Was ist bekannt über den Einfluss des Rauchens auf den Verlauf der Multiplen Sklerose? Nützt oder schadet Rauchen?
Medizinische Probleme können durch „hinzufügen von Gutem“ oder durch „weglassen von Schlechtem“ angegangen werden. Im Falle von MS können immunmodulierende Medikamente eingenommen werden, in der Hoffnung, dass sich die Krankheit günstig beeinflussen lässt. Umgekehrt können auch mögliche negative Einflüsse vermindert oder beseitigt werden, beispielsweise die Vermeidung von chronischen Stress.
Das „Weglassen von Schädlichem“ in der Medizin wurde vom Philosophen Nassim Nicolas Taleb als „Via Negativa“ bezeichnet.1 Das „Weglassen von Schädlichem“ ist weniger riskant. Das „Suchen“ von Schädlichem und in der Folge das „Weglassen“ sollte der erste Ansatz bei medizinischen Problemen sein. In einem zweiten Schritt kann danach geprüft werden, ob man „etwas gibt“.
Doch es scheint in der Natuer des Menschen zu liegen, dass er lieber mit „einem Mittel hilf“. Ein Mittel birgt aber immer das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen. Teilweise können Nebenwirkungen von Medikamenten den Einsatz von weiteren Medikamenten zu deren Linderung nachsichziehen.
Anreize
Es ist viel leichter für „ein Mittel“ Geld zu verlangen, als für das Abraten von etwas. Das widerspiegelt sich auch in den Tarifstrukturen des Schweizer Gesundheitssystems.
Da wenig Geld verdient werden kann, gibt es auch wenig „Treiber“ für eine Entwicklung. Forschung und Information werden nicht vorangetrieben.
Rauchen
Rauchen ist für viele gesundheitliche Probleme verantwortlich. Beispielsweise Veränderung der Lungen, der Haut, des Immunsystems, des Stoffwechsels, der Blutgefässe, …
Beispielsweise wurden Studien mit Zwilingen gemacht, der eine Raucher, der andere nicht. Die Gesichter wurden verglichen. Raucher und Nichtraucher lassen sich gut unterscheiden, siehe Bilder des Artikels Zwillings-Studie beweist: Raucher sehen älter aus, Blick.23
Seit dem Rauchverbot sind in der Schweiz die Herzinfarkte zurückgegangen.4
Was ist der Einfluss des Rauchens auf MS?
Daten
Rauchen scheint ebenfalls auf MS einen schlechten Einfluss zu haben. Es gibt verschiedene Studienresultate und Artikel. Nachfolgend ist eine Liste von Artikel, die mir zum Thema begegnet sind. Dies ist eine unsystematisch erfasste Liste. Es gibt sicher noch viele andere Studien.
- Manouchehrinia A, Weston M, Tench CR, Britton J, Constantinescu CS. Tobacco smoking and excess mortality in multiple sclerosis: a cohort study. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 25. Feb. 2014;:jnnp–2013–307187.
- Rauchen vergrößert das Behinderungsrisiko – Rauchstopp verbessert den Verlauf., DMSG, 15.07.2013
- Hedström AK, Ryner M, Fink K, Fogdell-Hahn A, Alfredsson L, Olsson T, u. a. Smoking and risk of treatment-induced neutralizing antibodies to interferon β-1a. Mult Scler. 1. Apr. 2014;20(4):445–50.
- Briggs FBS, Acuna B, Shen L, Ramsay P, Quach H, Bernstein A, u. a. Smoking and Risk of Multiple Sclerosis: Evidence of Modification by NAT1 Variants, Epidemiology, 12. März 2014
- Multiple Sclerosis Research: Smoking genes increasing your risk of MS., 01.04.2014
- Hedström A, Alfredsson L, Lundkvist Ryner M, Fogdell-Hahn A, Hillert J, Olsson T. Smokers run increased risk of developing anti-natalizumab antibodies. Mult. Scler. 5. Dez. 2013
- Multiple Sclerosis Research: Smoking and Making your Drugs Stop Working., 21.12.2013
- Weiland TJ, Hadgkiss EJ, Jelinek GA, Pereira NG, Marck CH, van der Meer DM. The association of alcohol consumption and smoking with quality of life, disability and disease activity in an international sample of people with multiple sclerosis. J. Neurol. Sci. 15. Jan. 2014;336(1-2):211–9.
- Hedström AK, Hillert J, Olsson T, Alfredsson L. Smoking and multiple sclerosis susceptibility. Eur J Epidemiol. 1–8.
- Manouchehrinia A, Tench CR, Maxted J, Bibani RH, Britton J, Constantinescu CS. Tobacco smoking and disability progression in multiple sclerosis: United Kingdom cohort study. Brain. Juli 2013;136(Pt 7):2298–304.
- Asadollahi S, Fakhri M, Heidari K, Zandieh A, Vafaee R, Mansouri B. Cigarette smoking and associated risk of multiple sclerosis in the Iranian population. J Clin Neurosci. 20. Aug. 2013;
- Hedström AK, Hillert J, Olsson T, Alfredsson L. Nicotine might have a protective effect in the etiology of multiple sclerosis. Mult Scler. 1. Juli 2013;19(8):1009–13.
- Salzer J, Hallmans G, Nyström M, Stenlund H, Wadell G, Sundström P. Smoking as a risk factor for multiple sclerosis. Mult Scler. 1. Juli 2013;19(8):1022–7.
Die obigen Studien deuten auf eine Verschlechterung der MS-Krankheit durch Rauchen hin. Bewiesen ist es aber nicht. Doch MS-Betroffene setzen auch auf viele andere „unbewiesene Mittel und Methoden“.
Datenverfügbarkeit
Leider sind viele der obigen Forschungsartikel nicht frei verfügbar (nicht Open Access). Zum Lesen der Artikel können die Autoren um die Forschungsartikel gebeten werden. Um die Wissensverbreitung von Forschungsresultaten zu bessern, wurde das Open Access Prinzip für den freien Zugang von Forschungsartikeln geschaffen. Insbesondere sollte öffentlich finanzierte Forschung öffentlich zugänglich sein.
Nebenwirkungen
Aufhören zu Rauchen ist zu Beginn selbst mit Nebenwirkungen verbunden. Der Stoffwechsel muss sich anpassen und deshalb kommt es häufig zu Gewichtszunahmen. Zu Beginn sollten deshalb Kompensationsmassnahmen wie vermehrte körperliche Betätigung eingeplant werden, beispielsweise können die Fussgänger auf den Lift verzichten oder man kann sich (vermehrt) sportlich betätigten. Wahrscheinlich ist es ratsam die Kompensationsmassnahmen bereits vor dem Aufhören anzufangen.
Patienteninformation
Die Patienteninformation über das Rauchen und MS wird in der Schweiz nicht einheitlich gehandhabt. Jede Klinik und jeder Arzt handhabt es individuell. Das Universitätsspital Genf (HUG) beispielsweise fragt, ob jemand raucht und schlägt das Aufhören vom Rauchen vor.5
Die MS-Gesellschaft bietet aktuell kein Merkblatt zum Thema „Rauchen und MS“ an.
Weglassen von Alkohol, Milch oder Fleisch
Beim Weglassen von anderen Produkten ist die Datenlage weniger klar. Alkohol in vernünftigen Mengen scheint keine negativen Auswirkungen zu haben. Wer jedoch unsicher ist, lässt das Genuss-/Suchtmittel Alkohol besser weg.
Auch das Weglassen von „schädlichen Nahrungsmittel“ könnte helfen. Es gibt jedoch keine gesicherten Information zum Thema was schädlich ist bei MS. Die Ursache von MS ist leider nach wie vor unbekannt und es gibt zu wenig Forschung zum Thema „Ernährung und MS“. Wenn man potentiell schädliche Produkte reduziert, ist das sicher nicht falsch. Wenn man Nahrungsmittel wie Fleisch oder Milch völlig weglässt, sollte man sich informieren. Fleisch beispielsweise hat Proteine und enthält das Vitamin B12. Vitamin B12 kommt in pflanzlicher Nahrung praktisch nicht vor.
Wenn Milch durch Calciumtabletten ersetzt wird, scheint mir dies nicht besonders natürlich zu sein. Abgesehen davon, dass Calcium vom Körper ohne Sonnenlicht viel schlechter aufgenommen wird.
Fazit
Bevor irgendein „Wundermittel“, mit möglicherweise unbekannten Nebenwirkungen, eingenommen wird, sollte geprüft werden, ob es schädliche Faktoren gibt, die vermieden werden können.
Rauchen scheint sich schädlich auf den MS-Verlauf auszuwirken. Aufhören zu Rauchen scheint deshalb eine sinnvolle Massnahme zu sein. Aber jeder ist selbst verantwortlich für seine Gesundheit und muss deshalb eigenverantwortlich entscheiden.
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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen, Nassim Nicholas Taleb, 2013. ↩
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Okada HC, Alleyne B, Varghai K, Kinder K, Guyuron B. Facial Changes Caused by Smoking: A Comparison between Smoking and Nonsmoking Identical Twins. Plastic and Reconstructive Surgery. Nov. 2013;132(5):1085–92. ↩
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Weniger Herzinfarkte dank Rauchverbot. tagesanzeiger.ch: (wid/sda). 9. März 2013 ↩
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Dr. Patrice Lalive, Dr. Caroline Pot, „Risk Factors in MS: Detection and Treatment in Daily Life“, 16. State of the Art, Workshop C, Lucerne, 11.01.2014 ↩