Review: SLEEPERS - Das Ende der Kindheit

Review: SLEEPERS - Das Ende der Kindheit   Fakten:SleepersUSA, 1996. Regie & Buch: Barry Levinson. Mit: Jason Patric, Brad Pitt, Robert De Niro, Dustin Hoffman, Kevin Bacon, Bruno Kirby, Minnie Driver, Ron Eldard, Billy Crudup, Vittorio Gassman, Brad Renfro, Joseph Perrino, Geoffrey Wigdor, Jonathan Tucker, Frank Medrano u.a. Länge: 141 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

 
Story:Shakes, Michael, Tommy und John wachsen in den 60er Jahren im New Yorker Viertel Hell's Kitchen auf und begehen einen folgenschweren Fehler. Eine Dummheit führt für sie zu einer Haftstrafe im Jugendgefängnis. Dort werden sie von dem Wärter Sean Nokes und seinen Kollegen brutal gefoltert und vergewaltigt. Jahre später treffen Tommy und John, inzwischen Gangmitglieder, Nokes zufällig in einer Bar wieder. Sie fackeln nicht lange und schießen ihn vor mehreren Zeugen nieder. Der Prozess scheint Formsache, doch Shakes und Michael hecken einen Plan aus. Michael ist der Staatsanwalt bei dem Fall und hat gar nicht vor ihn zu gewinnen. Shakes zieht im Hintergrund die Fäden, aber ihnen fehlt ein glaubwürdiger Entlastungszeuge. Der könnte ihr väterliche Freunde, der Priester Bobby, sein nur wird der auf die Bibel einen Meineid schwören?

 

   Meinung:Barry Levinson ist wohl einer der wenigen beständigen Regisseure in Hollywood, der sich kaum festnageln lässt und deshalb wenig treue Anhänger haben wird. Der Mann ist einfach unberechenbar. Mal macht er dies, mal macht er das. Mal ist das großartig, mal mau. Der wechselt die Genres und seine Stile wie manche die Unterhosen. Schwer greifbar der Mann. "Sleepers" sieht lange wie sein bester Film aus. Zweifellos zählt er zu den Höhepunkten seiner Arbeiten und es fehlt zur Spitze echt nicht viel. Die Romanvorlage von Lorenzo Carcaterra setzt Levinson in der ersten Hälfte enorm flott und packend um. Das erinnert an Martin Scorsese, von Erzählweise wie Handlung. "Sleepers" hat in die 2 1/2 Stunden Laufzeit viel zu verpacken, trotzdem geht das schnörkellos und effektiv von der Hand. Stimmungsvoll und gut umgesetzt, mit Figuren die einem ans Herz wachsen, viel Charme und Stallgeruch. Die 60er in Hell's Kitchen erscheinen authentisch, die Protagonisten erhalten genügend Profil und Backround, der erschütternde, angekündigte Paukenschlag tritt rechtzeitig und punktgenau ein. Ab da wird "Sleepers" enorm emotional und bedrückend, um dann im letzten Drittel leider etwas zu schwächelnd zu enden.

Review: SLEEPERS - Das Ende der Kindheit

Der Tunnel am Ende der Kindheit.

Mehr als eine Stunde lang ein schwungvoller und teilweise erschütternder Film um das Ende der Kindheit, durch eigenen Übermut und Unbedarftheit, mehr aber noch durch dir grausame Macht gewissenloser Ungeheuer. Aus dem formidablen Cast sticht Kevin Bacon als sadistischer Gefängniswärter mit diabolischer Eiseskälte heraus. Ein Jahr nach seiner großartigen Leistung in "Murder in the First" vollzieht er quasi einen Seitenwechsel, spielend und eindrucksvoll. Hier werden grausame Szenen sehr eindringlich, trotzdem nicht voyeuristisch ausgelebt, dem Zuschauer nichts erspart und dennoch deutlich und dankenswerterweise genug. "Sleepers" ist bis dahin umwerfend gut gemacht und furchtbar ergreifend, auf dem Weg zu einem Überfilm der 90er. Neben dem sensationellen Bacon fallen die jungen Nebendarsteller (am bekanntesten wohl Brad Renfro, später durch seinen Drogenkonsum verendet) kaum ab und Robert De Niro beherrschte damals eh jede Szene. 

 

Review: SLEEPERS - Das Ende der Kindheit

Glaube vor Freundschaft?

Leider verliert der bis dahin großartige Film etwas in der zweiten Hälfte, zum Teil handlungsbedingt. Obwohl die Geschichte an sich jetzt erst richtig los geht, das gesamte Gerichtsszenario ist (natürlich) weitaus weniger packend und manchmal etwas trocken. Das Ende ist zu vorhersehbar, Überraschungen finden nicht statt, alles läuft auf das logische, geplante Ende hin. Gut inszeniert und gespielt ist das immer noch, Dustin Hoffman als schluffiger Säufer-Anwalt ein weiteres Highlight, nur ist etwas zu früh die Luft raus. Mehr Fokus auf das moralische Dilemma einer bestimmten Person hätte dem Film besser zu Gesicht gestanden. Das wird angerissen, läuft dann leider nur so nebenbei mit, obwohl das wesentlich spannender gewesen wäre als der offensichtliche Prozessverlauf. Am Ende könnte man "Sleepers" sogar vielleicht verwässerte Moral vorwerfen, das umschifft das Skript glücklicherweise noch geschickt genug. Kurze Momente des Triumphs werden durch das Schicksal ausgeglichen. Auge um Auge klingt zwar gerecht, doch dieser ethischen Zwickmühle muss sich der Film letztendlich nicht ernsthaft stellen. Das passt schon, für alle Seiten.

 
"Sleepers" nutzt das vorhandene Potenzial nicht gänzlich, reißt aber lange genug richtig und auch zum Schluss noch genug mit, um als klare Empfehlung durchzugehen. An gewissen Stellschrauben hätte noch gedreht, manche Figuren besser beleuchtet und genutzt werden können, unterm Strich steht trotzdem ein starker, emotionaler Film der mehr als nur eine Sichtung überstehen wird.

 
7,5 von 10 Scheinprozessen

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