Review: WALL-E – DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF – Kulturelle Evolution à la Pixar

Review: WALL-E – DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF – Kulturelle Evolution à la Pixar
Fakten:
Wall-E – Der letzte räumt die Erde auf
USA. 2008. Regie: Andrew Stanton. Buch: Jim Reardon, Jim Capobianco, Andrew Stanton. Stimmen u.a. von Ben Burtt, Jeff Garlin, John Ratzenberger, Sigourney Weaver u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Der kleine Roboter Wall-E hat die Aufgabe die Erde aufzuräumen. Diese ist in der Zukunft ein verdrecktes Brachland, welches die Menschen längst via Raumschiffflotten verlassen haben. Doch im Müll der Menschheit findet Wall-E viele Schätze. Der größte Schatz ist jedoch EVE, ein Roboter, der die Erde untersuchen soll, in den sich Wall-E verliebt.


Meinung:
Angesichts der qualitativen Kontinuität, die die Pixar Animation Studios vorlegen, sieht man sich quasi dazu gezwungen, der Tochtergesellschaft der Walt Disney Company das herrschende Zepter des Animationsmarktes auszuhändigen. Ob die „Toy Story“-Trilogie, „Die Monster AG“, „Findet Nemo“ „Ratatouille“ oder „Oben“. Sicher darf man diesen Filmen immer wieder informale Mängel attestieren, doch im direkten Vergleich stinken nicht nur die Blue Sky Studios (unter anderem verantwortlich für „Ice Age“-Quadrilogie) gegen Pixar ab, auch DreamWork Animation, die zwar fantastische Arbeiten wie „Shrek – Der tollkühne Held“ und ganz besonders „Drachenzähmen leicht gemacht“ vorweisen dürfen, müssen aufgrund der Stetigkeit Pixars den Kürzeren ziehen. Setzt man sich zum Ziel, das wohl beste Pixar-Werk zu küren, genießt vor allem „Oben“ im allgemeinen Kanon höchste Wertschätzung. Im Vorjahr jedoch produzierte Pixar eine Perle, die der liebenswerten Reflexion über Leben und Tod noch eine Nase voraus ist: „Wall-E“.

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EVE lässt Wall-E erstmal abblitzen

Circa die erste Hälfte von „Wall-E“ gleicht einem cineastischen Poem: Umsichtig gleiten wir durch zerfallene Häuserschluchten, blicken auf die Ruinen einer ehemals florierenden Zivilisation, während uns Michael Crawford und Barbra Streisand mit ihrem schwungvollen Klassiker „Put On Your Sunday Clothes“ durch die in Vergessenheit geratenen und von Müll überschwemmten Straßen begleitet. Desolate Zustände! Dieser gottverlassene und unwirtliche Ort ist unsere Erde, die seit Jahrhunderten von den Menschen verlassen wurde, nachdem diese den Konsequenzen ihres zunehmend progressiven Massenkonsums keinen Einhalt mehr gebieten konnten. Doch ganz verlassen ist Mutter Erde noch nicht, denn ein kleiner Aufräumroboter namens Wall-E geht weiterhin tapfer seiner Arbeit nach und presst die Berge von Abfall in gleichförmige Würfel, um sie dann feinsäuberlich zu stapeln. Wall-E wird von dort an unser Protagonist und was auf den ersten Blick nur wie eine seelenlose Blechhülle mit Kulleraugen und Putzfimmel aussieht, hat über all die Jahre ein Bewusstsein entwickelt.

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Es gibt Dinge die versteht weder Maschine noch Mensch

Wall-E wird, so wie es sich für einen reinrassigen Animations- respektive Kinderfilm nun mal auch geziemt nach Strich und Faden vermenschlicht. Und doch fällt dieser eigentlich durch und durch manipulative Schachzug nie negativ auf, wird die Figur des Wall-Es doch hervorragend in seine Umgebung integriert und unterstreicht dabei in ihrem oftmals kontrastreichen Habitus die metaphorische Bedeutung ihrer selbst. In den Jahren der Einsamkeit war Wall-Es einziger Kontakt eine Kakerlake, bis dann der Roboter EVE eintrifft und sich auf die Suche nach photosynthesefähigem Leben macht. Huldigt die Exposition noch der Stummfilmzeit, verleiht „Wall-E“ dem Musical „Hello, Dolly“, aus dem auch der anfänglich erwähnte Song stammt, einen immer deutlicher herausgeschälten repräsentativen Charakter, der nicht nur Wall-E selbst aus der Lethargie befreit, sonder auch dem Menschen vor der Mattscheibe in reflexiver Manier die wertvollen Dinge im Leben, die Dinge, die uns Hoffnung schenken dürfen, offeriert. Zwischen Wall -E und EVE entspinnt eine Romanze, die nicht frei von Rührseligkeit ist und doch in ihrer Wahrhaftigkeit ungemein bezierzt.

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Wall-E hat nen grünen Daumen

Ist Wall-E auf dem Raumschiff Axiom angekommen, in dem sich die Menschen vollends der Automatisierung hingegeben haben und sich in ihrer Fettleibigkeit nur noch die Gegend kutschieren lassen, greift „Wall-E“ eine konventionelle Dramaturgie auf, die er zu Anfang in seiner Anmut und Sensibilität, in seiner komödiantischen Treffsicherheit und subtilen Charakter-Disposition überhaupt nicht nötig hatte. Es wird rasant, Wall-Es Naivität (der Liebe wegen weiterhin geschürt, versteht sich) richtet so manches Chaos an, ist aber nicht zuletzt dafür verantwortlich, die Menschen von ihrer Besinnungslosigkeit zu erlösen. Die ökologische Botschaft hinter der Kritik an der sich anbahnenden Überdruss-Gesellschaft mag platt erscheinen, ist aber so homogen in das Handlungsgeflecht eingebunden, dass vielmehr die dystopischen Impressionen zu Randnotizen kommen, um – es ist immer noch ein Kinderfilm – eine waschechte Idealvorstellung auf die Beine zu stellen. Die Menschen finden den Glauben an sich wieder, entreißen sich dieser permanenten medialen Berieselung und erkämpfen sich den Neustart, die Rekolonialisierung ihrer ehemaligen Heimat.

„Wall-E“ verfügt über eine tonale Flexibilität, wie man sie in dieser Art von Film wahrscheinlich noch nicht gesehen hat: Zwischen zynischer Zukunftprognose, Zitatereigen, subversiven Technikportrait und handfester Zivilisationskritik, bleibt immer noch Platz für die einfühlsamen, die reflektierten, die – auch wenn es paradox klingen – menschlichen Augenblicke zwischen den beiden Robotern. Am Ende keimt nicht nur die frisch gepflanzte Saat in kräftigen Farben, Zuversicht keimt und sprießt ebenfalls in euphorischen Schlenkern und fidelen Schnörkeln. Der Wunschtraum einer ekstatischen Utopie leibt und lebt und wir, die Zuschauer, sind längst Teil davon, bereit, die Uhren noch einmal zurückzudrehen und dem Herzen wieder und wieder Flügel zu verleihen.

7 von 10 Büstenhaltern als Brillenersatz

von souli

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