Review: A MOST WANTED MAN – Das letzte Sprengsel Menschlichkeit

Review: A MOST WANTED MAN – Das letzte Sprengsel Menschlichkeit Fakten:
A Most Wanted Man
UK. 2014. Regie: Anton Corbijn. Buch: Andrew Bowell, John le Carré (Vorlage). Mit: Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Daniel Brühl, Nina Hoss, Willem Dafoe, Robin Wright, Kostja Ullmann, Herbert Grönemeyer, Rainer Bock, Martin Wuttke, Derya Alabora, Homayoun Ershadi, Mehdi Dehbi, Vicky Krieps, Franz Hartwig u.a. Länge: 121 Minuten.
FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 27. Februar 2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Isaac Karpov schlägt sich als illegaler Einwanderer bis nach Hamburg durch. Dort taucht er in der islamischen Gemeinde der Stadt unter. Doch Kaprov scheint etwas von großer Wichtigkeit zu verbergen und so gerät er in den Fokus einer geheimen, deutschen Spionageeinheit des Leiters Bachmann. Dieser und sein Team müssen feststellen, dass durch die Anwesenheit Karpovs weitaus mehr auf dem Spiel steht, als anfangs gedacht.
Meinung:
Es gibt da einen Moment in „A Most Wanted Man“, der unsere Hauptfigur Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman) wunderbar auf den Punkt bringt: Im Gespräch mit Dieter Mohr (Rainer Bock), dem Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, wird Bachmann dazu angehalten, Blut auf den Straßen zu vermeiden. Seine Reaktion ist eine deutliche: „Haben Sie jemals Blut auf den Straßen gesehen?“. Mohr verstummt, Günther Bachmann zieht leicht hinkenden Schrittes von dannen. Man mag diesem Mann eine gewisse Lebensmüdigkeit attestieren, beinahe entkräftet schlaucht er seinen Körper durch das Post-9/11-Geheimdienstnetz, welches er im nordischen Metropolis, Hamburg, vorfindet, doch den Glauben an den Menschen hat er über all die Jahre der Kontrolle, der unbedingten Professionalität und der herben Rückschläge nicht eingebüßt. Sein Charakter und das dazugehörige Spiel seitens Philip Seymour Hoffman sind es dann auch ohne Wenn und Aber, die Anton Corbijns, einem virtuosen Musikvideoregisseur, aber gerne als 'anstrengend' geltenden Spielfilmmachers, Spionage-Thriller-Drama Herz verleihen und ihn so nachhaltig erden.

Review: A MOST WANTED MAN – Das letzte Sprengsel Menschlichkeit

Bachmann und sein Team bei der Spionagearbeit

Nicht nur dunkle Gewitterwolken des Verdachts, des Etwaigen, des Mutmaßlichen haben sich am Firmament festgesetzt, auch der tragische Drogentod von Philip Seymour Hoffman am 2. Februar, 2014 hat sich in jedes Frame des Filmes eingefräst. Ohnehin verkörpert der unnachahmliche Performanceskünstler hier einen von in steter Melancholie verharrenden Spion, den der Job noch nicht gänzlich jedweder Ideale beraubt hat, aber durchaus in die Einsamkeit getrieben: Alkohol ist sein allabendlicher Gefährte. Das mag nach Klischee riechen, wird in „A Most Wanted Man“ aber keinesfalls in den Primärtext gerückt, stattdessen darf man sich als Zuschauer selber ein Bild davon machen und Entschlüsse festigen, wenn Bachmann mal wieder am Flaschenhals hängt. Ein interessanter Aspekt, der sich in gewisser Weise auch auf das Wesen Bachmanns projizieren lässt: Nicht, dass er gänzlich ungeschoren seit jeher seinen Dienst verrichtet hat, doch die seit dem 11. September betonierten Ressentiments um Islamisten sind ihm zu wider und entsprechen schlichtweg nicht seiner Definition von Anti-Terror-Kampf. Anders als die rivalisierenden Nebenbuhler (hier beispielsweise die Central Intelligence Agency), die Resultate auch mal aus gedrungener Willkür erzwingen.

In Hamburg verortet, das natürlich eine ganz besondere Rolle seit jenen Anschlägen in der Weltpolitik eingenommen hat, müht sich der russisch-stämmige Tschetschene Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) aus der Wellen der Elbe, ausgelaugt von der Folter in türkischen Gefängnissen, gerät er schnell ins Visier der hiesigen Nachrichtendienste, die in ihm einen potenziellen militanten Jihadisten sehen. Anton Corbijn inszeniert „A Most Wanted Man“ als eiskaltes Unterfangen, immer auf Distanz der abenteuerlichen Doppelnullromantik gehalten und versinnbildlicht die Hansestadt zur urbanen Reflexionsplattform für Günther Bachmann, der nicht nach Schnellschussverfahren strebt, sich genau diesen schlussendlich aber ausgeliefert sieht. In seiner allgegenwärtigen, aber doch brüchigen Nüchternheit schürt „A Most Wanted Man“ die exakte Atmosphäre, um einen Wirkungsraum zu etablieren, der nicht nur in Gut und Böse, in Aufnahme und Ablehnung denkt, sondern sich auch als Möglichkeit beschreibt. Die letzte Szene schmerzt dann jedoch im doppelten Sinne. Wieder einmal musste Bachmann scheitern und mit ihm verlässt auch Philip Seymour Hoffman für immer die große Bühne.

8 von 10 würdigen Abschlüssen

von souli

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