Regelmäßiges Lernen - Mein Commitment

imageGute Softwareentwicklung gibt es nicht ohne regelmäßiges Lernen. Technologisch bleibt man sonst immer weiter zurück. Aber auch neue Methoden können sonst nicht wirklich eingeführt werden.

TDD, Clean Code, NoSql, Reactive Programming, F# oder was sich sonst noch nützlich auf die Softwareproduktion auswirken könnte, kann man nicht im Kopf anschalten. Dafür braucht es vielmehr Zeit, um zu lesen, zu denken, zu üben, bevor man es in den Alltag der Produktionscodeentwicklung übernehmen kann.

Ich glaube, 20% Lernzeit während (!) der Arbeitszeit wären gut. Mehr als 10% scheinen in den allermeisten Unternehmen jedoch nicht machbar. Dann also 10% - aber nicht weniger!

Diese 10% können aus autodidaktischem Lernen für sich, Lernen in der Gruppe und Teilnahme an Kursen bestehen. Einer meiner Kunden stellt seinen Entwicklern z.B. 150 Stunden pro Jahr für das Lernen zur Verfügung. Das sind ca. 10% der Arbeitszeit, wenn ich mal 200 Arbeitstage à 8 Stunden rechne. Allerdings verplant man diese 150 Stunden in Form von Seminarteilnahmen. Das ist gut gemeint - aber kontraproduktiv. Denn wann soll denn das, was man im Seminar lernt, geübt werden? Seminarteilnehmer können ja nicht nach 2–3 Tagen Seminar, was als Lernstoff vermittelt wurde. Dafür ist unser Metier zu kompliziert. Unser Lernstoff muss geübt werden. Und nochmal geübt werden. Bevor man ihn halbwegs sicher auf Produktionscode anwenden kann.

Kein Musiker probt auf der Bühne. Kein Chirurg lernt neue Techniken am gewöhnlichen Krankenhauspatienten. So sollte es auch bei der Softwareentwicklung sein. Es braucht für Neues geschützte Übungszeit. Regelmäßig.

Das fällt schwer. Das höre ich immer wieder. Es passt einfach nicht zum vorherrschenden Mindset der 110% Auslastung aller Mitarbeiter mit Tagesgeschäft. Doch es hilft nichts. Wer nachhaltig “wirtschaften” will, der muss dafür Zeit zur Verfügung stellen. Und nicht nur fürs Lernen.

Nun mag man sagen, “Ralf, du hast gut reden. Als Berater/Trainer ist dein Leben viel einfacher. Du kannst dir Zeit nehmen, wie du willst.”

Aber das stimmt nicht. Auch ich habe ja mein Tagesgeschäft. Klar, das sieht anders aus als das eines Entwicklungsteams. Von den Prioritäten her fühle ich mich da allerdings genauso eingeengt. Für einen Entwickler mag es aussehen, als würde ich ständig lernen. Ist nicht ein Buch über Softwareentwicklung lesen, einen Artikel schreiben, ein Seminar vorbereiten Lernen?

Das stimmt in Bezug auf die Softwareentwicklung. Es stimmt aber nicht in Bezug auf die Vermittlung von Softwareentwicklung. Was für Entwickler Lernen ist, ist für mich Tagesgeschäft.

Das verwechsle ich allerdings auch oft. Deshalb muss ich einsehen, dass selbst ich, nicht genug lerne. Ich lebe sozusagen selbst noch nicht das, was ich predige. Das ist Mist. So kann ich meine Überzeugung nicht authentisch vermitteln. I need to put my money where my mouth is :-)

Das Lernversprechen

imageDas will ich, nein, das muss ich nun ändern. Da geht kein Weg dran vorbei, wenn ich als One Man Think Tank weiterhin glaubwürdig sein will. Also lege ich hier ein Versprechen ab.

Ich verspreche, dass ich fortan mindestens 10% meiner Arbeitszeit[1] dem Lernen widmen werde.

Dieses Lernen kann im Besuch von Vorträgen oder Seminaren bestehen, das kann aber auch Lesen und Üben daheim sein.

Da mein Job die Vermittlung von Softwareentwicklungsmethodiken ist, können Lerninhalte natürlich nicht Softwareentwicklungsmethodien sein. Mein Lernen muss vielmehr auf der Meta-Ebene bzw. im Allgemeineren stattfinden.

Oder ich könnte auch sagen: Ich muss beim Lernen dasselbe Gefühl haben, wie meine Kunden. Einerseits muss ich es wollen, andererseits muss es mir aber auch wehtun. Auch ich muss beim Lernen spüren, dass ich eigentlich etwas anderes dringender tun müsste.

Aktivitäten auf die das für mich zutrifft, sind z.B. eine Sprache lernen, Meditation, die Beschäftigung mit “Sachthemen”.

Für Sie mögen das Freizeitaktivitäten sein, für mich gehört das jedoch im weiteren Sinn zum Job:

  • Mein Job ist es, mit Sprache umzugehen, sowohl mit natürlicher wie mit formaler. Auf die eine oder andere Weise. Deshalb ist es wichtig, dass ich meinen “Sprachmuskel” fit halte. Jede Sprache, die ich lerne oder deren Kenntnis ich verfeinere, macht es mir leichter, zu kommunizieren, was ich vermitteln will.
  • Mein Job ist es, mich vielen Einflüssen auszusetzen und oft zu reisen. Innere Ruhe und Gelassenheit sind dann wichtig, um in dem Rahmen eine balancierte und authentische Botschaft zu vermitteln. Medidation und die Beschäftigung mit spirituellen Themen hilft, diesen Zustand herzustellen.
  • Die Softwareentwicklung profitiert davon, sich durch andere Disziplinen oder sogar ganz allgemein “durch das Leben” informieren zu lassen. Bauarchitektur, Biologie, Physik, Soziologie usw. halten viel bereit, von dem wir lernen können. Darüber hinaus kann meine didaktische und methodische Praxis als Trainer nur davon profitieren, wenn ich mich in anderen Bereichen umschaue (z.B. systemische Analyse, Lernpsychologie). Ich muss also “Sachthemen” erkunden - und das durchaus, ohne immer genau zu wissen, wann ich welches wie anwenden kann. Sozusagen Grundlagenforschung statt angewandte Forschung.

Natürlich habe ich in der Vergangenheit diese Aktivitäten schon betrieben - nur nicht systematisch. Da war es Freizeit und ich konnte jederzeit damit aufhören. Nun will ich das ändern. Darin besteht mein Commitment.

Ich verspreche, jede Woche mindestens 4 Stunden wie folgt ins Lernen und Üben zu investieren:

  1. Sprachenlernen: Ich widme jeden Arbeitstag 20–30 Minuten dem Lernen einer Sprache. Derzeit ist das Französisch. 5x20=100 Minuten, d.h. 1,66 Stunden.
  2. Meditieren: Ich mediere jeden Tag 10–15 Minuten. 7x10=70 Minuten, d.h. 1,16 Stunden.
  3. Sachthemen: Ich lese jeden Arbeitstag 15–30 Minuten über ein Sachthema. 5x15=75 Minuten, d.h. 1,25 Stunden. Dazu mögen über das Jahr verteilt Konferenzen oder Seminare kommen, wo ich mich en bloc länger mit einem Thema befasse. In diesem Jahr waren das z.B. schon eine Konferenz zum Thema Unternehmertum und ein Seminar über Prozessmanagement.

Das sind Aktivitäten, von denen ich weiß, dass sie für mich wichtig sind. Ich muss hier regelmäßig am Ball bleiben. Dennoch fällt es mir schwer, sie auch ständig während des Tagesgeschäftes auf dem Zettel zu haben.

Jeden (Arbeits)Tag 15–30 Minuten mit so einer Aktivität verbringen, führt das denn zu Fortschritt? Ja, das glaube ich ganz sicher. Nicht kurzfristig, aber mittel- und langfristig. Es gibt ja auch keine Rüstzeiten und spezieller “mental state” muss auch nicht aufrechterhalten werden. Außerdem steht es mir jederzeit frei, mehr Zeit einer dieser Aktivitäten einzuräumen.

Soviel zu meinem Versprechen. Und wie dokumentiere ich, dass ich es einhalte?

Ich benutze die App Lift, um die Durchführung zu protokollieren.

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Nach Abschluss einer Aktivität hake ich sie in der App ab. Das an sich ist schon ein kleiner Erfolg. Noch motivierender ist es jedoch, in der Übersicht zu sehen, wie kontinuierlich ist dabeigeblieben bin.

Wer mag, kann meinen Fortschritt verfolgen. Ich habe die lift-Aktivitäten öffentlich gemacht:

  • Französisch lernen: In den Kommentare nenne ich die Plattform, mit der ich lerne.
  • Meditation
  • Sachthemen: In den Kommentaren nenne ich die Bücher, mit denen ich mich gerade beschäftige.

Spätestens in 3 Monaten berichte ich dann hier, wie es mir mit der Erfüllung meines eigenen Anspruchs ergangen ist. (Dass ich unterwegs nicht mogle, müssen Sie mir glauben. Ich mache also nur einen lift-Haken, wenn ich wirklich eine Aktivität durchgeführt habe.)

Und nun: Ich bin genauso gespannt wie Sie :-)

Let the learning begin…


  1. Meine Arbeitszeit ist nicht so klar abgezirkelt wie die eines Angestellten. Als Freiberufler bin ich sehr frei, was Zeit und Datuer meiner Arbeit angeht. Außerdem verschwimmen Arbeit und Freizeit bei mir. Mein Versprechen bezieht sich der Einfachheit halber auf eine 40 Stunden Woche. Ich verspreche also 4 Stunden Lernen pro Woche. ↩


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