Review: AM SONNTAG BIST DU TOT - Die Passion Gleeson


Review: AM SONNTAG BIST DU TOT - Die Passion Gleeson                                                                                    
Fakten:Am Sonntag bist du tot (Calvary)IR, GB, 2014. Regie & Buch: John Michael McDonagh. Mit: Brendan Gleeson, Chris O´Dowd, Kelly Reilly, Aidan Gillen, Dylan Moran, Isaach De Bankolé, M. Emmet Walsh, Marie-Josée Croze, Domhnall Gleeson, David Wilmot u.a. Länge: 101 Minute. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 20.3. 2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Father James erfährt im Beichtstuhl, dass er nächsten Sonntag sterben wird. Sein vermeidlicher Mörder kündigt ihm die Tat an. Er soll stellvertretend für die Unschuld sterben, die ihm einst von einem Priester genommen wurde. Anstatt die ihm bekannte Person zu melden oder sich selbst zu schützen, geht James weiter seinem Tagewerk in der Gemeinde nach, in dem Wissen, dass dies wohl seine letzte Woche auf Erden wird.
  
Meinung:Wie 2008 schon seinem jüngeren Bruder Martin McDonagh mit „Brügge sehen…und sterben?“ gelang John Michael McDonagh 2011 mit seinem Kinodebüt als Regisseur- der schwarzen Krimikomödie „The Guard – Ein Ire sieht Schwarz“ - gleich ein hochgelobter Achtungserfolg. Die beiden Brüder zählen trotz jeweils nur zwei abendfüllenden Spielfilmen bisher schon zu den hoffnungsvollen, frischen Filmemachern der Neuzeit. Martin konnte das mit der zwar mehrheitlich durchaus gefeierten, nichtsdestotrotz eher holprigen und überfrachteten Meta-Posse schon nicht mehr ganz bestätigen, nun also das zweite Werk von Bruder John Michael, dass von Kritikern und Publikum überwiegend als sehr positiv aufgenommen wurde und auch einige Auszeichnungen einheimsen konnte.

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Im Angesicht des Todes, doch wer ist der Killer?

Wie schon in McDonaghs Debütfilm (und dem seines Bruders Martin) übernimmt erneut der kantige Hüne Brendan Gleeson die Hauptrolle. In dieser verkörpert er den katholischen Pfarrer einer kleinen, irischen Gemeinde, dem sein baldiges Ableben angekündigt wird. In einer Woche wird ihn einer seiner Schützlinge töten. Die Ankündigung erfolgt nicht etwa anonym, der Geistliche wird direkt im Beichtstuhl damit konfrontiert. Warum soll er sterben? Nun, weil er unschuldig ist. So unschuldig wie damals sein angehender Henker, der über Jahre von einem Mann Gottes schwer missbraucht wurde. Der Mord soll ein Zeichen setzen, aufrütteln, schockieren. Ein unfassbarer, ungerechter Akt der Vergeltung. Father James kennt den Mörder in spe, im Gegensatz zu uns. Naheliegende wäre jetzt für wohl jeden, alle entsprechend Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Die Person der Justiz melden, untertauchen, sich irgendwie zu Wehr setzen. Doch genau das geschieht nicht. Fast als wäre nichts gewesen, geht James in den folgenden Tagen seinem Alltag nach. Diesmal vielleicht nur noch ein Stück intensiver als sonst. Er geht gezielt auf die zahlreichen grauen und schwarzen Schäfchen in seiner Herde zu, versucht sich um ihre Probleme und Sorgen zu kümmern, auch wenn er dabei meist auf Ablehnung und teils sogar Spott stößt. Beinah unbeirrbar, nur manchmal von menschlichen Zweifeln und Ängsten geplagt, geht Father James seinen Weg, mit einem klaren Ziel vor Augen, dass er sich zwar nicht verdient, ausgesucht oder gar herbeigesehnt hat, doch dieses als scheinbar unausweichliche Fügung des Schicksals sieht. Seine Bestimmung, seine Passion.

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Er könnte es sein, halt der "merkwürdige Exot", ...

Auch wenn der unglückliche deutsche Titel einen zunächst in einer andere Richtung lenken mag (im Original „Calvary“ = Kalvarienberg oder auch Golgota, die Hinrichtungsstätte von Jesus Christus) und man ohne Backup-Infos über den Inhalt eventuell erneut an einen unterhaltsam-scharfzüngigen Unterhaltungsfilm mit schwarzem Einschlag denken könnte, es dauert auch ohne diese unfreiwillige Irreführung nicht lange, bis man die Idee von McDonaugh hinter seinem Werk durchblickt hat. Der zwar schwermütig-herzensgute, idealistische, dennoch nicht realitätsblinde Father akzeptiert sein Schicksal, hadert nur zwischenzeitlich und kurz mit ihm und begibt sich auf den Leidensweg Christi, durchlebt dessen letzten sieben Tage vor seiner Kreuzigung. Das Kreuz wird eine Pistole sein, der Berg Golgota ein idyllischer Strand inmitten der nahezu unberührt wirkenden Natur Irlands. Er lädt die Sünden seiner Mitmenschen gezielt auf seine breiten Schultern, versucht auf den letzten Metern noch so viel Gutes zu tun und Beistand zu bieten wie nur möglich, auch wenn es ihm kaum einer danken wird, um am Ende als Heiland gen Himmel zu fahren. Die andere Wange hinhaltend. Sterbend als unschuldiges Opfer, stellvertretend für die kleinen Sünden seiner Mitmenschen und noch viel mehr für die historischen, riesengroßen, unzähligen und unverzeihbaren Sünden seiner Kirche oder zumindest denen, die unter dem Deckmantel ihres Namens an so Vielen verübt wurden.

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...oder er, dann wohl mit Zivi, ...

„Am Sonntag bist du tot“ steht somit total zwischen den Stühlen, was durchaus als positiv zu bewerten ist. Einerseits bedient er sich der biblischen Schrift eindeutig und unverkennbar als klare Vorlage (es kann nicht mal mehr als Metapher bezeichnet werden, dafür zu offensiv und direkt vorgetragen), greift dabei andererseits ein Thema, eine scheußliche Wahrheit auf, die für die Kirche einen ihrer größten, nie wieder gutzumachenden Schandflecke darstellt. McDonagh ergreift somit nicht klar Position, macht weder einen Pro- noch Contra-Kirchenfilm, da er sowohl deren Verfehlungen anprangert als auch eine ihrer bekanntesten Geschichten mit ihrem Geist, ihrer Botschaft von Güte, Opferbereitschaft und der Tugend der Vergebung ohne Häme wiedergibt. Geschickt, somit werden Grundsatzdiskussionen von Gläubigen und Atheisten (um nicht zu sagen Realisten) gar nicht unnötig angefacht, es geht mehr um die allgemeine Diskussion, die dieser Film eventuell lostreten kann. Das klingt jetzt eigentlich alles ganz toll oder zumindest mächtig interessant und um mit der letztlichen Bewertung noch mehr zu irritieren: Brendan Gleeson ist mal wieder eine Wucht. Der Kerl hat sich vom charismatischen, auffälligen Nebendarsteller über die Zeit heimlich, still und leise, trotzdem zusehend zu einem Leadingman entwickelt, der einen kompletten Film praktisch im Alleingang stemmen kann. Mühelos. Dazu kommen die durchgehend stimmigen, atmosphärisch treffsicheren Bilder, die tolle, authentische Kulisse. Alles wunderbar.

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...oder auch er, das Töten scheint er zu beherrschen.

Das ganz große Problem von „Am Sonntag bist du tot“ mag aufgrund der ganzen positiven und sogar kreativen Aspekte jetzt furchtbar banal klingen, aber es ist entscheidend: So ambitioniert, durchdacht, hintergründig und durchaus individuell das Ganze sein mag, es bleibt irgendwo nur eine ganz smarte Idee, die als Film nicht wirklich mitnehmen zu vermag. Mit Ausnahme von Gleeson und seiner Figur erscheinen alle anderen Charaktere nur als Symbole dargeboten, werden grob skizziert, auf ihre Verfehlungen und Baustellen heruntergebrochen, wandelnde Sorgenkinder und gefallene Seelen, deren Einzelschicksale einem so gar nicht nahe gehen. Vielleicht noch Kelly Reilly als Gleesons depressive, lebensmüde Tochter, von ihr glaubwürdig gespielt, doch selbst gute Nebendarsteller wie „Game of Thrones“-Star Aiden Gillen oder der scheinbar unsterbliche M. Emmet Walsh können nicht gegen die oberflächliche, teils sogar uninteressante Gestaltung ihrer Rollen anspielen. Manche der zahlreichen Figuren scheinen gar überflüssig, werden wohl nur für den Bezug auf die biblische Vorlage mit eingebaut, für die Funktionalität der filmischen Handlung tragen sie so gut wie nichts bei. Insgesamt wirkt der Film zu sehr auf seine bedeutungsschwangere Meta-Ebene fokussiert, ohne das Interesse am grundsätzlichen Verlauf konsequent aufrecht zu erhalten. Sicher, die Dialoge wirken durchdacht, nie zufällig gewählt, was die Handlung nicht weniger trocken macht, aufgelockert durch gelegentliche, lakonische Humorspitzen. Die Aussage, das Konzept steht über allem, was sich negativ auf den Fluss auswirkt. Offenkundig sehr wichtig, clever und künstlerisch, hat man die Nummer aber erst durchschaut (was schnell geht und mit einem Minimum an Konfirmationsunterrichtrestbeständen nicht zu schwer ist), ist der Ablauf eher dröge. Leider.
Es ist durchaus verständlich, dass dieser Film, gerade in seiner Heimat, so überschwänglich aufgenommen wurde. Speziell McDonagh und Gleeson zeigen, was sie rein formell auf dem Kasten haben. Nur ist „Am Sonntag bist du tot“ eher ein gut gemeinter, etwas anderer Film, der aus seinen Ansätzen nicht das große Potenzial herausholt und sich selbst in seinem Anspruch leicht erstickt, zu sehr auf das bestehende Fundament baut, anstatt es wirklich reizvoll auszubauen. Wenn die McDonaugh-Brüder auf Meta machen, ist das noch nicht rund, aber John Michael kann es in dem Fall dennoch besser als sein Bruder, wenn auch ganz anders und mit anderen Problemen in der B-Note. 
5,5 von 10 Totensonntagen

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