Retouren – Risiko oder Chance für die E-Commerce-Branche?
Amazon schließt Nutzerkonten von rücksendefreudigen Kunden – E-Commerce-Riese und Branchenprimus Amazon erzeugt dieser Tage mit seinem konsequenten Umgang im Retouren-Management viel Aufmerksamkeit.
So werden Kunden, die nach Auffassung von Amazon vom Rücksenderecht unverhältnismäßig oft Gebrauch machen, für künftige Bestellungen ausgeschlossen. Betroffene Kunden werden in einer Nachricht über die sofortige Schließung ihres Kundenkontos in Kenntnis gesetzt. Eine Neuanmeldung wird in dieser Ankündigung ebenso ausgeschlossen. Auf Anfrage von Handelsblatt Online [1] bestätigte das Unternehmen diese Vorgehensweise.
Mit der Aussperrung von Kunden geht Amazon konsequent gegen den Trend der sich in den letzten Jahren erhöhenden Retourenquote vor. Laut einer Studie des ibi Research der Universität Regensburg [2] sind ca. 50 % der befragten Händler von einer gestiegenen Retourenquote ihrer Kunden betroffen.
Demnach haben es insbesondere Anbieter aus dem Segment Bekleidung/Textilien/Schuhe mit einer hohen Anzahl retournierter Produkte zu tun. Kostenloser Versand und Rückversand, vielfache Bezahlverfahren und unproblematische Rückgabebestimmungen – Zalando bietet beispielsweise bis zu 100 Tage Rückgaberecht an – erleichtern die Kaufentscheidung und haben die Retouren-Mentalität im Online-Handel gefördert.
Der Aufwand und die damit zusammenhängenden Kosten von Retouren sind für die E-Commerce Anbieter enorm. Hierunter fallen u.a. die Portokosten für die Rücksendung, Material und Personalkosten für die Analyse und Bewertung der retournierten Ware, Wiederaufbereitung, -verpackung, -einlagerung und Verluste durch Wertminderung der Ware. Darüber hinaus entstehen administrative Herausforderungen im Warenwirtschaftssystem bei sämtlichen Warenbewegungen, der Kommunikation mit dem Kunden und der Zahlungsrückabwicklung. Mit durchschnittlichen 10-20 € pro retourniertem Artikel werden die Kosten in der Studie von ibi Research quantifiziert.
Vor dem Hintergrund des von Jahr zu Jahr steigenden E-Commerce-Umsatzes in Deutschland bestätigt diese Entwicklung die Ergebnisse der NTT DATA Studie Modern E-Commerce , dass sich Anbieter insbesondere im Bereich Multi-Channel auszeichnen und sich Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten erarbeiten können. Im modernen Retail-Markt lassen sich demnach unterschiedliche Vertriebs-/Retourenwege identifizieren.
- Kunden, die sich lokal in Filialen von der Produktqualität überzeugen und online bestellen oder anders herum.
- Kunden, die online bestellen und im Ladenlokal retournieren.
- Kunden, die lokal kaufen und lokal retournieren.
- Kunden, die online kaufen und online retournieren.
Multi-Channel-Anbieter sind hier im Vorteil, da sie im Gegensatz zu reinen Online-Anbietern und reinen Ladenlokal-Anbietern auf allen Feldern aktiv sind und durch diese dem Kunden gebotene Flexibilität mehr Umsatz generieren können.
Aufgrund der hohen Kostenwirkungen von Rücksendungen wird effektives Retouren-Management für E-Commerce Anbieter in der Zukunft immer wichtiger. Durch intelligente Nutzung von Multi-Channel Angeboten, können sich E-Commerce Anbieter nicht nur ein eigenes Gesicht geben, sondern gleichzeitig Retourenkosten sparen.
Die Angebote, mit denen der Onlinemarkt seine Kunden in seiner Entstehungsphase einst noch locken musste, führen Online-Händler heute in einem weiter stark wachsenden Segment immer mehr zu finanziellen Herausforderungen. Es bleibt abzuwarten, welche Signalwirkung die neue Verhaltensstrategie von Amazon hat, wie Mitbewerber im Onlinehandel auf diese reagieren und wie andere mit ihrer Geschäftsstrategie möglicherweise eine Marktlücke identifizieren.
Lesen Sie dazu auch: “E-Commerce: Wie Online-Händler sich aufstellen müssen, um online zu bleiben.”
Die Quellen:
[1] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/renditekiller-retouren-amazon-sperrt-kunden-mit-kaufbulimie/8572908.html
[2] http://www.ibi.de/files/Retourenmanagement-im-Online-Handel_-_Das-Beste-daraus-machen.pdf