Review | „Ein wirklich erstaunliches Ding“ von Hank Green

Review | „Ein wirklich erstaunliches Ding“ von Hank Green

Autorin: Hank Green / 448 Seiten / Übersetzung: Katarina Ganslandt / Hardcover mit Relieflack / Verlag: BOLD / erhältlich bei: Bücher.de, mayersche.de

Der Plot…

Ein paar Klicks, ein kurzer Film, eine spontane nächtliche Aktion – und Aprils Leben steht auf dem Kopf. Eigentlich hatte sie nur eine mysteriöse, aber beeindruckende Roboter-Skulptur gefilmt und ins Netz gestellt und ihr aus Spaß den Namen CARL gegeben – nichts Besonderes eigentlich, doch als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist sie berühmt. Überall auf der Welt sind Carls aufgetaucht, niemand weiß, woher sie kommen, niemand weiß, wofür sie gut sind. April wird zur Carl-Expertin, die Medien stürzen sich auf sie, ihre Videos verbreiten sich millionenfach. Doch im Zentrum der weltweiten Hysterie erntet sie nicht nur Likes…

Von Carls umzingelt…

Zunächst möchte ich hervorheben, dass mich schon lange kein Buch so lange hat grübeln und eine Besprechung umschreiben lassen.

Obwohl weitgehend als solches beworbenen, ist EIN WIRKLICH ERSTAUNLICHES kein zeitgemäßes realistisches Jugendbuch. Hank Greens Debüt beinhaltet einen Crossover aus realistischem All-Age und Science-Fiction.

Review | „Ein wirklich erstaunliches Ding“ von Hank GreenHank Green hat es als Co-Gründer der VLOGBROTHERS, der VIDCON und weiteren Medien, selbst zu so etwas wie Berühmtheit im Internet gebracht. Im gesamten Roman reflektiert er prägnant und nachdenklich, wie berauschend, aber auch süchtig machend und sogar entmenschlichend das Leben im Rampenlicht sein kann. Dieser letzte Punkt verleiht dem Buch die größte Stärke, denn Protagonistin April Mays Ruhm führt dazu, dass sie und ihr Leben sich im Wesentlichen in eine Marke und ein Phänomen verwandelt.
Der Preis dafür ist hoch, denn mit Ruhm kommen nicht nur Anhänger sondern auch Neider. Zustimmung und Abneigung, gar Hass, ziehen verheerende Folgen für April May mit sich.

April Mays Charakter ist komplex, aber auch interessant und sehr authentisch. Die Protagonistin versucht dem Leser gar nicht erst weiszumachen, dass sie nicht unfehlbar ist. Sie ist hungrig nach Ruhm und besitzt nicht gerade viel Selbstliebe, geschweige dass sie sich besonders um ihre Mitmenschen schert. Ihre Ansichten und Entscheidungen zogen bei mir einiges Stirnrunzeln mit sich. Hank Green hat sich mit dieser Figur viel getraut. Nicht jeder Autor würde so einen waghalsigen Weg gehen. Mit April May hat es, aus meiner Sicht, für diese Geschichte ziemlich gut funktioniert.

Auch die Nebenfiguren sind durchaus facettenreich und spannend gezeichnet worden. Etwas mehr Aufmerksamkeit hätte ich mir daher für sie gewünscht. Da die Geschichte jedoch aus April Mays Sicht geschildert wird, stand die Option wohl eher weniger im Raum.

Die Idee von Hank Green hat mich sehr fasziniert. Seine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen durch seine Arbeit und den gewonnenen Einfluss durch z. B. die Youtube-Community, sind stark in das Buch geflossen. Ohne Zweifel trifft er damit den Nerv bei der Zielgruppe. Vor allem für junge Leser, die die Sozialen Netzwerke intensiv nutzen, ist diese Erzählung durchaus spannend. Auch mir sind viele Entwicklungen gar nicht so abwegig erschienen.
An der stilistischen Umsetzung hatte ich bisweilen jedoch zu knabbern. Die Handlung weist einige Längen auf.

Und natürlich ist da noch das Rätsel um die »Carls«. Die Roboter waren für mich die undurchsichtigsten Figuren. Man weiß eigentlich nicht so recht, was sie wirklich im Schilde führen. Und so überlassen sie es der Menschheit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen bzw. sich gegenseitig die Köppe einzuschlagen.

Das Ende des Buches ließ mich mit einigen Fragen zurück. Bücher mit offenem Ende finde ich spannend, sofern es schlüssig ist. Wüsste ich nicht, dass es hier ein Sequel geben wird, wäre ich mehr als enttäuscht gewesen. Zum Glück kann man noch auf die Klärung einiger Fragen hoffen.

Tacheles…

Dieses Buch wird nicht jeden begeistern. Es wird polarisieren. Das mag an der Protagonistin liegen, an diversen Längen, oder dem Ende. Und was für ein Ende das war! Für mich persönlich ist April May ein zwischenmenschliches Desaster, was jedoch sehr gut zur Gesamtidee passt. Der Autor bewies mir, dass eine Hauptfigur nicht Sympathieträger sein muss. Vielmehr sollte sie glaubhaft sein. Hank Green hat ein überaus interessantes Debüt abgeliefert, mit einer Message die sehr stark zum Denken anregt. Um das angekündigte Sequel komme ich daher nicht herum.


*Rezensionsexemplar – Dieses Buch wurde mir vom Verlag gegen den Austausch einer unabhängigen Beurteilung zugesandt. Für dieses Vertrauen bedanke ich mich sehr. Die Rezension spiegelt meine freie Meinung wieder.
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