Gastbeitragsreihe von Daniela Liebscher
Das Fasten ist eine der fünf Säulen des islamischen Glaubens und damit eines der zentralen Gebote für das Leben eines gläubigen Muslim.
In der Betrachtung des islamischen Fastens ergibt sich im Gegensatz zum christlichen Fasten ein relativ einheitliches Bild. Die zwei großen Glaubensrichtungen innerhalb des Islam, die Shiiten und die Sunniten, zeigen nur minimale Unterschiede in ihrer Fastenpraxis auf. Die wichtigste Fastenzeit für alle Muslime ist diejenige, welche im neunten Monat des Hijra-Kalenders, dem Ramadan, einen Mondmonat (29-30 Tage) lang begangen wird. Sie wird mit einem großen Fest, dem Eid Al-Fitr, beendet (Klöcker und Tworuschka 2005, S.92).
Durch den Umstand, dass der muslimische Kalender ein Mondkalender ist, ist der Ramadan verschieblich und durchläuft innerhalb von 33 Jahren alle Jahreszeiten (Sakr 1975 zitiert in: Leiper et al. 2003). Damit verändert sich sowohl die Länge der Fastentage je nach Jahr sowie die klimatischen Bedingungen, in welchen es durchgeführt wird. Muslime, welche in Regionen leben, in denen Tag oder Nacht zur Zeit des Ramadan sehr lang oder sehr kurz sind, sollten sich an die Fastenzeiten in Mekka und Medina oder an diejenigen der nächstgelegenen gemäßigten Klimazonen halten ( zitiert in: Leiper et al. 2003).
Zusätzliche Fastenzeiten werden von manchen religiösen Traditionen unter anderem für den 10. Tag des Monats Muharram (Ashura) oder an jeweils drei Tagen im Monat empfohlen, wobei an bestimmten Feiertagen Fasten auch verboten ist. Jedoch wird auch Mäßigung beim Fasten empfohlen. Übermäßiges Hungern wird nicht als gottgefällig gesehen, da es den Gläubigen an der Ausübung der persönlichen Pflichten hindern kann (Klöcker und Tworuschka 2005, S.93).
Jeder gesunde Muslim ist ab dem Eintritt in die Pubertät zum Fasten während des Ramadan verpflichtet. Dieses Reifealter wird für Mädchen mit dem Eintritt in das 12., für Jungen mit dem Eintritt in das 13. Lebensjahr erreicht.
Das Fasten dauert täglich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Hier finden sich leichte Differenzen zwischen Shiiten und Sunniten: Die Shiiten tendieren dazu, ihr Fasten erst dann zu brechen, wenn die Sonne vollständig am Horizont untergegangen ist, weswegen ihr Fasten einige Minuten länger als jenes ihrer sunnitischen Glaubensbrüder ist (Dowd und Nielsen 2006, S.225).
Das Fasten am Tag geht über eine vollständige Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz hinaus, und beinhaltet in diesen zehn bis zwanzig Stunden pro Tag auch die Abstinenz von Rauchen und Geschlechtsverkehr. Es gibt keine Vorschriften bezüglich der Enthaltung von bestimmten Speisen während der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, wobei die im Islam üblichen allgemeinen Speiseverbote ihre Gültigkeit bewahren. Deshalb sind auch während der Fastenzeit Alkohol- und Schweinefleischgenuss nicht gestattet (Klöcker und Tworuschka 2005, S.92). Viele Muslime vermeiden es, während des Tages orale Medikation oder intravenöse Flüssigkeiten zu sich zu nehmen, obwohl es von der religiösen Gesetzeslage her möglich wäre (Johnson, M. R. 2004).
Ausgenommen von der Verpflichtung zu fasten sind Kranke, Schwangere, Stillende, körperlich schwer Arbeitende und alte Menschen (Sakr 1975) sowie menstruierende Frauen (Fedail et al. 1982). Wer jedoch während des Ramadan krank wird, durch Menstruation oder Schwangerschaft nicht fasten kann oder eine lange Reise unternimmt und dadurch temporär vom Fasten befreit ist, hat die Fastentage später nachzuholen. Sollte man dazu nicht in der Lage sein, kann man statt des Nachholens des Fastens ein Almosen geben, denn „die Speisung eines Bedürftigen gilt auch als Ersatzmöglichkeit für unerledigte rituelle Pflichten“ (Klöcker und Tworuschka 2005, S.92). Viele Gläubige, welche vom Fasten ausgenommen wären, entscheiden sich dennoch entweder aus Tradition oder aus persönlichen Gründen dazu, das Fasten einzuhalten (Leiper et al. 2003).
Aus medizinschen Gesichtspunkten kann durch den Ramadan eine leichte Tendenz zur Verminderung des Körpergewichts und der Blutfettwerte festgestellt werden. Bei Gesunden zeigten sich in Studien bisher keine Risiken für den Flüssigkeitshaushalt des Körpers. Die zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der bisherigen Forschung wird jedoch erschwert durch die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und die verschieden zusammengesetzten Fastenspeisen bei den beforschten Bevölkerungsgruppen.
Anmerkung: Die Texte dieses Artikels sind größtenteils wörtliche Auszüge oder Zusammenfassungen von Ergebnissen aus meiner Doktorarbeit, welche im Laufe des Jahres 2012 veröffentlicht werden wird. Betreuer: Prof. C.A. May von der Medizischen Fakultät Carl Gustav Carus aus Dresden. Weitere Unterstützung und Stipendium von der Karl-Veronika-Carstens-Stiftung (Essen).