Regierung legt erneut Entwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz vor

Als vor einigen Wochen der erste Referentenentwurf eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes vorgelegt wurde, zerrissen Experten das Papier förmlich in der Luft, da es in vielen Teilen Verschlechterungen des Datenschutzes für Beschäftigte vorsah, anstatt ihn zu verbessern.

Wir erinnern uns: Die ganze Debatte wurde in den letzten beiden Jahren erst durch zahlreiche Datenschutzskandale in der deutschen Wirtschaft ausgelöst. Es wurde immer mehr klar, dass in Sachen Datenschutz etwas grundsätzlich falsch läuft in den Unternehmen. Und dass man sich dort den Äußerungen diverser Entscheider nach wohl als rechtsfreien exterritorialen Raum ansah.

Nun wurde ein überarbeiteter Entwurfstext vorgelegt. Das Bundeskabinett will ihn in den nächsten Tagen auf den Gesetzgebungsweg bringen. Oberflächlich gelesen verspricht der Entwurf tatsächlich Verbesserungen. Allerdings wird er bereits mit den Worten „Mit den Neuregelungen werden Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz zudem wirksam vor Bespitzelungen geschützt und gleichzeitig den Arbeitgebern verlässliche Grundlagen für die Durchsetzung von Compliance-Anforderungen und den Kampf gegen Korruption an die Hand gegeben“ eingeleitet, d.h. er wurde wohl bereits sehr deutlich wirtschaftslobbyistisch weichgespült.

Sehr intensiv hat man sich darin u.a. mit dem Thema Verarbeitung von Beschäftigtendaten zur Korruptionsbekämpfung befasst. Denn diese wurde in den Datenskandalen der Vergangenheit meist als Ausrede bemüht, wenn es galt Massenscreenings, Profiling und Arbeitnehmerüberwachung im Nachhinein halbwegs zu rechtfertigen. Auch wenn sich faule Deals auf Managerebene, Mauscheleien im Rahmen von Übernahmeverhandlungen, Bilanzbetrug, „goldene Handschläge“ bei der Entsorgung managerialer Altlasten, Kursmanipulationen zum Pushen eigener Aktienoptionen, Kartellvergehen sowie die meisten anderen Formen der Wirtschaftskriminalität so nicht nachweisen lassen. Massenscreenings werden nun wieder zulässig, sofern der Arbeitgeber „tatsächliche Anhaltspunkte“ für einen Verdacht auf Ordnungswidrigkeiten, Straftaten und andere Vergehen hat, die ggf. eine Kündigung aus wichtigen Grund rechtfertigen können. Die ergriffenen Maßnahmen der innerbetriebliche „Horch & Guck“-Abteilung im Dienste der Compliance dürfen dabei „nicht unverhältnismäßig“ und sollten auch „erforderlich“ sein, um die Vergehen „aufzudecken oder um weitere schwerwiegende Vertragsverletzungen zu Lasten des Arbeitgebers, oder weitere Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu verhindern“. Da dürfte bald die windelweiche Rechtsprechung zur Verdachtskündigung, für die es auch keinen substanziell belastbaren Grund bedarf, durch die Hintertür hereinschwappen.

Als Fortschritt wird z.B. das ausnahmslose Verbot der heimlichen Videoüberwachung dargestellt sowie das Verbot des Ausspähen von Betriebsstätten, die überwiegend der privaten Lebensführung dienen (Toiletten, Umkleiden usw.). Tatsächlich schreibt das nur den Ist-Stand weiter fort. Das das den Unternehmen gesetzlich ins Stammbuch geschrieben werden muss, spricht eigentlich bereits Bände.

Offene Videoüberwachung beispielsweise an Firmeneingängen oder zur Qualitätskontrolle soll dagegen möglich sein – „soweit sie zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen erforderlich“ ist, Interessen der Angestellten nicht entgegenstehen und sie auf die Kameras hingewiesen werden. Damit wird der Ist-Stand klar zugunsten der Unternehmen aufgeweicht, denn derzeit gilt: Offene Videoüberwachung widerspricht Grundrechten der Beschäftigten und ist daher nur auf der Basis aufwendiger Mitbestimmungsprozesse möglich. Zudem hat der Unternehmer im Rahmen einer Grundrechteabwägung („geeignet – erforderlich – angemessen“) darzulegen, dass andere (ggf. auch teurere) Mittel, die weniger stark in die Grundrechte der Beschäftigten eingreifen, nicht ausreichen. Das muss er jetzt nicht mehr.

Tendenzbetrieben (Kirchen, politische Organisationen) werden erweiterte Zugriffsmöglichkeiten auf Beschäftigtendaten eingeräumt. So erhalten sie nun eine Rechtsgrundlage auf deren Basis sie Dinge wie Religionszugehörigkeit, Partei- und Gewerkschaftsmitgliedschaft oder auch Details zur Weltanschauung von Bewerbern abfragen und nutzen können.

Arbeitgeber könnten auf Basis des Entwurfes ganz legal Daten von Bewerbern aus sozialen Netzwerken recherchieren, sofern sie „für die Feststellung der Eignung des Beschäftigten für eine in Betracht kommende Tätigkeit oder für die Entscheidung über die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich“ sind. Also auch wieder sehr auslegungsfähig. Bislang bewegten sie sich dabei in einer Art rechtlichen Grauzone, da nur klassische Business-Netzwerke wie XING den Schluss nahe legen, dass die darin veröffentlichten Daten der Nutzer zur Anbahnung von Geschäftskontakten verwendet werden können. Und soziale Netzwerke sind im Gegensatz zu Websites und Blogs nicht öffentlich, da man zu ihnen i.d.R. eine Nutzerkennung benötigt.

Auch das leidige Thema der regulierten Privatnutzung von Internetdiensten und die damit zusammenhängende Providereigenschaft des Unternehmens i.S.d. TKG wird neu geregelt, bestehende Unschärfen im Zusammenspiel von BDSG und TKG beseitigt. Allerdings wird dem Arbeitgeber auch eine Möglichkeit zur „stichprobenartigen oder anlassbezogenen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle, einschließlich der Verhinderung oder Aufdeckung von Vertragsverletzungen zu Lasten des Arbeitgebers, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Beschäftigungsverhältnis“ eingeräumt. An jeder betrieblichen Mitbestimmung vorbei und als Standard.

In etlichen Bereichen des Textes werden den Unternehmen Rechte an Beschäftigtendaten eingeräumt, deren Reichweite an unbestimmte Rechtsbegriffe mit Auslegungsspielräumen gebunden wird. Beispiel: Häufig darf dem Text nach der Arbeitgeber etwas nur dann tun, wenn es „zur Wahrung seiner berechtigten Interessen erforderlich“ ist. Welcher Unternehmer wird im Zweifel seine Interesse nicht als berechtigt und die ergriffene Maßnahme als erforderlich ansehen? Und wer will ihm im Einzelfall als Lohnabhängiger widersprechen? Zumal die heute noch oftmals vorgesehenen rechtlich anspruchsvollen Güterabwägungen entfallen. Da kommt Arbeit auf die Herausgeber von Gesetzeskommentierungen sowie die Gerichte zu. Dementsprechend enthält der Text auch zu 12 Seiten Gesetzesentwurf bereits 23 Seiten Erläuterungen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Entwurf zwar keine komplette Themenverfehlung ist, wie der zuletzt vorgelegte. Man sieht ihm aber sehr deutlich an, dass Unternehmer- und Arbeitgeberinteressen bei Abfassen des Textes Vorrang hatten während Grund- und Bürgerrechte sowie der Gedanke der informationellen Selbstbestimmung außen vor blieben.

Auch dieser Text ist in der vorliegenden Form unbrauchbar und sollte zurückgewiesen werden. Obgleich er streckenweise zumindest gute Ansätze aufweist, die in einem dritten Entwurf aufgegriffen werden können.

Sollte das Gesetz in ähnlicher Form in Kraft treten, dürften Betriebs- und Personalräte es mit als Erstes bemerken. Denn vieles was Arbeitgeber zuvor mit ihnen mühsam und unter Inkaufnahme von Kompromissen aushandeln mussten, stünde ihnen dann einfach so zu. An jeder Mitbestimmung elegant vorbei.



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