Review: THE SIXTH SENSE – Die Akzeptanz des Todes

Review: THE SIXTH SENSE – Die Akzeptanz des Todes
Fakten:
The Sixth Sense
USA. 1999. Regie und Buch: M. Night Shyamalan. Mit: Bruce Willis, Haley Joel Osment, Toni Collette, Olvia Williams, Mischa Barton, Donnie Wahlberg, Trevor Morgan, Greg Wood, Angelica Tom, Bruce Norris u.a. Länge: 107 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Kinderpsychologe Dr. Crowe übernimmt den Fall des 9jährigen Cole, der sich seit einiger Zeit immer auffälliger verhält. Langsam gewinnt Crowe das Vertrauen des Jungen und dieser verrät ihm sein Geheimnis: er kann tote Menschen sehen.


Meinung:
Jeder, egal ob Cineast, Filmgeek oder doch Gelegenheitsglotzer, kam irgendwann schon einmal in Berührung mit M. Night Shyamalans „The Sixth Sense“. Damit ist auch gar nicht gemeint, dass man Shyamalans großen Durchbruch auch wirklich gesehen hat, vielmehr sind es die Wellen, die dieser Film seiner Zeit ausgelöst hat und wohl bis an jede Haustür gepeitscht sind: Irgendwie schien es so, als hätte dieser indische Filmemacher einen Weg gefunden, das Publikum in den Kinosesseln mal wieder so richtig zu überraschen und zu schockieren, in dem er ihre Perzeption in Frage stellte, ohne sie aber gezielt auf eine falsche Fährte locken zu wollen: Hollywood hatte ein neues Wunderkind in seine Obhut genommen und die allgemeinen Lobeshymnen kannten ab sofort keinen Stillstand oder Verhältnismäßigkeit mehr - „The Sixth Sense“, die Revolution des Psycho-Dramas. Man sollte sich – wie immer – eine gewisse Differenziertheit bewahren, bekommt man es mit einem Werk dieser Fasson zu tun, welches im Vorfeld bereits durch die höchsten Höhen der Kinematographie gehypt wurde. Fakt ist dennoch, dass Shyamalan einen wirklich verdammt starken Film ohne erkennbares Verfallsdatum inszeniert hat.

Review: THE SIXTH SENSE – Die Akzeptanz des Todes

Cole und Dr. Crowe

Beeindruckend ist M. Night Shyamalans ungeheures Gespür für Atmosphäre und obwohl „The Sixth Sense“ erst seine zweite Arbeit darstellte, ist sie formal so durchkomponiert, dass man durchaus annehmen könnte, ein Meister der alten Schule hätte hier wieder die Zügel in die Hand genommen. Die Kameraarbeit von James Tak Fujimoto nimmt zumeist die Rolle des Beobachters, des Analysten ein, in dem sie sich vor das Geschehen stellt und die Worte aufsaugt und zu kategorisieren versucht, um durch ihre Distanz letztlich den Zugang zum Innenleben der Protagonisten zu ermöglichen: Stilistik als verdeckter Inhalt? Nicht ganz. Der reduzierte Schnitt, die zuweilen ungemein starre Kameraarbeit und natürlich James Newton Howards fantastischer Score mit seinen feinen Streichern und dem impulsiven Orchester sind die intensivierende Unterstützung der rhythmischen Narration – So wie es sich für einen guten Film nun mal auch geziemt. Man mag M. Night Shyamalan eine konservative Ägide vorwerfen, genaugenommen ist „The Sixth Sense“ aber ein Ausdruck konkreter Rückbesinnung auf effektive Tugenden. Denn die Technik spricht nicht für sich, sondern zeigt sich als funktionales Gerüst der inhaltlichen Tiefe.

Warum es in „The Sixth Sense“ wirklich dreht, wird erst im Laufe der Zeit wirklich sicht-bar, denn wo der verstörte, introvertierte Cole in den Fokus gerückt wird, dient seine Figur hingegen nach und nach als Projektionsfläche des Themenspektrums: Spirituelle, philosophische und auch zutiefst menschliche Aspekte gehen einher mit transzendierten Erfahrungen, mit dem, was wir fühlen, was uns um Erfahrungen reicher macht, wir aber rational unmöglich in Worte fassen können. „The Sixth Sense“ ist sowohl sensibilisierter Diskurs über das Leben nach dem Tod, wie auch psychologisches Seelendrama über die Zurückweisung desillusionierter Familienkonstrukte und der Angst vor der Enttäuschung Gottes und seiner Hilflosigkeit im Angesicht überirdischer Todesängste. Dabei beschreitet Shyamalan immer genau die Pfade, die die Handlung voranbringen, ohne sich in purer Effekthascherei oder genretypischen Gewaltexzessen zu suhlen: Der Horror entsteht hier im Kopf, und dieser Horror fungiert nicht als eigenständiger Gegenstand, sondern nur über die Sinne Coles, der lernen muss, dass nur er die Möglichkeit dazu hat, sich mit den Toten zu arrangieren, in dem auch er seine Sterblichkeit akzeptiert.

8 von 10 Brillen ohne Gläser

von souli

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