste wurde zwar nicht näher beleuchtet, was letztlich auch nicht nötig war, doch auch hier scheint der Ausweg klar zu sein: Liebe. Das hat mich wirklich angestrengt. Nur die Liebe kann dieser jungen Frau ihre traumatische Kindheit erträglich machen. Wenn es denn nur wirklich so einfach wäre.
Die Handlung des Buches verfolgt zwar einen roten Faden, doch alles, wirklich alles, war vorhersehbar und eher unspektakulär. Ich konnte alles vorausahnen und es hat mir einfach nicht gefallen. Das Buch hat 700 Seiten, nach über 300 Seiten entsteht der erste richtige körperliche Kontakt zwischen Ambra und Tom, was für mich einfach viel zu spät war. Es gab ein ewig langes Vorgeplänkel, auf das ich gut und gerne hätte verzichten können. Wenn man alle „Füller-Kapitel“ streichen würde, hätte das Buch vermutlich keine 400 Seiten. Es war teilweise wirklich anstrengend an dem Buch dran zu bleiben. Der Schreibstil der Autorin ist nach wie vor sehr schön, vor allem ihre Sexszenen haben mir wieder gefallen. Es ist toll dargestellt, die Verhütung spielt immer eine Rolle und das ist auch in diesem Teil positiv hervorzuheben.
Es gibt zusätzlich zu den Traumata, die die Protagonisten zu bewältigen haben, noch weitere Themen, die angeschnitten aber nicht weiter verfolgt werden: Hasskommentare, Cyber-Mobbing, Gleichberechtigung, Feminismus… die Liste ist recht lang und nichts wird intensiver besprochen. Alles wird angerissen aber nichts wirklich in den Vordergrund gebracht. Ein Überthema hätte mir gereicht, das genauer und intensiver zum Tragen kommt. So wirkte die Geschichte wie ein Flickenteppich, der sich nicht entscheiden kann, welches Thema am „Wichtigsten“ ist.
Die Nebenhandlung mit zwei Nebencharakteren war auch eher langweilig. Es geht um die „Schwester“ von Ambra, Jill, die als berühmte Sängerin ihr Geld verdient und den besten Freund von Tom, Mattias, der ebenfalls Elitesoldat war. Hier habe ich die Anziehungskraft in keiner Sekunde gespürt und deshalb hat es bei mir auch nicht gefunkt. Diese Liebesgeschichte war recht unglaubwürdig und hat mich deshalb auch nicht weiter interessiert. Ich mochte Jill überhaupt nicht, denn sie ist egoistisch, selbstverliebt und davon überzeugt, dass wenn man keine Gefühle zulässt, man auch keine hat. Von Mattias hat man kaum etwas mitbekommen und deshalb hat mir die Verbindung zu ihm eigentlich komplett gefehlt.
Was mir auch etwas gefehlt hat war der Bezug zu den de la Grips. Ich habe die Geschwister regelrecht vermisst. Überhaupt die High Society Schwedens, die Intrigen in dieser Welt, all das Feeling.. es war einfach nicht da. Man hat ganz kurz erfahren, wie es mit Natalia und Alexander weiterging. Über Peter gab es jedoch kein Wort, was ich sehr schade gefunden habe. Diese Geschichte war eigentlich losgelöst von den ursprünglichen Charakteren, was ich sehr schade fand. So hat mir die richtige Verbindung zwischen den Büchern gefehlt. Ich hätte lieber ein ganzes Buch über Peter gelesen, als die Geschichte von Tom und Ambra, denn das Finale der Geschichte konnte mich dann wirklich nicht vom Hocker hauen. Der Konflikt, den ich schon nach kürzester Zeit erraten hatte, ist nach wenigen Seiten abgehakt und wird durch einen anderen, der mehr Dramatik hineinbringen sollte, abgelöst. Doch das hat mir nur ein müdes Lächeln abgerungen. Das Ende war etwas kitschig aber letztlich doch zufriedenstellend.
Fazit
Leider hat mich der letzte Teil dieser Trilogie etwas enttäuscht. Mir hat der Zugang zu den Charakteren einfach gefehlt, ich fand die übergeordnete Handlung nicht überzeugend und sehr vorhersehbar. Im Großen und Ganzen war das Buch, für den Inhalt, den es bietet, einfach zu dick. Es hätte deutlich kürzer sein können und im Prinzip dieselbe Message gehabt. Sehr schade, da ich mir von diesem Buch viel versprochen hatte.