Reiche, hört auf unter Brücken zu pennen!

So weit sind wir dann doch noch nicht. Noch nicht. Wir haben wenigstens noch Arbeitszeiten in Arbeitsverträgen des Niedriglohnsektors stehen. In Großbritannien diskutiert man mal wieder über so genannte »Null-Stunden-Arbeitsverträge«. Dabei handelt es sich um moderne Tagelöhner-Kontrakte, die keine Mindeststundenzahl und damit kein festes Einkommen garantieren. Schon vor einem Jahr versprach der britische Wirtschaftsminister diesbezüglich Nachbesserungen. Dabei handelte es sich aber um Placebos, wie sie für die neoliberale Wirtschaftspolitik typisch sind.
Reiche, hört auf unter Brücken zu pennen!Er hatte nämlich angekündigt, dass die »Exklusivitäts-Klauseln« untersagt würden. Das heißt, dass Arbeitgeber von »Null-Stunden-Angestellten« nicht mehr verlangen dürften, dass diese in Zeiten ohne Arbeitseinsatz keinen anderen Job annehmen, um immer flexibel verfügbar zu sein. An der Existenz solcher Arbeitsgelegenheiten wird allerdings gar nicht gerüttelt. Das ist das »liberale« Element des Neoliberalismus. Der sagt, dass das, was am Markt vorkommt, schon irgendwie vernünftig sein wird. Sonst gäbe es das ja nicht auf dem Markt. Wenn also Arbeitgeber und Arbeitnehmer solche Verträge »aushandeln«, dann wird es einen triftigen Grund dafür geben. Verbieten kann man das nicht. Man kann zwar in Sonntagsreden durchschimmern lassen, dass man das ungehörig findet, aber ansonsten muss man »liberal« sein und es zulassen.

Das erinnert fatal an Anatole Frances' berühmten Ausspruch, dass das Gesetz auf erhabene Weise alle gleich mache, denn »es verbietet allen Menschen unter Brücken zu schlafen und Brot zu stehlen - den Armen ebenso wie den Reichen«. Wenn es also für die Obdachlosen unter der Brücke eng wird, dann kann man Unterkünfte bauen oder aber auf die neoliberale Weise ein Gesetz planen, das pathetisch verkündet: Reiche, hört endlich auf unter Brücken zu pennen! Nehmt denen dort den Platz nicht weg, die ein Anrecht auf ihn haben!
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik unter neoliberaler Kuratel kennt das Verbot fadenscheiniger Praxen nicht. Was Geld abwirft, kann nicht einfach unterbunden werden. Dann gibt man biedere Empfehlungen oder liberalisiert das, was eigentlich einen Ordnungsrahmen benötigte, einfach nochmal nach. Natürlich aber nicht so, dass man den Wesenskern verändert. Wenn gemault wird, dass geringfügig Beschäftigte nicht mal krankenversichert seien, erhöht man einfach die Freigrenze von monatlich 400 auf 450 Euro und lässt durchschimmern, dass man damit jetzt einen Spielraum für eigenverantwortliche Absicherung geschaffen habe. Die Diskussionen über die Dispositionskredite, die man aktuell vernimmt, ticken nach derselben Maxime. Der Justizminister will eine Beratungspflicht einführen, in denen Banken über Umschuldungskredite informieren.
Mehr zum Dispo und zur Scheindebatte demnächst an dieser Stelle. Nur so viel noch: Der erste Schritt aus der Schuldenspirale wäre, die horrenden Zinssätze etwaiger Überziehungskredits zu verbieten. Aber so weit traut sich dann keiner. Das wäre ja ein Eingriff in den Markt. Ein Frevel sozusagen. Denn es ist doch so: Wenn es so hohe Zinsen gibt, dann hat sich der Markt was dabei gedacht, dann haben sich dort Kreditgeber und Kreditempfänger auf dieses Zinsniveau »geeinigt« und da kann man nicht grundsätzlich hineinpfuschen. So würde man ja den freien Willen der Marktteilnehmer unterwandern. Und das geht in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nun wirklich nicht.
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