"Rette mich" von Becca Fitzpatrick



Auf dem Parkplatz, von dem aus man auf den Friedhof hinunterblicken konnte, kam der schnittige schwarze Audi langsam zum Stehen.
Als Nora Grey auf dem Friedhof neben dem Grab ihres Vaters erwacht, sind die letzten fünf Monate aus ihrer Erinnerung verschwunden. Die letzten Erinnerungen seit April - und somit jegliche Erinnerung an Patch. Doch in ihrem Unterbewusstsein ist eines geblieben: Die Farbe Schwarz. In dem Versuch sich an irgendeine Erinnerungsstütze zu klammern, lässt sie sich von der Farbe leiten, denn weder ihre Mutter noch ihre beste Freundin Vee, die beide etwas zu wissen scheinen, geben Nora Anhaltspunkte, um ihr Gedächtnis zurückzuerlangen. Bis sie auf den düsteren und geheimnisvollen Jev trifft, der in ihr verschwommene Erinnerungen wachruft, die sie nicht näher benennen könnte. Doch da ist noch mehr: Der unheimliche neue Freund ihrer Mutter, der Verdacht, dass irgendetwas in Planung ist, was mit ihrer Vergangenheit zutun haben könnte. Im Kampf um ihre Erinnerungen trifft Nora auf weit mehr, als sie je gedacht hätte...
Becca Fitzpatrick's Schreibstil ist auf eine detaillierte, beschreibende Art schmucklos. Nicht, dass er schlecht oder oberflächlich wäre, er ist nur auf angenehme Art und Weise ohne Schnörkel und Poesie gehalten, was jedoch optimal der Geschichte angepasst ist. Ihre Gabe besteht vielmehr daraus eine düstere und schwarze Atmosphäre abzubauen, die sich durch das gesamte Buch zieht und einen Nebel aus Geheimnissen und Mystik über die Geschichte zu legen. Dabei liest sich das Buch flüssig und hat einen absoluten Suchtfaktor (was allerdings nicht wenig mit der männlichen Hauptperson zu tun hat), da es der Autorin gelingt das Gleichgewicht zwischen direkter Rede, Beschreibung und Spannung aufrechtzuerhalten, sodass ich nie das Gefühl hatte, dass die Geschichte sich in irgendeiner Weise zieht.
Es gibt Buchreihen, die von einer einzigen Sache leben. Eine einzige Sache, die diese Buchreihe einfach besonders und lesenswert macht und ich denke so gut wie jede weibliche Leserin, die von der Engel-der-Nacht-Reihe angetan ist, wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass diese einzige Sache in diesem Fall niemand anderes als Patch ist. Meiner Meinung nach ist er die Stärke der Reihe, das Faktum, was sie konstant interessant und spannend macht, auch wenn es sicherlich ebenfalls ein wenig am gut erzählten Plot liegt, der Spannung und Gefahr mit sich bringt. Dennoch denke ich, wenn mir die Reihe in den Sinn kommt, eigentlich nur eins: Patch! Und ob der in dem dritten Teil der Reihe endlich mal ein wenig näher beleuchtet wird oder nur am Rande auftritt, dass erfahrt ihr gleich.
Nachdem mir "Bis das Feuer die Nacht erhellt" nicht sonderlich gut gefiel und auch wenig im Gedächtnis hängen blieb, war ich über Noras Verlust von ebendiesem eigentlich regelrecht euphorisch - wusste ich doch schließlich ohnehin nicht mehr die genauen Details. Womöglich mögen es viele anders sehen, aber meiner Meinung nach war der Gedächtnisverlust das Beste, was Fitzpatrick sich zusammenschreiben konnte, weil er erstens wieder das eigene Gedächtnis ein wenig aufgefrischt hat und zweitens die - aus dem ersten Teil heiß geliebte - Spannung zwischen Nora und Patch herstellen konnte, die der Reihe diese besondere Atmosphäre geben. So hatte mich das Buch merkwürdigerweise schon ab der ersten Seite, wo der zweite Teil mich erst gegen Ende hatte - was bei diesem dramatischen Prolog aber auch kein Wunder sein dürfte. Die Spannung war von Anfang an dabei und hat mich in ein neues, engelsgleiches Abenteuer gezogen.
Nora empfand ich dabei direkt als glaubwürdig und sympathisch, die wie eh und je ihren Standpunkt an die Menschen bringt, was neben manchen marionettenhaften Figuren aus dem Genre mal wieder frischen Wind mit sich gebracht hat. Ihre Amnesie und die damit zusammenhängenden Folgen haben sie glaubwürdig aus der Bahn gerissen und ihre Wut und Angst ist an jeder Stelle nachzuvollziehen. Und dann ist da noch Patch. Und an dieser Stellen kann ich ja schonmal davor warnen, dass es hier ein wenig in Schwärmerei und Fangirling ausarten könnte, aber bei Patch fällt es mir schwer objektiv zu bleiben. Um es mal ganz platt zu sagen: Der Typ ist einfach heiß! Mit seinen provozierenden und witzigen Sprüchen weiß er die Atmosphäre immer aufzulockern, auch wenn von ihm gleichzeitig noch immer diese gefährliche und mysteriöse Aura ausgeht - die gerade beim Wiederannähern mit Nora mal wieder seine volle Wirkung entfaltet hat. Diese dunkle und raue Art machen ihn zu einem unvergesslichen Charakter, von dem man sich auf jeder Seite wünscht, er möge endlich wieder ins Geschehen eingreifen. Was ich hier allerdings vermisse und was ich mir vom letzten Teil erhoffe: Mehr von seiner Vergangenheit. Vielleicht ist diese Undurchsichtigkeit eines der Dinge, die ihn so faszinierend machen, aber dennoch wüsste ich einfach gerne mehr über ihn - schließlich ist er eben der Mittelpunkt der Geschichte für mich.
Neben den Figuren kommt aber auch die Story nicht zu kurz - ganz im Gegenteil, es geht ziemlich hoch her. Irgendwie hatte ich das Gefühl von einem Geschehen ins nächste zu geraten, wobei ich dennoch das Gefühl habe, dass die Autorin den roten Faden manchmal selbst verliert und manchen - meiner Meinung nach wichtigen - Handlungssträngen überhaupt nicht mehr nachgeht. Hier hoffe ich ebenfalls auf den letzten Teil der Reihe, der hoffentlich mehr Licht ins Dunkel bringt. Ansonsten verfolgt die Geschichte einen rasanten und konstant spannenden Handlungsbogen, der es mir schwer gemacht hat, das Buch aus der Hand zu legen. Mit nervenaufreibenden Jagden und Versteckspielchen schafft die Autorin eine actiongeladene Geschichte, wie ich es schon von den Vorgängern kenne. Was Spannung und Action angeht, kann man sich auf Fitzpatrick voll und ganz verlassen.
Einziger Kritikpunkt ist für mich jedoch das Ende - obwohl ich der Autorin zu Gute halten muss, dass es kein so besonders gemeiner Cliffhanger ist, wie der aus dem letzten Teil. Die Entwicklung der Tatsachen gefällt mir aber dennoch nicht - vor allen Dingen was am Ende mit Nora geschieht finde ich klischeebelastet und nervig. Mal ganz davon abgesehen, dass der Showdown viel zu kurz ausgefallen ist, dafür dass der Gegner ja ach so stark und böse war. Hier hätte ich mir einen stärkeren Klimax gewünscht, wo doch die Autorin so gut spannend schreiben kann. Das Ende kam einfach viel zu abrupt dafür dass seitenlang darauf aufgebaut wurde, wie unbesiegbar der Gegner ist, was dafür sorgte das die Luft einfach raus war.
Sobald Patch damit fertig ist Nora zu retten, kann er gerne auch mal bei mir vorbeischauen - vor allen Dingen aber werde ich mir Karten für das große "Finale" reservieren, denn "Rette mich" hat mir wieder gezeigt, warum ich so begeistert vom ersten Teil der Reihe war. Eine Extraportion Patch, viel Spannung und Action haben dafür gesorgt, dass ich mir die Hände wund geblättert habe, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Mal ganz von kleinen (und großen) Fehlern abgesehen, wie vielen unausgearbeiteten Handlungsstränge und das mangelnde Wissen über Patchs Vergangenheit, wurde ich großartig unterhalten und vermisse Patchs doofe Sprüche jetzt schon. Wer "Engel der Nacht" mochte und von "Bis das Feuer die Nacht erhellt" nicht ganz so erhellt war, könnte an "Rette mich" wieder seine Freude haben - vor allen Dingen, wenn man die Reihe mit dem einen gewissen Hintergedanken liest (fängt mit "P" an und hört mit "atch" auf!).



Becca Fitzpatrick wurde 1979 geboren und wuchs in Utah auf. Später zog sie mit ihren Eltern nach North Platte, Nebraska. Sie begann schon früh selbst Geschichten zu erzählen, ihre erste Autorenliebe fand sie in Roald Dahl. Ihr Debütroman »Engel der Nacht« hat es auf Anhieb auf die New York Times Bestsellerliste geschafft. Sie lebt zusammen mit Ihrem Mann Justin und ihrem gemeinsamen Kind in Colorado, USA.
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