Ranganpalkes Dorfpolitik


Eine Anekdote aus der indischen Dorfgesellschaft
Victor ist etwa 50 Jahre alt und als Busfahrer in der Little Flower School angestellt. Er fährt von Montag bis Samstag zwei mal täglich die etwa zweistündige Route von Ranganpalke über verschiedene Seitenstraßen bis nach Beilur und zurück. Trotz dieser eher eintönigen Arbeit auf den ländlichen Straßen und Feldwegen ist Victor ein überaus glücklicher Mensch voller Lebensfreude. Sein Lächeln setzt er niemals ab und der Humor sprudelt nur so aus ihm heraus.Ich habe die Ehre mit in seinem Bus assistieren zu dürfen. Während meiner Arbeit, bei der ich den kleinen Schulkindern mit ihren schweren Rucksäcken in den Bus hinein helfe, lernte ich Victor immer besser kennen.Heute weiß ich, dass das Schulbusfahren nur ein kleiner Nebenjob von ihm ist. Sein Hauptgeschäft macht er mit seiner gelben, gepflegten Rikschataxe. Sie verkehrt in einem ähnlichen Radius wie der Schulbus. Außerdem verdient sich Victor sich mit seiner eigenen Kuh, die er jeden Morgen melkt, noch ein paar Rupee dazu. Die frische Milch wird am Dorfumschlagsplatz von Ranganpalke gemessen und weiter vermarktet.Von all seinen Tätigkeiten profitiert die Dorfgemeinschaft. Selbst ich bin schon oft in seine Rikscha gestiegen und habe bestimmt auch des öfteren Tee mit Milch von seiner Kuh getrunken. Doch wie viel die Ranganpalker tatsächlich von seiner Arbeit haben, verdeutlicht das aktuelle Dorfgeschehen.
Ranganpalkes Dorfpolitik
Vor einigen Tagen bzw. Wochen war in Ranganpalke Rikscha-Streik. Einen Tag lang fuhren keine Taxi in der umliegenden Region und man konnte als unschuldiger Bürger nur mit den recht selten fahrenden Bussen bedingt von einen Ort zum anderen gelangen. Nur ab und an sah man einen Rikscha-Fahrer, der sich scheinbar nicht an die Abmachung der Rikscha-Gewerkschaft halten wollte. Grund für den Stillstand der motorisierten Dreiräder war eine ganz simple Forderung: „Die Straßen rund um Ranganpalke sollen ausgebessert werden“. Es geht um hunderte Schlaglöcher, die eine meterlange Hoppelpiste gestalten und eine Fahrt auf ihr zu einem gefühlten Kamelritt machen. Was für uns der Winter mit sich bringt, ist in Südindien die Regenzeit. Ströme und Wasserfälle aus den Wolken der vergangenen Monate haben den Asphalt einfach weggespült. Um die Lebensqualität der umliegenden Dörfer und die Arbeitsbedingungen der Fahrer wieder zu erhöhen, haben sich Victor und seine Männer mit dem Rikscha-Streik an einem beliebten Druckmittel auf die örtlichen Politiker bedient.Ranganpalke, ein sonst eher nur verschlafenes Dörfchen will Veränderung und erreicht sie auch. Vor wenigen Tagen wurden die Nomadenzelte der Straßenasphaltierer am Wegesrand aufgeschlagen und die Arbeiten begannen. Nachdem der Regen jetzt scheinbar endgültig versiegt hat, ist dies zum Glück möglich. Nun sind schon einige Meter begradigt und ich stelle von Tag zu Tag fest, dass sich mit der Initiative von Victor und den anderen Rikscha-Fahrern auch meine Arbeitsbedingungen als Busassistent erheblich verbessern. Es lebe das Engagement für die Gesellschaft!
Ranganpalkes Dorfpolitik
Ranganpalkes Dorfpolitik

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