Reform des Strafgesetzbuchs unterbricht die Blog-Pause

Ein Blog-Pause hatte ich ausgerufen. Und was passiert? Die aktuelle Reform des Strafgesetzbuchs unterbricht die Blog-Pause! Jawohl. Justizias Mahn- und Straffinger droht uns Fotografen Ungemach an. Ganz besonders den Aktfotografen, aber auch allen anderen. Sogar Smart-Phone-Knipser rücken in Justizias Blickfeld.

In meiner Blog-Pause macht die Gesetzgebung Bock-Sprünge

Der Gesetzgeber macht Gesetze. Das soll er auch und das erwarten wir auch von ihm. Nun ist aber von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt eine von Bundesjustizminister Heiko Maas initiierte Gesetzesinitiative durch den Bundestag gerauscht, die eine Verschärfung des Sexualstrafrechtes betrifft. Ganz besonders wird hierin der Umgang und die Veröffentlichung von Bildern im Internet verschärft. Aus Sicht vieler Juristen geht dieses Gesetz jedoch weiter (sogar viel weiter), als es gut ist. Nicht nur bildliche Verbreitung von sexuellen Themen, sondern weit darüber hinaus kann schnell in den Bannkreis des Strafrechts führen. So weitgehende Reformen sind mehr als ein Grund, die Blog-Pause zu unterbrechen.

Was ist gut und was nicht?

Was Gesetze angeht, wird man in einigen Fällen sicherlich geteilter Meinung sein können, was ein guter und was ein weniger guter Gesetzestext ist. Da geht es nicht um schöne Worte, sondern um juristisch verwertbare Tatbestände. In der Regel wird geregelt, was verboten ist. Ein gutes Gesetz ist das, was auf den Punkt einen Mißstand unterbinden soll. Weniger gut ist, wenn die Verbotsregelung zu weit geht oder weitgehenden Interpretationsspielraum lässt. Im „49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches“ soll die Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht erfolgen und einen Schutz vor “Cybermobbing” eingeführt werden. So weit, so auch begrüßenswert. Der Pferdefuß an der Sache ist aber, daß Kritiker die Vorschriften für zu weitgehend halten und Befürchtungen laut werden, dass sogar Hobbyfotografen ohne böse Absicht schnell in den Bereich der Strafverfolgung geraten könnten. Spätestens jetzt wird klar, daß ich mich aus meiner Blog-Pause melden muß. Geht es hier ans Eingemachte? Stehen Fotografen nun ständig mit einem Bein im Gefängnis?

Lassen wir zuerst Bundesminister Heiko Maas zu Wort kommen

Der Bundesjustizminister ist voll des Lobes über die maßgeblich von ihm verantwortete Verschärfung der gesetzlichen Regelungen. Die hierzu veröffentlichte Presseerklärung liest sich gut und vernünftig. Die kommerzielle Herstellung von Nacktbildern (als Einzelbild oder Video) von Kindern und Jugendlichen, sei nunmehr strafbar, so der Kontext. Zugleich betonte Bundesminister Maas, dass auch künftig sozial übliches und alltägliches Anfertigen von Aufnahmen straffrei bleibt.

Es liest sich gut – Probleme stecken im Detail

Paragraf 184c Strafgesetzbuch (StGB) verbot bereits Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Diese Regelung umfasste jedoch lediglich Bilder oder Videos mit pornografischem Inhalt. Die jetzt in Kraft getretene Reform des Gesetzes ist jedoch nun so abgefasst, daß es zum Beispiel auch erhebliche Auswirkungen auf Bereiche wie der Modefotografie haben kann. Die reformierte Vorschrift stellt jetzt auch Bildaufnahmen unter Strafe, „die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand“ haben. Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Bilder hergestellt werden, um sie „einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen”, oder sich jemand solche Darstellungen gegen Bezahlung verschafft, bzw. eine dritte Person diese verschafft. Ich bin kein Jurist, aber mir schwant Übel.

Kunst_BDSM-Fotografie_Emulsionslift_001webGanz kritisch muß man die Neugestaltung des Paragrafen 201a des StGB sehen. Hier geht es um die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“. Danach wird zukünftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt Fotos oder Filme herstellt oder überträgt, welche „die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt“ und dadurch „den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt“. Hierfür kann ich zum Teil Verständnis aufbringen – sehe aber auch Gefahren. Wenn wir da an Bilder von hilflosen oder sturzbetrunkenen Menschen denken, die beispielsweise durch Fratzenbuch getrieben werden, kann ich zur Verschärfung des Gesetzes nur nicken. Aber man kann den Gedanken noch weiter spinnen. Wie sieht es zum Beispiel mit BDSM-Bildern aus? Und es kommt noch dicker. Ach, bevor ich es vergesse: Anders als bisher ist nun bereits das Anfertigen eines solchen Fotos strafbar! Also Leute, klebt bei der nächsten Party schön die Kamera beim Smart-Phone ab … bevor man was Falsches fotografiert.

So, bitte jetzt wieder Ernsthaftigkeit im Saal! Wie gesagt, jetzt kommt es noch dicker. Das Strafrahmen von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe blüht in Zukunft auch dem, der „unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme macht, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden …“. Liebe Fotografen, denkt Ihr auch immer daran, einen Model-Vertrag abzuschließen und diesen entsprechend rechtsicher zu formulieren und dabei auf die absolute Zustimmung zu Aufnahmen der gewünschten Art zu achtet? Wichtig! Oh, da ist im Gesetz noch ein Nachsatz: „… einer dritten Person zugänglich macht”. Hier kommt es also nicht nur auf das Fotografieren oder Filmen an, sondern es genügt bereits, die Aufnahme auf in Social Medias zu verbreiten.

Unsere Gerichte werden in Zukunft gut beschäftigt sein, denn ab wann genau ein Bild geeignet ist, dem Ansehen des Abgebildeten erheblich zu schaden, ist nicht zweifelsfrei definiert. Und es kann auch zu unglücklichen Konstellationen kommen. Zudem ist das „dem Ansehen … schaden“ sowieso eine äußerst dehnbare Formulierung, die sich sogar mit der Zeit und Lebenssituation des Abgebildeten wandeln kann. Heute ist Nacktheit unbedenklich … andere Lebensumstände oder eine Veränderung des Lebensplans und schon kann Nacktheit dem Ansehen schaden. Ohoh, kompliziert.

Teilentwarnung – aber ein Risiko bleibt

Im Absatz 4 des Paragrafen 184c StGB werden bestimmte Ausnahmen genannt, die von der Strafbarkeit ausgenommen werden. Danach gelten die Reformen nicht für Handlungen, die „in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen“. Und diese Ausnahme-Bereich sind klar definiert. Genannt werden Aufnahmezwecke, die der „Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen“. Aber sein wir ehrlich, da genügt es nicht mehr sich einfach (und ganz lässig) herauszureden … hier werden Nachweise gefordert, daß es sich tatsächlich um Aufnahmen im Sinne der Kunst, Wissenschaft, Forschung, Lehre oder Berichterstattung handelt. Fakten, nicht rumreden. An der Stelle ist auch noch nicht Schluss mit der Gummi-Paragraphierung. Ein letzter Punkt bereitet Kopfschmerzen: Potenzielle Taten nach Paragraf 205 StGB werden nur auf Antrag verfolgt, „es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält“. Da haben wir sie wieder, die Ermessenssache. Wackelig kann das auf jeden Fall werden.

Hat es sich gelohnt die Blog-Pause zu unterbrechen?

Als Fazit muß ich sagen, nicht alles ist an der Reformierung des hier angesprochenen Gesetzes ist falsch oder schlecht. Einiges ist dem Gesetzgeber sogar sehr gut geglückt. Aber für uns Fotografen entstehen neue Risiken … davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Ich denke gerade an so einige Aufnahmen, aus den Bereichen BDSM, Pikanterie oder auch andere Akt-Motive. Zwar mache ich seit vielen Jahren Model-Verträge, in denen die explizite Einwilligung erklärt wird. Aber ob die vor Jahren formulierten Verträge den heutigen Gesetzeslagen entsprechen, kann wohl nur ein Jurist nach eingehender Fallprüfung klären. Eindeutig, ich mache meine Aufnahmen im Sinne der Kunst und ich sehe mich auch als Künstler anerkannt. Und ich habe kein Interesse, Aufnahmen von Personen unter 18 Jahren zu machen. Soweit sehe ich mich im Sinne des Absatz 4, Paragrafen 184c StGB außerhalb der Strafverfolgung … aber es ist auch zu erkennen, wie hauchdünn dieser Schutz ist. Eine anders lautende Interpretation könnte hier eine andere Auslegung und damit eine Strafverfolgung bringen.

Wir können es drehen und wenden wir wollen, wir sind gezwungen uns mit unseren Bildern zu beschäftigen. Auch mit den bereits veröffentlichten! Dafür hat es sich schon gelohnt, die Blog-Pause zu unterbrechen.


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