© Sony Pictures Releasing GmbH / Django (Jamie Foxx, links) mit Django (Franco Nero, rechts)
Irgendwo an der Grenze Mexikos. Hier lernt man zum ersten Mal diesen wortkarten Mann kennen. Allein unterwegs. Immer einen Sarg bei sich. Django ist sein Name. Es ist das Jahr 1966 als Sergio Corbucci seinen Italo-Western „Django“ veröffentlicht. Franco Nero, sein damaliger Hauptdarsteller trat 1987 noch einmal in dieser Rolle auf. Es war „Djangos Rückkehr“. Jetzt sitzt Nero entspannt an einer Theke, blickt auf einen Mann, der es sich neben ihm gemütlich gemacht hat. Immer noch wortkarg fragt er nach dessen Namen. Die Antwort lautet „Django“. Er buchstabiert: „D – J – A – N – G – O“. Ganz wichtig: „Das D ist still“. Ein anerkennendes nicken von Franco Nero – „I weiß“. Denn er war lange Zeit selbst dieser Mann, der in Quentin Tarantinos neuem Film „Django Unchained“ von Jamie Foxx gespielt wird.
Tarantino zieht es in die Südstaaten der USA, wo zwei Jahre vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs, der deutschstämmige Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) den Sklaven Django (Jamie Foxx) aus seinen Ketten entfesselt, um mit ihm auf die Spur der gesuchten Brittle-Brüder zu kommen. Von denen weiß nur Django, wie sie aussehen. Aber selbst als dieser Job erledigt ist, gehen die beiden Männer nicht getrennte Wege. Django will mit der Hilfe von Schultz seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) aus den Händen von Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) befreien. Er ist der Eigentümer von „Candyland“, einer berüchtigten Plantage. Die beiden kundschaften das Gelände unter falschen Identitäten aus, wecken damit allerdings das Misstrauen von Candies Haussklaven Stephen (Samuel L. Jackson), der fortan jede ihrer Bewegungen genauestens kontrolliert.
Dr. King Schultz (Chrisioph Waltz) mit Django (Jamie Foxx)
Schon die Eröffnungssequenz zu „Django Unchained“ gibt den Ton vor, wie in jedem Tarantino-Film werden die Dialoge mit viel Witz gespickt – nicht zuletzt hat der Regisseur gerade in Christoph Waltz sein perfektes Sprachrohr für die besten Drehbuchzeilen gefunden. Dann die Kamera, die immer wieder aus der Ferne in die Detailaufnahme wechselt, hinzu die markanten Soundeffekte, die einen Peitschenschlag enorm dröhnen lassen. Man erinnert sich immer gerne an die Faustschläge von Bud Spencer und Terence Hill, übernatürlich effektiv im Klang. Mit dem kunstroten Blut wird ebenso wenig sparsam umgegangen, zumeist ergießt es sich über weiße Oberflächen, damit es auch hübsch ausschaut. Visuell muss alles stimmen – tut es auch – Tarantino mischt rot auf weiß, das kennen die Zuschauer besonders aus „Kill Bill“.
Auch in diesem „Django“ bleibt der Hauptprotagonist still, man mag sogar sagen, dass Jamie Foxx das leidliche Los gezogen hat. Er muss die stumme Rolle mimen, während Waltz und DiCaprio dialogstark um die Wette eifern. Waltz, der Kopfgeldjäger der sich als Zahnarzt tarnt, beweist sein gutes Timing, nutzt die ihm verabreichte Drehbuchvorlage um aus Dr. King Schultz eine enorm unterhaltsame Figur zu machen. Dabei verkommt er nie zur Witzfigur, behält ähnlich wie Hans Landa in „Inglourious Basterds“ seine Glaubwürdigkeit. Wenn er später von Gewissensbissen geplagt auch ernst dreinschaut, dann geht das durch Mark und Knochen. Wie konnte es nur jemand – Calvin Candie – schaffen, diesen zuvorkommenden Gentleman-Kopfgeldjäger so zur inneren Weißglut zu bringen? Leonardo DiCaprio taucht erst mit der zweiten Hälfte des Films auf, wenn sich die Geschichte nach Candyland verlagert, wo es wie für Tarantino üblich, dann auch mal dialogschwerer wird. Bei einem abendlichen Dinner serviert der schwarzzahnige DiCaprio nicht nur das Essen, sondern auch einen Monolog, der vor Dreck, Schmutz und Hinterhältigkeit nur so strahlt. Aus dem netten „Titanic“-Jungen ist nicht erst seit „Shutter Island“ ein großartiger Schauspieler erwachsen, aber hier, in seiner ersten wahren Rolle als Bösewicht, sitzt jedes Wort und jeder Blick, jede extravagante Geste scheint der Figur eine Nuance Widerwärtigkeit hinzuzufügen.
Django (Jamie Foxx) konfrontiert Calvin Candie (Leonardo DiCaprio)
In gewisser Weise ist „Django Unchained“ gleich ein doppelter Western-Buddy-Movie, auf der einen Seite mit Dr. King Schultz und Django, auf der anderen Seite Calvin Candie mit Stephen – der Hausdiener ist nötig, ist es doch der obligatorische Tarantino-Auftritt für Samuel L. Jackson, in Maske, mit Glatze, weißen zauseligen Haaren. Mit jeder Bewegung scheint dieser an die 90 Jahre alte Mann zu zittern, das Spiel von Jackson ist fantastisch. Er würde hier alles für seinen Herrn tun, ebenso wie – man wird es am Ende erleben – auch Schultz eine Menge für Django aufs Spiel setzt. Die beiden erarbeiten sich im Verlauf des Films eine fast Vater/Sohn-ähnliche Beziehung zueinander, bei dem Vaterfigur King Schultz am Lagerfeuer Geschichten erzählt und Django mit seiner Waffe das Schießen beibringt, zielen und abfeuern trainiert. Gemeinsam kämpfen sie dann gegen das Böse, nicht nur in Form von Calvin Candie. Es werden weitaus mehr Handlungsstränge verwoben: Die Brittle-Brüder müssen zuerst dran glauben, hier kommen die Peitschenhiebe zur Geltung, danach erwehren sie sich einer Gruppe von Ku-Klux-Klan Verfolgern, darunter „Miami Vice“-Don Johnson und Jonah Hill. In einer weiteren Episode, schon auf Candyland angekommen, darf man im englischsprachigen Original Christoph Waltz und Kerry Washington bei einer deutschen Unterhaltung lauschen, in der Übersetzung ebenso sinnfrei wie unlustig, das kennt man aus Tarantino-Filmen, die sich gerne anderen Sprachen bemächtigen und bei der Synchronisation verpuffen – man nehme nur Brad Pitts Versuche Spanisch zu sprechen in „Inglourious Basterds“.
Zugegeben, einmal auf Candyland angekommen, nimmt das Erzähltempo gehörig ab. Es ist wie „Kill Bill – Volume 2“, der auf einen brutal schnellen „Kill Bill – Volume 1“ folgte und einen anderen Ton etablierte. Nun hat Tarantino diese Geschwindigkeitsunterscheidung innerhalb eines Films untergebracht, was ein wenig Gewöhnung bedarf. Auch dass er sich nicht in lauter Nebenplots verliert, ist eher untypisch für den Filmemacher, der in „Django Unchained“ eine durchweg geradlinige Erzählung zeigt, die allenfalls durch wenige Rückblenden auf die brutale Sklavenvergangenheit von Django und seiner Frau Broomhilda von Shaft (der Nachname als Hommage auf einen großen Filmhelden) gebrochen wird. Das eigentliche Finale ist dann ein Mix aus anfänglichen Kammerspiel zwischen Foxx und Waltz auf der einen, DiCaprio und Jackson auf der anderen Seite, bevor es dann in Teil 2 des Finales, doch noch einmal zu der wüsten Wild West Schießerei kommt, die vermutlich bis hierher vermisst wurde.
Hinzu gesellt sich der erneut wunderbar stimmige und gut anzuhörende Soundtrack zu „Django Unchained“, der – ähnlich wie zuletzt „The Man with the Iron Fists“, von Tarantino präsentiert – Westernklänge mit Hip Hop vermischt, was zu einer einmaligen Soundkulisse beiträgt. Aber auch Legende Ennio Morricone durfte wieder komponieren. Am Ende wird man sich allenfalls fragen, ob der Film um Christoph Waltz herum entstanden ist, oder ob erst die Idee, dann er zu Tarantino gekommen ist. Damit hat Jamie Foxx dann arg zu kämpfen, dem Zuschauer darf’s egal sein, der bekommt beste Unterhaltung à la Quentin Tarantino.
Denis Sasse