Review: FACE/OFF – IM KÖRPER DES FEINDES – John Woo wechselt seinen Stars die Visagen aus

Review: FACE/OFF – IM KÖRPER DES FEINDES – John Woo wechselt seinen Stars die Visagen aus
Fakten:
Face/Off – Im Körper des Feindes (Face/Off)
USA. 1997. Regie: John Woo. Buch: Mike Werb, Michael Colleary. Mit: Nicolas Cage, John Travolta, Joan Allen, Alesandro Nivola, Gina Gershon, Harve Presnell, CCH Pounder, Dominique Swain, Nick Cassavetes, Colm Feore, John Carroll Lynch, Danny Masterson, Thomas Jane, Chris Bauer, Margret Cho, Robert Wisdom, James Denton u.a. Länge: 133 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
FBI-Agent Sean Archer kann endlich den internationalen Top-Terroristen Castor Troy fassen, der vor Jahren seinen Sohn getötet hat. Doch bei der Verhaftung wird Troy stark verletzt und fällt ins Koma. Kein günstiger Zeitpunkt, denn irgendwo in der Stadt tickt eine Bombe. Um in Erfahrung zu bringen, wo die Bombe versteckt ist, lässt sich Archer auf eine waghalsige Mission ein. Mittels modernster Chirurgie nimmt er Castor Troys Aussehen an und versucht von Pullox, Castors Bruder, in Erfahrung zu bringen, wo das Bombenversteck ist. Doch der angeblich sichere Plan entpuppt sich als Himmelfahrtskommando, als der echte Castor Troy aus dem Koma erwacht und Archers Gesicht und Identität annimmt.


Meinung:
Als Virtuose des stilbewussten Action-Kinos ging John Woo mit seiner bebenden Heroic Bloodshed-Revolution und Werken wie „Hard Boiled“ oder „The Killer“ in die Annalen der Filmgeschichte ein – Hartes, testosterongeladenes und pathetisches Männerkino, welches sich ganz seinem unnachahmlichen Style verschrieben hat und jede Szene bis ins kleinste Detail penibel durchkomponierte. Doch John Woos beeindruckende Karriere erlitt einen herben Bruch, als sich nicht mehr nur der asiatische Markt nach ihm die Finger leckte, sondern auch die goldene Traumfabrik, um Woo in die heimischen Gefilde zu rekrutieren. Obwohl alles so ansehnlich begann und Streifen wie „Hard Target“ und „Operation – Broken Arrow“ noch solide Qualität für den geneigten Verfechter versprachen, häuften sich schnell Debakel wie „Mission: Impossible 2“, „Windtalkers“ und „Paycheck“ mit bleibendem Endruck. Es gab jedoch einen Film in Woos Œuvre, geradezu von essentieller Natur, mit dem er seiner HongKong-Vergangenheit auch in Amerika alle Ehre gemacht hat: „Face/Off“.

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- Du bist ein Overacter. - Nein, du bist der Overacter.

Das Kino des John Woo war immer ein bis zum Anschlag konstruiertes, bis in seine Einzelheiten durchgeplant; jede Bewegung wurde eine immense Bedeutung zugesprochen und musste kohärent wie inhärent mit der charakteristischen Bildästhetik verschmelzen. Im Alter wird man zwar lockerer im Umgang mit alten Werten und Konventionen, aber wie Woo sich seinen eigenen Ruf im Laufe der amerikanischen Zeit ruinierte, ist ein bis heute anhaltendes Trauerspiel für jeden Anhänger. Balsam für die Seele ist dementsprechend der Rückgriff auf „Face/Off“, in dem er nicht nur der Auftragsarbeiter profitgieriger Studiobosse mit gebundenen Händen war, sondern eine eigene Vision verfolgen konnte, die „Face/Off“ zwar auch irgendwo zum stylischen Edel-Trash macht, aber doch deutlich mehr Substanz besitzt, als die handelsübliche Baller-Ware, in der nur der Body Count und nicht das mehrwertige Plateau interessiert – wenngleich auch „Face/Off“ ein absolut audiovisueller Film ist, dem man nun nicht als hochintelligentes Actionessay titulieren darf.

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Hallelujah. Nic Cage wie wir ihn kennen und lieben

Was man allerdings behaupten darf, ist, dass „Face/Off“ zu den besten Vertretern der 90er Jahre-Actionperoide zählt, der sich zusammen mit „Terminator 2“, „Stirb langsam – Jetzt erst recht“, „The Rock“ und „Speed“ die obersten Plätze teilt. An erster Stelle fällt da natürlich direkt die prominente Besetzung auf, bei der John Woo gleich zwei der gefragtesten Stars von damals für sich gewinnen konnte: John Travolta und Nicolas Cage. Heute sind die Beiden nur noch gefallene Mimen längst vergangener Zeiten und irren zumeist durch belanglose B-Produktionen, ohne wirklich auf sich aufmerksam machen zu können, bis auf sämtliche Negativschlagzeilen, die durch die Boulevard-Presse sausen. Aber in den 90er Jahren konnte vor allem Nicolas Cage die Hochkonjunktur seiner Popularität genießen und so überkandiert agieren, wie es ihm gefallen hat: Die Welt hat applaudiert. Interessant an „Face/Off“ ist hingegen, dass sich die beiden Schauspieler gegenseitig aufeinander anpassen müssen und ihre entscheidenden Gesichtszüge, das anarchische Chaos, die seelische Zerschlagenheit, imitieren. Das endet oft im absoluten Overacting, macht aber dennoch unfassbar viel Spaß.

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Pullox versucht so wansinnig zu sein wie sein Bruder

Die Geschichte rundum Gesichtstransplantationen und dem Eifer zweier Erzfeinde, basierend auf einem familiären Attentat, die immer bis zum Äußersten gehen würde, ist in ihrer rasanten Erzählung weder besonders klug, noch mit realitätstreuen Maßen zu messen. „Face/Off“ verliert sich aber auch nie aus den Augen, bleibt nachvollziehbar formuliert und lässt den Zuschauer dem Geschehen problemlos von Minute zu Minute folgen, ohne sich in narrativen Endlosschleifen zu verknoten und dem Zuschauer so ein verwebtes Wirrnis zuzumuten. Allein die Exposition beweist, dass John Woo seine alten Stärken gen Himmel streckt und die aufgesetzte Familienidylle wird in einem akkurat positionierten Ablauf vollkommen dezimiert: Mechanische Physik, und doch so unvorhersehbar affektiv. Und dieser ästhetisierten Präzision bleibt John Woo durchweg treu, zelebriert und stilisiert seine Hauptdarsteller gewissenhaft nach Strich und Faden, genau wie die bleihaltigen Konfrontationen, in denen sich die verschiedenen Abläufe innerhalb einer Schießerei effektuiert aufsaugen.

Wenn sich „Face/Off“ für kurz Zeit von seinen schlaghaltigen Actionargumenten distanziert und das dramatische Dilemma seiner beiden Hauptakteure fokussiert, ohne ins theatralische Niemandsland abzurutschen, bekommt „Face/Off“ tatsächlich eine leichte philosophische Note zugesprochen. Es stellt sich die Frage, ob das alte Leben noch einen Sinn hat, ob es noch einmal zurückerlangt werden könnte und das eigentliche Stylemanifest wird zur metaphorischen Parabel über die rivalisierte Identitätsfindung zweier Kontrahenten, die sich in ihrem eigenen Körper wiederfinden; der ehrenhafte Kampf gegen sein inneres Übel. Dabei wird den Toten die Schuhe zum Abschied gebunden, während die unschuldigen Tauben als Einleitung für das kommende Gewaltgewitter dienen. Irgendwie herrlich nostalgisch.

7 von 10 Goldenen Pistolen

von souli


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