Review: STEVE JOBS - Ein Superman voller Kryptonit

Review: STEVE JOBS - Ein Superman voller Kryptonit
Fakten:
Steve Jobs
USA. 2015. Regie: Danny Boyle. Buch: Aaron Sorkin, Walter Isaacson (Vorlage). mit: Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Katherine Waterston, Jeff Daniels, Michael Stuhlbarg, John Ortiz, Sarah Snook, Perla Haney-Jardine, Ripley Sobo, Makenzie Moss, Adam Shapiro u.a. Länge: 122 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 12. November 2015 im Kino.

Story:
Seine Vision veränderte die Welt und trieb ihn fast in den Ruin: der Entwurf und Bau eines Computers für jedermann. Über die ersten Anfänge, die Entwicklung des legendären, alles revolutionierenden Macintosh, bis hin zum Neuanfang mit dem iMac im Jahr 1998, nimmt uns Steve Jobs mit ins Epizentrum der digitalen Revolution und zeichnet zugleich das vielschichtige Portrait eines ihrer brillantesten Köpfe.


Meinung:
Ein Rauen geht um, wenn man seinen Namen sagt und eigentlich jeder hat eine Meinung zu dem Mann, den einige für einen der größten Pioniere moderner Technologie halten, andere wiederrum für einen Soziopath, der andere für seine Zwecke ausbeutete. So oder so ist die Person Steve Jobs ein höchst interessanter sowie ambivalenter Charakter. Nach seinem Tod im Jahre 2011, kamen zig Bücher, Reportagen und Artikel heraus, die ihn würdigten oder diskreditierten. Als Außenstehender wusste man da eigentlich gar nicht, wo genau man sich positionieren soll. 2013 erschient mit „Jobs“ auch das erste Biopic rund um den Apple-Chef. Eine recht bieder bebilderte Biographie ohne sonderlichen Nutzen. Warum danach jetzt noch der Film „Steve Jobs“ erscheint wirkt unnötig, aber auf ihn zu verzichten würde ein großes, qualitatives Loch in Kinojahr 2015 reißen, denn der Film vom britischen Kultregisseur Danny Boyle erweist sich als kleines Meisterstück.

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Jobs und seine Assisstentin

Allerdings darf man von „Steve jobs“ nicht erwarten, dass es sich um ein reinrassiges Biopic handelt. Basierend auf den Bestseller von Walter Isaacson werden jeweils die letzten Minuten vor den drei wichtigsten Produktvorstellungen des Jobs nachgestellt. Wie viel davon der Wahrheit entspricht? Wer weiß das schon. „Steve Jobs“ pocht aber eh zu keiner Zeit auf der „based on true event“-Pauke. Der Film konzentriert sich darauf eine Figur zu beleuchten, ob diese rea existiert hat und komplett fiktiv ist, erweist sich als recht irrelevant. Ja, Biopic-Puristen werden hier wenig finden. Weder werden alle historischen Ereignisse der Firma Apple durchgekaut, noch wird exorbitant viel Zeit darauf verwendet den Zuschauer mit Expositionen zu füttern. „Steve Jobs“ ist ein Film der von Beginn an ein einziges Ziel erfolgt und dass ist einen Charaktere vorzustellen, so dass man als Ende selbst entscheiden kann welcher Mensch diese Steve Jobs war. Im Film wird aber keineswegs das Original abgebildet, sondern mehr dessen filmische Kopie. Wenn man so will ist dieser Film eine Huldigung, eine Anklage sowie auch eine Skizze eines fiktionalen Imitats einer realen Person.

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Beste Freunde mit Differenzen: Woz und Jobs

So oder so wirkt das Ganze obwohl es all diese Personen gibt (oder gab) und vieles was gesagt wird auch einen wahrhaftigen Background hat, mehr wie ein erfundenes Drama. Das liegt vor allem an Drehbuchautor Aaron Sorkin, der mit „The Social Network“ bereits einen angeblichen Soziopath beschrieb. Genau wie damals glänzt auch „Steve Jobs“ durch Sorkins brillante Schreibarbeit. Die Dialoge sind diamantgeschliffen und werden trommelfeuerartig vorgetragen. Dabei ist zu beobachten, dass jede Figur, die mit Jobs kommuniziert eine andere Art von Dialogdynamik auslöst. Es gibt z.B. einen lautstarken Disput zwischen Jobs und seinem ehemaligen Vorgesetzten. Dieser Dialog gleicht einem Krieg: Jedes Wort ein surrendes Projektil, jede Atempause ein Waffenstillstand. Das ist zwar höchst anstrengend, verfehlt dennoch aber nicht seine narrative Wirkung. Gewiss, kein normaler Mensch redet so, aber das Thema Realität wird bei „Steve Jobs“ – wie bereits erwähnt – recht offen ausgelegt, was ohne Zweifel nicht nur die Angehörigen des Apple-Mitbegründers auf die Barrikaden treibt.

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Selbst das macht er stilvoll

Was dem ganzen Dialogzauber gegen Ende etwas die Kraft nimmt, ist die repetitive Natur des Ganzen. In zwei Stunden wird Jobs stetig mit denselben Personen und Anliegen konfrontiert. Das schlaucht, erreicht aber niemals solch negative Auswirkungen, dass es sich wirklich schädlich bemerkbar macht und Sorkin selbst erlaubt sich wegen diesem Konzept gegen Ende auch eine kleine Meta-Bemerkung. Ganzzeitig frisch bleibt dagegen die Inszenierung von Oscar-Preisträger Danny Boyle, der sich nach „Steve Jobs“ hoffentlich endlich daran macht die langversprochene „Trainspotting“-Fortsetzung namens „Porno“ umzusetzen. Boyle ist bekannt und beliebt (bei einigen natürlich auch gefürchtet und verhasst) für seine Visualität. Doch bei „Steve Jobs“ hält er sich im Rahmen. Gewiss, hin und wieder erlaubt er sich mit den Bildern zu spielen, es wirkt aber nicht aufgesetzt und bringt eine gewisse Frische in den Film. Letztlich zeigt sich aber Boyle Erfahrung, dass er das Drehbuch sowie die Darsteller auf deren Qualitäten reduziert und dies sauber und ohne Hektik einfängt. Boyle ist eben ein versierter Filmemacher.

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Ist dieser Mann ein Freund oder ein Feind von Jobs?

Und diese arbeiten gerne mit Leuten zusammen, die ihre Vision teilen. Vielleicht arbeitet Boyle deswegen hier erneut mit Kameramann Alwin Küchler zusammen, der bereits in Boyles Sci-Fi-Drama „Sunshine“ und „Trance“ für die richtige, optische Stimmung sorgte. Bei „Steve Jobs“ gelngt es Küchler mit einfachen Kniffen und Mitteln sogar das jeweilige Jahr visuell einzufangen, einfach durch eine Regulierung des Filmkorns. Gewiss ist das eine höchst simple Methodik, aber sie funktioniert und hilft immens bei der Immersion, die im Verlauf des Films zu keiner Zeit irgendwelche Risse oder Sprünge bekommt. Der Film wirkt wie aus einem Guss. Die einnehmende Simplizität die man den Apple-Geräten zusagt, sie wurde hier wirklich wunderbar auf den Film übertragen, ohne dabei wie ein überlanger Werbespot für den Computergiganten zu wirken. Die Gefahr besteht so oder so nicht, denn für einen Commercial setzt sich Autor Sorkin viel zu kritisch mit dem geschlossenen Apple-Systemen auseinander.

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Fassbender beim Text lernen

Natürlich sind die besten Dialoge, die fokussiertes Regie und beste visuelle Ausrichtung nutzlos, wenn die Darsteller nicht überzeugen. Doch damit hat „Steve Jobs“ wirklich keinerlei Probleme. Michael Fassbender und Kate Winslet sind großartig, was wahrscheinlich jeder schon vorher gedacht, bzw. gewusst hat. Doch auch Abseits der beiden größten Namen gibt es darstellerisch Großes zu sehen und damit ist vor allem Seth Rogen gemeint, den die meiste wohl eher aus modernen Klamaukfilmen wie „Bad Neighbors“ oder „Ananas Express“ kennen. Doch bei „Steve Jobs“ beweist Rogen das er auch ein exzellenter Darsteller ist. Er spielt Jobs Freund und Wegbegleiter Steve „Woz“ Wozniack so wunderbar nuanciert und ungekünstelt, dass eine reine Freude ist ihm beim Spielen zu zusehen. Dabei gelingt Rogen es zum ersten Mal, sich von seiner sonstigen Attitüde zu trennen. Wenn er mit Fassbender verbal interagiert, dann ist es vergessen welche Stars hier zu sehen sind. Plötzlich ist man als Zuschauer mitten drin in einer Szenerie, die authentisch und wahrhaftig wirkt. Eine perfekte Illusion, deren Reiz und nach lange nachwirkt.

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Mehr ein Komponist, als ein Erfinder: Steve Jobs

Dabei verwendet der Film erstaunlich wenig Energie darauf, diese Illusion mit den übermittelten Ticks und (teils absonderlichen) Eigenheiten von Jobs zu füttern. Immer wieder gibt es Andeutungen und ab und an auch eine konkrete Bebilderung, aber trotz allem bleibt ein menschlicher Kern übrig, selbst dann wenn Boyle und Sorkin den Gott der Apple-Nutzer von seiner (scheinbar) schlimmsten Seite zeigen. Es ist natürlich recht ernüchternd, dass Sorkin im Prinzip Jobs genau so einfängt wie einst Mark Zuckerberg. Aber der Film-Jobs hinterlässt nicht wie der Film-Zuckerberg den Eindruck eines antisozialen Genies, sondern eines Mannes, der in seiner eigenen Welt beheimatet. Ein Außenseiter mit dem Willen nach oben zu gelangen und diese Grenze immer wieder voranzutreiben. Steve Jobs wirkt also im Film wie ein Superman in einer Welt aus Kryptonit. Eben ein Kämpfer, der sich anpassen muss. Das zu sehen ist fesseln und interessant und gehört und ist ebenfalls eine große Stärke von „Steve Jobs“
„Steve Jobs“ beweist was man mit einem guten Drehbuch, tollen Akteuren und einer versierten Regie erreiche kann: Ein energiegeladener und vitaler Film, dessen Kraft und Qualität teils sogar berauschende Züge annimmt. Es sollte nur klar sein, dass „Steve Jobs“ kein Biopic ist, sondern ein unglaublich redseliges, treibendes und vitales Charakterdrama, dessen Darsteller sich Hoffnung machten sollen bei der Oscar-Verleihung 2016 ein Wort mitzusprechen.
8,5 von 10 vorgetäuschten Hallos

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